Konfuzius-Institute: Chinas langer Arm nach Bayern
München - Am Montag beschäftigt sich der Landtagsausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten mit den chinesischen Konfuzius-Instituten. Erwartet werden der Vorsitzende des Kuratoriums des Nürnberger Instituts und frühere Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) sowie Günter Gloser (SPD), der von 2004 bis 2009 Staatsminister im Auswärtigen Amt war.
Beide Politiker sollen zu dem Verdacht Stellung nehmen, bei den Instituten handelt es sich um Propagandainstrumente der kommunistischen Partei Chinas. Die bayerischen Institute erhielten seit 2014 Zuschüsse in Höhe von rund 350.000 Euro. Erst nach der Drohung des SPD-Landtagsabgeordneten und Parlamentsvizepräsidenten Markus Rinderspacher mit einer Klage fand sich die Staatsregierung bereit, diese Zahlen zu nennen.
AZ: Herr Rinderspacher, Sie knöpfen sich seit einiger Zeit in besonderer Weise die Volksrepublik China vor, befassen sich mit der Unterdrückung der Uiguren, wollen genau wissen, gratulieren demonstrativ der taiwanesischen Präsidentin und hinterfragen die Rolle der Konfuzius-Institute in Bayern kritisch. Wie kommt’s?
MARKUS RINDERSPACHER: Die demokratischen Parteien müssen den tiefgreifendsten geostrategischen, geopolitischen und geoökonomischen Wandel seit einem halben Jahrtausend endlich ernst nehmen. Die neue Supermacht China will das 21. Jahrhundert imperialistisch dominieren. China hat bereits weite Teile Asiens und Afrikas unterjocht und will sich nun auch Hongkong und Taiwan einverleiben, notfalls auch gewaltsam. China stellt Demokratie und Menschenrechte in Frage und setzt auf dieser Blutspur einen eiskalten Kapitalismus ohne jedes menschliche Antlitz durch. Soll dieses Modell etwa auch in Europa Fuß fassen?
Aus wirtschaftlichen Gründen sind die europäischen Regierungen sehr vorsichtig.
China ist auch für die deutsche und bayerische Industrie ein wesentlicher Absatz- und Beschaffungsmarkt, aber die Hoffnung, dass sich ein prosperierendes China mehr an internationale Spielregeln hält oder sich gar demokratisiert, hat sich nicht bewahrheitet. Wandel durch Handel funktioniert nicht. China entwickelt sich nicht hin zu Marktwirtschaft und Demokratie. Deshalb müssen wir die chinesische Regierung an ihren eigenen internationalen Verpflichtungen messen. Peking soll Wettbewerbsgleichheit zwischen chinesischen und anderen Unternehmen auf dem Weltmarkt herstellen. Das ist eine vordringliche Aufgabe europäischer Mittelstands- und Industriepolitik. Und natürlich sollten wir die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik nicht achselzuckend zur Kenntnis nehmen, sondern immer wieder benennen.
"China tritt Menschenrechte mit Füßen"
Wird das in ausreichendem Maße getan?
Das ist leider nicht der Fall. China tritt Menschenrechte mit Füßen. Todesstrafe, Folter, Umerziehungslager, Einschränkung der Meinungsfreiheit, Medien- und Internetzensur, Unterdrückung ethnischer Minderheiten in Tibet und Xinjiang sind leider Beispiele dafür. Außerdem zelebriert China eine digitale Ideologie-Diktatur, gegen die George Orwells "1984" ein naives Kindermärchen war. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass der Weltmachtanspruch Chinas nicht weiter um sich greift.
Ist das überhaupt noch möglich? Sind wir inzwischen nicht schon zu abhängig von China?
Als starke wirtschaftliche Region haben die Europäer alle Möglichkeiten, China die Stirn zu bieten. Wir müssen das allerdings auch wollen. Wenn wir den wirtschaftlichen Primat über alles stellen, machen wir einen schweren Fehler.
Sollte Deutschland auf den chinesischen Huawei-Konzern beim Aufbau des G5-Netzes verzichten?
Huawei arbeitet offensichtlich mit Chinas Überwachungsbehörden zusammen. Die Vertrauenswürdigkeit ist mit Blick auf die Sicherheitsnotwendigkeiten beim 5-G-Ausbau nicht gegeben. Es besteht die Gefahr, dass die chinesische Netztechnologie der Willkommensgruß ist für Spione und Cyberhacker. Der deutsche Verfassungsschutz empfiehlt im Übrigen Geschäftsleuten und Touristen, bei China-Reisen wegen der weitreichenden Ausspähung nur "Wegwerf-Handys" zu benutzen.
Reicht der lange Arm Chinas bis nach Bayern?
