Der Retter der Bayern-Krone
Ohne ihn wäre München bedeutend ärmer und sähe auch ganz anders aus. Er hat in den letzten Kriegstagen den bayerischen Kronschatz gerettet und später die Residenz wieder aufgebaut - Tino Walz. Jetzt starb er im Alter von 95 Jahren.
Er ist eine Münchner Legende, obwohl er nicht nur gebürtiger, sondern auch überzeugter Schweizer war. Hinter seinem Schreibtisch hing eine große Karte von Graubünden, wo er lange die Landesplanung steuerte und noch im hohen Alter für Landschaftsschutz kämpfte. München aber war seine Lieblingsstadt, mit der auch die beiden ganz großen Geschichten seines Lebens verbunden sind: die Rettung des Kronschatzes in den letzten Kriegstagen unter geradezu unglaublichen Umständen, und der Wiederaufbau der von Bomben zerstörten Residenz.
Nach einer Jugend in der Schweiz, in Italien, Frankreich und Bayern war Walz bereits mit Anfang 30 leitender Architekt des Münchner Stadtschlosses. Als im Krieg die Zerstörungen deutscher Städte immer größer wurden, bildete sich ein kleiner Zirkel, der den Kronschatz vor Bomben und Plünderung retten wollte.
Der Schatz auf dem Dach eines alten Opel
Erst kamen Krone, Schwert und Reichsapfel plus Geschmeide von unermesslichem Wert nach Herrenchiemsee, dann nach Kelheim. Schließlich schien es auch dort zu unsicher – so entstand der Plan, dass der Schweizer Tino Walz den Schatz ganz allein in Sicherheit bringen sollte.
Turmhoch geladen, in Kisten auf dem Dach seines alten Opel, abgedeckt mit dem Schweizer Kreuz, fuhr Walz die Insignien der bayerischen Monarchie nach Neuschwanstein. Doch auch dort wurde es gefährlich. Also lud er wieder auf und steuerte mehrere Tage lang mutterseelenallein über verschneite Feld- und Waldwege durchs Oberland, bis er im Tegernseer Tal einen Bauernhof mit doppeltem Keller fand. Deklariert als „Akten aus der Schweizer Botschaft“ verschwand der Schatz unter einer doppelten Schicht Kartoffelsäcke.
"Wie haben Sie das nur gemacht?"
Erst als sich nach dem Krieg die Sicherheitslage etwas beruhigt hatte, kehrte Walz nach München zurück und lüftete sein Geheimnis. Nichts hat ihn in späteren Jahren mehr empört, als wenn die Glaubwürdigkeit dieses Husarenstücks in Frage gestellt wurde. Noch in einem seiner letzten großen Interviews vor anderthalb Jahren mit der AZ erzählte er, dass selbst die US-Militärs es kaum glauben wollten: „Die fragten immer: ,Wie haben Sie das nur gemacht?’ Und dann hab’ ich immer gesagt: ,Naja, ich hab’ halt aufgeladen und dann bin ich weggefahren.“
Nach dem Krieg gehörte der Architekt Walz zu der Hand voll beherzter und unermüdlicher Männer, die mit einer gewaltigen Energieleistung die Residenz aus Trümmern wieder auferstehen ließen. Als Gründer und langjähriger Vorsitzender des Vereins „Freunde der Residenz“ konnte er aber erst in den letzten Jahren erleben, dass diese Leistung von offizieller staatlicher Seite auch angemessen gewürdigt wurde.
Ein Kulturmensch durch und durch
Walz war ein Münchner Kulturmensch durch und durch, engagierte sich bei Lesungen und Vorträgen und organisierte die Nymphenburger Sommerspiele mit. Noch 2006 trat er, schon über 90-jährig, bei der Residenzwoche auf; und die Münchner strömten ihm zu Ehren ins Antiquarium. Seine Enkelin Katharina Seybold sagte zur AZ: „Er war ein fröhlicher Mann, voller Güte und immer mit einem offenen Ohr für jede Art von Kultur.“
Ob Kronschatz-Legende oder Residenz-Held – bei Tino Walz stimmt es wie bei keinem zweiten: Ohne ihn wäre München bedeutend ärmer und sähe auch ganz anders aus. Noch Anfang Februar konnte er – vital und ungebrochen – seinen 95. Geburtstag feiern.
Am Donnerstag ist Tino Walz gestorben.
Michael Grill
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