Zur erotischen Spätlese

Oper, Breakdance und Slam Poetry: Barock-Spektakel der Pocket Opera Company im Nürnberger Z-Bau.
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Kreischend bunt und auch sonst ziemlich gewagt: Szene aus „Love me tender“ der Pocket Opera Company
Berny Meyer Kreischend bunt und auch sonst ziemlich gewagt: Szene aus „Love me tender“ der Pocket Opera Company

Oper, Breakdance und Slam Poetry: Barock-Spektakel der Pocket Opera Company im Nürnberger Z-Bau.

Wenn ein Stück unter dem Titel „Love Me Tender“ angekündigt wird, ist die Reflex-Frage unausweichlich: Lebt Elvis – und tritt er auf? Im Rahmen einer französischen Barockoper aus dem 17. Jahrhundert wäre beides eine echte Überraschung, aber Franz Killer, Leiter der Pocket Opera Company und Entdecker des in Deutschland unbekannten Werkes, will nichts ausschließen.

Hat er doch ein Breakdance- Ensemble und den Berliner „Slam Poetry“-Nachwuchsstar Julian Heun als Partner der Sänger und Musiker für sein Projekt gewonnen. Mit Jean-Joseph Mourets „Les amours de Ragonde“ – der frivolen „Amourette“ einer betagten Lady, die sich nochmal einen jungen Herrn gönnen will – machen sie das Alternativzentrum „Z-Bau“ in der ehemaligen Nürnberger US-Kaserne (Frankenstr. 200) zum neuesten Opernhäuschen der Stadt.

Nächsten Donnerstag ist Premiere der zuverlässig unkonventionellen Unternehmung. Der Musiker Franz Killer, der von Peter Beat Wyrsch die POC übernahm, war „auf der Suche nach einem passenden Stück für unser Ensemble“ in der Pariser Nationalbibliothek fündig geworden.

Seit der „Charming Night“ stöbert die Musiktheater-Truppe bevorzugt im unergründlichen Fundus des barocken Entertainment. Immer mit dem Anteil Querschlagfertigkeit, der die Vorlagen aus ihrer historischen Ruhestellung katapultiert. Diesmal rappelt es besonders heftig in der Beziehungskiste, denn Komponist Mouret (bis ins letzte Jahrhundert in Frankreich häufig, in Deutschland nie gespielt) hatte mehrere Konventionen auf einmal über den Haufen gerannt, als er – nicht ohne Spott auf seinen berühmteren Kollegen Lully – die Götter von der Bühne vertrieb, um dort „endlich was Lebensnahes“ zu zeigen.

Ausgerechnet eine Seniorin im dritten Frühling, die zur Erotik-Spätlese nach dem knackigen Ideal- Partner Ausschau hält. Die Frau ließ er von einem Herrn im Fummel, einem grummelnden Bariton singen. Steilvorlage, wie sie sich die POC nie entgehen lässt.

Franz Killer, der süffisant auf die gewisse Aktualität der Oper hinweist („Alte Damen mit jungen Lovern, das ist doch inzwischen wieder ein vielfach diskutiertes Thema“) hat „das barocke Juwel“ zweifach mit zeitgenössischer Fassung versehen. Die Tanz-Musik, im Original dem Ballett reserviert, wird von einer Breakdance- Company umgesetzt, und der eben erst zum deutschen „Slam Poetry“-Meister gekürte Berliner Schüler Julian Heun (18) soll aus seiner Sicht das seltsame Spiel der Liebe kommentieren.

Eher aus Distanz, denn mit Oper hatte der Wortakrobat, den die POC beim Auftritt im Erlanger E-Werk entdeckte, bisher gar nichts am Hut. „Es ist immer wieder faszinierend, so unterschiedliche Ebenen zusammenzubringen“, sagt Killer.

Was die Originalität des Aufführungsorts betrifft: Nach Kraftwerk, Wirtshaus, Radrennbahn und Apollo-Kino hätte sich das Team um Regisseur Rolf Parchwitz ein Fitness- Center als Kulisse vorstellen können. Doch die Mucki- Buden mit dem 24-Stunden- Service hatten keine Kapazitäten frei, und der Alternativler- Spielplatz Z-Bau war als Ausweichquartier fürs Schauspielhaus eben abgelehnt worden. Inzwischen ist das POC-Ensemble glücklich mit dem kultig morbiden Gelände, wo sie zwischen großer Halle und Galerie wechselnd die drei Akte mit Barock und Pop durchmessen wollen. Die ewige „Frage nach der Liebe“ vom 17. ins 21. Jahrhundert und womöglich zurück „gebeamt“ – so sieht es Franz Killer: „Aus dem Mund der singenden Kunstfiguren wie aus der Gedankenwelt eines begabten Achtzehnjährigen“. Und Elvis könnte genau dazwischen liegen.

Dieter Stoll

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