Am Montag beschäftigt sich der Landtag mit den Konfuzius-Instituten und hört dazu auch den früheren bayerischen Innenminister und Ministerpräsidenten Günther Beckstein, der Vorsitzender des Kuratoriums des Konfuzius-Instituts Erlangen-Nürnberg ist. Haben die Chinesen aus Ihrer Sicht Beckstein vor ihren Karren gespannt?
Beckstein stellt sich immerhin der Debatte, der sich der amtierende Europaminister Florian Herrmann verweigert. Herrmann hat einen Berichtsantrag der SPD im Europaausschuss nicht nur abgelehnt, sondern wollte ursprünglich auch keine Daten und Fakten zur bayerischen Förderung chinesischer Konfuzius-Institute preisgeben. Es stellt sich die Frage, ob der lange Arm Chinas bis nach Bayern reicht. Wieso verausgabt Bayern eigentlich Steuergelder für die propagandistischen Zwecke des kommunistisch-repressiven Regimes von Machthaber Xi Jinping? Dass mit Beckstein nun ausgerechnet der ehemalige Innenminister erklären muss, warum er die Mahnungen des Bundesverfassungsschutzes nicht ernst nimmt, entbehrt nicht der Pikanterie. China weitet seine Einflusssphäre in Deutschland auf beunruhigende Weise aus und bedient sich dabei auch seiner 19 deutschen Konfuzius-Institute, so der Verfassungsschutz.
Wären Sie zufrieden, wenn die drei bayerischen Konfuziusinstitute in München, Ingolstadt und Nürnberg kein Geld mehr aus Steuermitteln erhielten?
Ich bin tatsächlich der Meinung, dass eine Bezuschussung mit Steuergeldern alles andere als zeitgemäß ist. Als man vor einigen Jahren die Institute gründete, hatte man vielleicht noch die Hoffnung, dass man den Weg der Demokratisierung befördern könnte. Heute sieht die Situation anders aus. Gerade die Stadt Nürnberg, die sich als Menschenrechtshauptstadt um den Titel der Kulturhauptstadt Europas 2025 bewirbt, wird doch um ihrer Glaubwürdigkeit willen nicht ignorieren können, dass die chinesische Regierung eine globale Bedrohung für die Menschenrechte darstellt. Wer mit dem Slogan "Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen" für sich wirbt, nimmt für sich eine besondere Sensibilität für Demokratie und Menschenrechte in Anspruch und daraus erwächst für die Frankenmetropole eine besondere Verantwortung, ebenso für den Freistaat, der Nürnbergs Kulturhauptstadt-Bewerbung richtigerweise kraftvoll unterstützt.
Von den Konfuzius-Instituten heißt es, wir machen keine Politik, sondern bieten nur Sprachkurse und informieren über die chinesische Kultur. Wie kommen Sie zu einer negativen Einschätzung der Institutsarbeit?
Ich nehme die Berichte des Bundesverfassungsschutzes sehr ernst, wonach Pekings Stasi mit mehr als einer Million Mitarbeitern auch in Deutschland Kontakte knüpft, um nichts ahnende Personen als Quellen zu instrumentalisieren und öffentliche Debatten manipulativ zu beeinflussen. Der Verfassungsschutz weist dabei den Konfuzius-Instituten ausdrücklich eine Rolle zu. Die Agenten Chinas tarnen sich als Vertreter chinesischer Forschungsinstitute, Wirtschaftsverbände und Consulting-Firmen, die mit Kommunalpolitikern, Parlamentariern und Stiftungsvertretern auf Tuchfühlung gehen, um diese auf niederschwelligem Niveau als Kommunikatoren eines Wohlfühl-Chinas zu benutzen.
Wie erklären Sie sich, dass sich die Staatsregierung erst geziert hat, Genaueres zur Unterstützung der Konfuzius-Institute zu benennen?
Die Staatsregierung weiß offensichtlich nicht ganz genau, welches Ziel sie verfolgt. Einerseits ist von Kulturförderung die Rede, andererseits wird die Unterstützung der Institute als Entwicklungshilfe ausgewiesen, im gleichen Atemzug mit der Unterstützung Äthiopiens und Senegals - so als wäre die größte Volkswirtschaft der Welt auf bayerische Unterstützung angewiesen. Dabei sitzen allein im chinesischen Parlament unter den 3000 kommunistischen Delegierten mehr als 200 Dollar-Milliardäre. Die verfügen gemeinsam über ein größeres Vermögen als mehrere bayerische Doppelhaushalte zusammen.
Chinesische Propaganda auch in Bayern aktiv
Erhalten Sie Reaktionen auf Ihre Warnungen vor China?
Im bayerischen Landtag gibt es immer wieder Anrufe chinesischer Generalkonsuln und Botschafter. Das ist ein weiterer Beweis für meine These, dass die chinesische Propaganda auch in Bayern ausgesprochen aktiv unterwegs ist.
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