Zwei Maß? Becksteins Irrfahrt
Der Regierungs-Chef hat unter Umständen nichts dagegen, wenn man sich danach noch ans Steuer setzt.
NÜRNBERG/ERDING Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein trinkt gerne Bier – im Gegensatz zu seinem Vorgänger Edmund Stoiber. Das zeigt er auch. Doch Alkohol macht bekanntlich hemmungslos. Und das muss der Wahlkämpfer offensichtlich gewesen sein, als er nun in Erding im Weißbräuzelt erklären sollte, wie das mit den Plänen der Bundesregierung, die Promille-Grenze beim Autofahren abzusenken, sei. „Eine anständige Maß werden wir nicht auf den Index stellen“, sagte Beckstein dort. Nach Ansicht des Ministerpräsidenten kann man mit sogar mit zwei Maß noch ans Steuer: „Es ist nicht das Problem, wenn einer eine Maß trinkt, oder wenn er ein paar Stunden da ist, auch zwei.“
Beim Thema Alkohol wird der knallharte Günther ganz weich
Das sorgte sogar im Festzelt für Riesengelächter. Zwei anständige Maß gehen immer für einen anständigen Bayern – wenn das nur die Polizei auch so sehen würde. Oder sollte man sich da in der nächsten Polizeikontrolle auf die Empfehlung des Landesvaters berufen? Der macht in seiner Not, die absolute Mehrheit zu verlieren, jetzt echte Stammtisch-Politik. Bei der Volksdroge Alkohol wird der knallharte Beckstein, der sonst das Wort „Verhältnismäßigkeit“ gar nicht in den Mund nehmen will, nämlich zum sanften Günther. Da war er schon immer so.
Schon 1997. Damals war Beckstein knallharter Innenminister. Der Bundestag plante seinerzeit, die Promille-Grenze von 0,8 auf 0,5 abzusenken. Beckstein kämpfte gegen den „Anschlag auf die bayerischen Volksfeste“. Schließlich gehe es beim Führerschein um Existenzen. Doch er und Bayern konnten sich nicht durchsetzen. Beckstein musste es ertragen und kann es auch. Schließlich fährt er in der Regel mit Chauffeur. Die Promillegrenze wurde auf 0,5 gesenkt. Wer damit erwischt wird, bekommt einen Monat Fahrverbot, vier Punkte in Flensburg und 250 Euro Bußgeld.
Jetzt will die Bundesregierung Alkohol im Straßenverkehr generell beschränken auf zunächst 0,2 Promille, Alkoholwerbung verbieten und die Gefahren wie bei Zigaretten auf den Flaschen ausweisen. „Wir brauchen keine prohibitionsähnlichen Maßnahmen, sondern einen verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol“, kämpft Beckstein wieder dagegen. „Der maßvolle Genuss von Bier und Wein gehört zur Kultur.“
260.000 alkoholabhängige Menschen in Bayern
Wie sehr, das hat das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ermittelt. Die Behörde ist zuständig für die Untersuchung der Blutproben aus Verkehrskontrollen. 14505 Blutproben mussten im 1.Halbjahr 2008 untersucht werden. 10294 Führerscheine wurden eingezogen. Das Landesamt rechnet vor: Alle 27 Minuten muss in Bayern jemand seinen Führerschein wegen Alkohols am Steuer abgeben.
Auch das Gesundheitsministerium warnt: „Alkohol ist sowohl Genuss- als auch Suchtmittel. Bei übermäßigem Konsum birgt der Alkohol suchtfördernde und gesundheitliche Risiken in sich.“ Übermäßiger Konsum gilt bei Männern bereits die tägliche Maß Bier oder ein Glas Wein. Bei Frauen reicht schon eine Halbe Bier täglich. In Bayern leben rund 260.000 alkoholabhängige Menschen. Ihre Zahl steigt stetig. Seit zehn Jahren gibt es dazu keine Untersuchungen mehr. Denn damals lag der Alkoholkonsum von Bayerns Männern um satte 50 Prozent überm Bundesdurchschnitt.
In der Staatskanzlei war man gestern um Schadensbegrenzung bemüht: „Günther Beckstein ist doch völlig unverdächtig, einem hemmungslosen Alkoholkonsum und einer Gefährdung der Verkehrssicherheit das Wort zu reden“, erklärte sein Sprecher Michael Ziegler. Ihm gehe es um maßvollen Alkoholgenuss. Im Bierzelt sei eine Maß ohnehin nur eine gut einschenkte Halbe. Ziegler: „Wenn man in fünf Stunden etwas Gescheites isst und zwei schlecht eingeschenkte Maß trinkt, müsste das doch noch gehen.“
Darauf aber sollte sich lieber niemand verlassen, wenn am Donnerstag das Nürnberger Altstadtfest beginnt...
Angela Böhm