Bau der 2. Stammstrecke: Das Mega-Projekt
München - Großprojekte gehen nur mit den Anwohnern vor Ort, ist Ingenieur Markus Kretschmer (50) überzeugt. Der Dialog sei ihm wichtig, sagt er gern. Auch am vergangenen Mittwoch wollte der Chefplaner der zweiten Stammstrecke sich den Fragen besorgter Haidhauser stellen – und gleichzeitig Details des 3,84-Milliarden-Verkehrs-Projektes auf der Bürgerversammlung in Haidhausen erläutern.
Dazu kam es nicht , die Veranstaltung, zu der auch Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) gekommen war, platzte wegen des Andrangs von Bürgern und tumultartigen Szenen.
Gestern veröffentlichte die Bahn die neuen Pläne für den sieben Kilometer langen Tunnel in bis zu 48 Metern Tiefe, die die Haidhauser vorgestern nicht zu sehen bekamen, auf ihrer Internetseite 2.stammstrecke-muenchen.de ("Projekttagebuch"). Die AZ erklärt, was – oberirdisch – schon bald auf die Münchner und insbesondere die Haidhauser entlang der Trassenführung "Abschnitt Ost" zukommt:
Marienhof
Die Bauarbeiten für den neuen Tunnel starten schon in zehn Tagen – mitten im Herzen der Stadt. Am 6. März geht es am Marienhof los. Abwasserkanäle, Fernwärmeleitungen und Telefonkabel werden verlegt. Die Arbeiten dauern voraussichtlich ein Jahr. Am 5. April ist offizieller Spatenstich. Zum Baubeginn ist ein zweitägiges Bürgerfest geplant. Mitte 2018 wird mit dem Bau der neuen S-Bahnstation begonnen – so die Planung. Wenig später geht das große Graben an der zweiten Großbaustelle – dem Hauptbahnhof – los (zu dem die Bahn gestern keine neuen Details nannte).
Orleansplatz
Die dritte Großbaustelle entsteht am Ostbahnhof. Dauer: Rund sieben Jahre! Anfang 2018 soll am Orleansplatz mit der Verlegung von Strom-, Gas- und Wasserleitungen begonnen werden. Der Verkehr wird teilweise umgeleitet.
Voraussichtlich Anfang 2019 wird eine vier Meter hohe Lärmschutzwand errichtet, dann geht’s ans Ausbaggern einer riesigen Baugrube – dies dauert bis etwa Herbst 2020. Auf der Orleansstraße kann der Verkehr fließen, zur Weißenburger Straße wird es eng. "Die Geschäfte bleiben zugänglich", sagte eine Bahnsprecherin zur AZ. Voraussichtlich Anfang Januar 2020 wird die Verkehrsführung der Orleansstraße mitten über den Platz verlegt, die Autos fahren durch meterhohe Lärmschutzwände, eine Grube für das neue Empfangsgebäude wird ausgehoben. Danach folgen Innenausbau und technische Ausrüstung.
Der Orleansplatz ab Anfang 2019: Die rote Umrandung ist eine drei bis vier Meter hohe Lärmschutzwand. Quelle: DB Netz AG
Maximiliansanlagen
Fast fünf Jahre lang (ab Frühjahr 2019 bis Frühjahr 2024) wird der unterirdische S-Bahn-Abzweig Praterinsel gebaut. Oberirdisch wird in dieser Zeit eine etwa 6500 Quadratmeter große Fläche in den Maximiliansanlagen abgesperrt, eine Baugrube ausgehoben. Der Platz liegt westlich von der Inneren Wiener Straße auf dem jetzigen Sportplatz. Hier werden Materiallager, Schüttgutsilos und Baumaschinen stehen. Eine Reifenwaschanlage ist auch dabei. Später soll alles wieder verschlossen werden. Nur ein Rettungsschacht ("Nr. 7") mit Abdeckung bleibt. An der neuen S-Bahn-Trasse muss maximal alle 600 Meter ein Notausstieg ins Freie gebaut werden.
Kellerstraße/Milchstraße
Rettungsschacht Nr. 8 entsteht mitten im Wohngebiet in Haidhausen – dort, wo Kellerstraße, Pütrichstraße und Milchstraße zusammentreffen. Fast drei Jahre lang (ab Frühjahr 2019) müssen die Anwohner auf bis zu vier Meter hohe Lärmschutzwände blicken. Die Häuser in der Kellerstraße 19/21, Pütrichstraße 8 und Milchstraße 1-3 bekommen auf der Seite zur Baugrube dämmende Fassadengerüste. "Die Bewohner werden angeschrieben, ob sie zudem Fenster mit Lärmschutz möchten – auf unsere Kosten", so eine Bahnsprecherin. Während der Bauarbeiten werden – nach Schätzung der Bahn – etwa 685 Laster (Ladevolumen: maximal 12 Kubikmeter) Aushub wegfahren oder Material bringen.
Berg am Laim
Ab dem dritten Quartal 2019 wird auch die Berg-am-Laim-Straße zum Nadelöhr – für insgesamt mindestens ein Jahr. Auch die Tram wird zeitweise nicht fahren. Kurz vorm Leuchtenbergring werden sich vier gigantische Bohrköpfe durch den Untergrund gen Westen fräsen. Zeitgleich werden sich Maschinen von der Donnersbergerbrücke durch den Untergrund gen Osten fressen. Am Marienhof sollen sie dann aufeinandertreffen – dort, wo in zehn Tagen die ersten Vorbereitungen für den gigantischen Tunnelbau beginnen.
Über die Gleise an der S-Bahnstation Leuchtenbergring wird die Stadt eine Fußgängerbrücke bauen. Quelle: DB Netz AG