"Tatort: Im toten Winkel": Die ungeschönte Wahrheit über die Pflege

AZ-Kultkritikerin Ponkie (91) schreibt seit 1956 Film- und Fernsehkritiken für die Abendzeitung. Der neue "Tatort: Im toten Winkel" hat sie zugleich beeindruckt und bedrückt.
Ponkie |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Horst Claasen (Dieter Schad) alarmiert die Polizei, nachdem er aus Verzweiflung seine Frau (Liane Düsterhöft) getötet hat.
Das Erste Horst Claasen (Dieter Schad) alarmiert die Polizei, nachdem er aus Verzweiflung seine Frau (Liane Düsterhöft) getötet hat.

Nachdem der zukünftigen Regierung beim traditionellen "Nockerberg-Derblecken" die Leviten gelesen wurden, heißt es nun die Wahlversprechen einzulösen – eines davon ist die gesellschaftliche Aufwertung des Pflegeberufes und die Einstellung von mehr und besser bezahlten Pflegekräften.

Der beklemmende Bremer Tatort "Im toten Winkel" behandelt diese unbequeme Thematik nüchtern und ohne künstlerische Spielereien. Nichts wird beschönigt - wir sitzen schockiert in der ersten Reihe eines dokumentarischen Krimis über den Notstand und Missbrauch in der Pflege, der wachrüttelt und sensibilisiert (Regie: Philip Koch, Buch: Katrin Bühlig).

Die dauerhafte Überforderung der Familienangehörigen bei der häuslichen Pflege ruft diverse Profitmacher auf den Plan, die auf Kosten der Schwachen nutznießerische Geschäftsmodelle entwickeln. Die schwarzen Schafe der Zunft werden hier durch den Film geschleift.

Das Thema ist wichtiger als die Lösung des Falles

Die kriminellen Machenschaften von Darja Pavlowa (Jana Lissovskaia), der Leiterin eines russischen Pflegedienstes, zieht die Kommissare Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) immer tiefer in die verzweifelten Geschichten der Pflegebedürftigen und deren Angehörigen: der Rentner Horst Claasen (Dieter Schaad) erstickt aus Verzweiflung seine demenzkranke Frau, da die versprochene Pflegeleistung nie erbracht wurde. Eine Beatmungspatientin wird von angelernten Hilfskräften versorgt, abgerechnet wird aber das teure Fachpersonal. Akke Jansen (Dörte Lyssewski) und Thea Jansen (eindrucksvoll gespielt von Hiltrud Hauschke) liefern sich einen erbarmungslosen Mutter-Tochter Krieg, auch hier fehlt die versprochene Hilfe durch die falsche Einschätzung des Gutachters Carsten Kühne (Peter Heinrich Brix).

Der zwielichtige Gutachter des medizinischen Dienstes, der für die Vermittlung an den russischen Pflegedienst abkassiert hat, wird am Ende tot aufgefunden – ein Motiv hatten alle.

Ein gelungener sozialpolitischer Tatort, bei dem das Thema weitaus wichtiger ist als die Lösung des Falles – realistisch und nah am Menschen inszeniert.

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.