Bayerns neue Rechte: Die Rechte Szene im Freistaat wird immer größer
Coole Frisur, stylish gekleidet, mit goldenem Adler auf der gestählten Brust - so tritt der Rapper Chris Ares gern bei diversen rechten Kundgebungen auf. Die Szene auf dem Foto spielt sich am Münchner Odeonsplatz ab - und ist bezeichnend für die Präsenz rechter Gruppen in Bayern.
"Gerade Jugendliche finden oft über die Musik den Einstieg in den Rechtsextremismus", sagt Katharina Schulze, Grünen-Fraktionsvorsitzende sowie Sprecherin für Innenpolitik und Strategien gegen Rechtsextremismus. Am Dienstag hat sie das von den Grünen zusammengestellte Lagebild zum Rechtsextremismus vorgestellt, das sich in diesem Jahr unter anderem mit dem Einfluss rechter Musiker beschäftigt.
Anzahl rechter Straftaten ist etwas gesunken
Ihr Fazit: Die Zahlen der rechtsextremistisch motivierten Straftaten von 2014 bis 2017 zeigen eine gefährliche und gewalttätige rechte Szene in Bayern, die sich immer mehr verfestigt. Die Kennzahlen sind zwar erstmals innerhalb der letzten vier Jahre zurückgegangen, liegen aber noch deutlich über dem Niveau von 2014 - der Zeit, bevor die Fluchtbewegungen nach Europa ihren Höhepunkt erreicht hatten.
Demnach registrierte das Innenministerium im Jahr 2017 eine Zahl von 1829 rechtsextremistisch motivierten Straftaten in Bayern (2016: 2266). Darunter 72 von der Polizei registrierte Angriffe auf Asylsuchende und Asylhelfer. 32 Mal seien Flüchtlingsunterkünfte, von Flüchtlingen bewohnte Wohnungen oder im Bau befindliche Unterkünfte Ziel von Straftaten geworden (2016: 94).
In 22 Fällen (2016: 29 Fälle) wurden konkret Flüchtlinge beziehungsweise Asylsuchende außerhalb ihrer Unterkunft angegriffen, in 18 Fällen wurden Flüchtlingshelfer attackiert (2016: 22 Fälle). Auch die Zahl der anderer Menschen, die Opfer rechter Gewalttaten wurden, ist mit 76 weiterhin hoch (2016 waren es sogar 139, 2015 waren es 117 und 2014 kam es zu 86 Angriffen).
"Unser Lagebild zeigt, wie sich die rechte Szene in Bayern im letzten Jahr weiter gewandelt hat" , sagt Schulze. Rechtsextreme setzten nicht mehr auf dumpfe Gewalt, sondern organisierten sich in Bürgerwehren und gingen in bayerischen Städten auf Streife, um vermeintlich für Sicherheit zu sorgen, die der Freistaat angeblich nicht garantieren kann.
Auch die Zahl der Reichsbürger ist gestiegen
"Sie geben sich als soziale Kümmerer und organisieren Hilfsaktionen für Obdachlose. Neurechte Bewegungen wie die Identitäre Bewegung (IB) erhalten Zulauf und weiten ihre oft medienwirksamen Aktionen massiv aus", so Schulze. In Bayern sei die IB besonders aktiv. Ihre Aktivisten laufen bei Pegida-Veranstaltungen mit - wie auch der Rapper Chris Ares. Laut Schulze ist er einer der führenden Köpfe des neurechten Bündnisses deutscher Patrioten (BdP). Und einer der bekanntesten Musiker der nationalistischen Rap-Szene.
"Sehr interessant finde ich, dass die CSU-Regierung dessen Musik als nicht rechtsextremistisch bewertet. Was aber, wenn man seine Texte anhört, nur Kopfschütteln verursachen kann", so Schulze. "Denn das BdP ist eindeutig eine rechtsextremistische Organisation. Und Ares' Texte sind ebenfalls rechtsextremistisch."
Seine Texte wie "Wir sind deutsch, und keiner kann das nehmen, Schwarz, Rot, Gold, kein Grund, sich zu schämen, beziehen Stellung, denn das ist eine Demokratie, sei nicht blind und mach dich frei von Massenideologie" sind zwar vergleichsweise mäßig - dennoch ist die Botschaft.
Nicht nur rechtsextremistische Musik spielt eine zunehmende Rolle in der Szene, auch die Zahl der sogenannten Reichsbürger ist gestiegen. Derzeit hat die Polizei 3850 solcher Anhänger identifiziert, 60 davon gehören klar zur rechtsextremen Szene. Weitere 1400 Verdachtsfälle werden aktuell geprüft.
Beunruhigend nennt die Grünen-Fraktionsvorsitzende die Zahl von 78 aktuell mit Haftbefehl gesuchten Neonazis (2017 waren 92 Personen untergetaucht, 2016 waren es 62). "Unter ihnen befinden sich schwerste Gewalttäter. Sie stellen eine ernstzunehmende Gefahr für Bayern dar. Das wissen wir allerspätestens seit der Selbstenttarnung des NSU."