Kriminalstatistik 2017: Seehofer und das Wahlkampf-Geschäft mit der Angst
An einem Tag wie heute wird deutlich, wie problematisch Horst Seehofers Festhalten an der bayerischen Macht ist: Sein Amt als Ministerpräsident hat er einigermaßen freiwillig geräumt, um für Markus Söder Platz zu machen, aber Parteichef wollte er unbedingt bleiben. Und nun steht der Chef einer Partei, die sich seit dem 24. September 2017 und bis zum 14. Oktober 2018 im Wahlkampf befindet, in Berlin und präsentiert als Bundesinnenminister die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für 2017.
Diese Statistik sagt eigentlich etwas ganz Anderes aus, als Seehofer gebrauchen kann: Nämlich, dass die Zahl der Straftaten auf dem niedrigsten Niveau seit 30 Jahren ist. Dass die Aufklärungsquote so hoch wie nie seit Beginn der Zählung ist. Doch Fakten sind nun mal etwas anderes als ein Gefühl. Das wiederum lautet, dass alles viel schlimmer als früher ist. Damit macht die AfD Wahlkampf. Und das ist Seehofers Problem.
Weil Seehofer nicht löschen kann, zündelt er lieber selber
Wir leben in einer komplett durchdigitalisierten Welt, im Informationszeitalter. Wenn in Frankreich jemand ermordet wird, in Indien jemand vergewaltigt wird oder auf Hawaii ein Vulkan Asche spuckt, dann wissen wir das. Nicht erst nach Tagen oder gar Wochen, sondern innerhalb von Minuten. 2016 verschickte die Deutsche Presse-Agentur DPA rund 1.200 Eilmeldungen, also durchschnittlich mehr als drei am Tag. Alleine 28 innerhalb von 16 Stunden zum Putschversuch in der Türkei, 20 binnen 23 Stunden zum Amoklauf am OEZ.
Wenn irgendwo irgendetwas passiert, sind wir informiert – selbst wenn wir gar nicht betroffen sind. Während man früher seine paar Informationen aus einer Tageszeitung und der Tagesschau bekam, ist man nun einer Flut an Infos, einem regelrechten Überangebot an Nachrichten ausgesetzt. In der Folge wirkt es so, als sei alles viel extremer als vorher – das Gute und vor allem das Schlechte. Und dass sich schlechte Nachrichten immer stärker als gute im Gedächtnis festsetzen, ist der Brandbeschleuniger, der aus einem Strohfeuer einen Flächenbrand macht.
Diesen Flächenbrand kann Seehofer mit ein paar guten Worten und einer schönen Statistik nicht löschen – also zündelt er stattdessen selber weiter. Seehofer klingt wie Herrmann, Bundesinnenminister wie Bayerischer Innenminister. Klar, denn beide haben dieselbe Mission: Rettung der absoluten Mehrheit im Freistaat, oder anders ausgedrückt: kein Fußbreit der AfD. Deshalb werden Ängste bedient und wird am rechten Rand gefischt. Und das ist schäbig.
Hier finden Sie die wichtigsten Zahlen und Fakten aus der polizeilichen Kriminalitätsstatistik 2017