Opulent: "Mord im Orientexpress" im Blutenburgtheater

Hercule Poirot gesteht dem Publikum am Beginn, der "Mord im Orientexpress" sei der schwerste Fall seiner langen Karriere gewesen, schwerer noch als die Sache "mit dem Krokodil im Nil", oder wie das damals hieß. Mit dem 1934 erschienenen Roman, der seit 1973 mehrmals verfilmt wurde, erfüllte sich das Blutenburg-Theater einen lang gehegten Traum. Schon Gründer Renée Siegel-Sorell hatte sich vergeblich um die Aufführungsrechte bemüht.
Erst in dessen Todesjahr 2017 kam die Bühnenadaption von Ken Ludwig - berühmt geworden mit seinem Boulevard-Kracher "Othello darf nicht platzen" - auf den Markt. Die deutsche Erstaufführung inszenierte vor drei Jahren Katharina Thalbach in Berlin mit sich selbst als Meisterdetektiv und durch die Mitwirkung der Geschwister Pfister auch etwas schriller und ein bisschen queerer als man es von Krimi-Queen Agatha Christie und ihr britisches Stiff-upper-lip-Milieu kennt.
Ein Kraftakt
Gediegener geht es jetzt in der Münchner Produktion zu, die eigentlich als Festprogramm zum 40-jährigen Bestehen der Kriminalbühne geplant war, aber in der Folge von Corona verschoben werden musste. Denn für ein kleines Theater ist das Projekt mit seinen zehn Rollen ein Kraftakt. Die stehen beim großen Finale mit der traditionell in der Gruppe stattfindenden Entlarvung des Täters oder der Täterin alle auf der Bühne.
Vom Hotel in Istanbul über den Kurswagen nach Calais bis zum Salonwagen des Orientexpress baute Bühnenbilder Peter Schultze die Welt der Reichen und in Einzelfällen auch Schönen der 1930er-Jahren nach. Um die angemessen stilvollen Kostüme kümmerte sich Petra Wintersteller, die zudem die elegante und in den schneidigen Colonel Arbuthnot (Martin Dudeck) verliebte Mary Debenham spielt.
Extratrockene Pointen
Auch die anderen sind bekannte Gesichter an der Blutenburgstraße und treffsicher besetzt: Ute Pauer hat als respektlos exzentrische US-Filmschauspielerin die Lacher im Saal auf ihrer Seite und Christa Pillmann setzt als notorisch übellaunige russische Prinzessin im Exil extratrockene Pointen. Deren Zofe (Adela Florow) ist ein unterwürfiges und frommes armes Hascherl. Dann gibt es da noch eine mondäne ungarische Gräfin (Julia Gröbl) und den schüchternen Assistenten (Till Klewitz) des Mordopfers, eines amerikanischen Geschäftsmanns.
Monsieur Poirot ist klar, dass der Mörder nur unter den Reisenden sein kann, denn der Zug steckt seit Stunden im Schnee fest. Armin Hägele spielt den französelnden Belgier mit seinen "kleinen grauen Zellen" als knubbeligen Egozentriker, der trotz seiner vollendeten Umgangsformen nicht durchweg sympathisch erscheint. Regisseur Hardy Hoosman erzählt trotz mancher Betulichkeiten eine amüsante Mörderjagd mit Moral: Das begeisterte Publikum wird mit der Frage, ob Gerechtigkeit auch immer gerecht sein könne, in die herbstliche Nacht entlassen.
Blutenburg-Theater, bis 15. Februar, dienstags bis samstags, 20 Uhr, sonntags 18 Uhr, Telefon 1234300