»Zum Leben zu wenig«

Zeit der Depression: Der Club ohne Biss und ohne Glück und spielt nur 0:0 gegen den HSV. Dazu verschießt Misimovic auch noch den Strafstoß. Weitaus Schlimmer wiegt aber der fehlende Kampfeswille der Nürnberger. Wenn es so weiter geht, sind nicht nur die Fans sauer, sondern auch der Club ein Abstiegskandidat.
NÜRNBERG Es gibt sie noch, die Optimisten beim Club, selbst nach so einem Grottenkick wie beim 0:0 am Sonntag gegen den HSV. „Nicht so schlimm“, sprach Club-Chef Michael A. Roth, „die anderen um uns herum stellen sich ja auch so dumm an.“
Dumm anstellen, das Stichwort zum Spiel. Und damit ist nicht der Elfmeter gemeint, den Peer Kluge völlig zurecht nach einem Foul von Colin Benjamin an ihm bei Schiedsrichterassistent Markus Häcker reklamierte, nachdem Referee Markus Schmidt aus Stuttgart zunächst weiterspielen ließ. Dumm gelaufen sicherlich, dass Zvjezdan Misimovic erstmals in der Bundesliga einen Elfer verschoss, HSV-Keeper Frank Rost pariierte das Schüsschen mühelos, aber passend zur Situation. Es ist halt der Wurm drin beim Club, und zwar gewaltig. Rost ließ sich noch nicht einmal von seinem Kapitän Rafael van der Vaart irritieren, der ihm die falsche, die linke Ecke anzeigte. Rost hörte auf Paulo Guerrero, den Stürmer, der Misimovic aus gemeinsamen Bayern-Zeiten gut kennt.
Dumm wäre sicherlich auch, dem Elfer nach zu jammern, was die Cluberer nicht taten. Ivan Saenko: „Wir haben alle in dieser Saison so viel Mist gebaut, so viele Chancen vergeben, da dürfen und werden wir Zwetschge jetzt nicht zum Sündenbock machen.“
Mit dem Punkt zufrieden?
Peinlich richtig lag auch Keeper Daniel Klewer, der erwartungsgemäß Jaromir Pannen-Blazek im Club-Tor abgelöst hat. „Nach dem Spielverlauf können wir mit dem Punkt zufrieden sein. Der HSV hatte ein Chancen-Plus und zudem je einen Pfosten- und Lattentreffer. Wir dagegen konnten in Halbzeit zwei den Hamburgern nicht mehr viel entgegensetzen.“
Ausgerechnet Ex-Cluberer David Jarolim war’s, eigentlich in der Abteilung Schubser beheimatet, der einen satten 25-Meter-Kracher an die Unterkante des Tordreiecks abfeuerte (65.). Da fehlte nur ein Zentimeter und die Rechnung von HSV-Coach Huub Stevens, ein 1:0-Sieg, wäre aufgegangen. Und, typisch für eine Stevens-Mannschaft, wenn’s nicht klappt, dann spielen wir halt das 0:0 nach Hause.
Deutlich zu wenig gegeben
„Für uns ist das zum Leben zu wenig“, bilanzierte ein frustrierter Thomas von Heesen. Der Club-Trainer gab aber auch ehrlich zu: „Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden. Und so lange ich hier bin, hat die mannschaft Zeit zu lernen“ Mit dem Spiel seiner Profis kann er es nicht sein. Ohne den am Knie verletzten Tomas Galasek (Innenbanddehnung), ohne den gesperrten Jan Koller und ohne den aus taktischen Gründen „geopferten“ Angelos Charisteas hätte sich Nürnbergs Abteilung Attacke für den Friedensnobelpreis bewerben können. Schlimme Standards, fürchterliche Flanken, harmlos bis zur Peinlichkeit.
Und als dann auch noch mit Peer Kluge („Ich habe einen Schlag auf meinen gebrochenen Zeh bekommen, es ging nicht mehr“) in der 56. Minute der letzte „Beißer“ aufgeben musste, war der Ofen endgültig aus. „Das 0:0 wiegt schwer in unserer Situation“, klagte Kluge.
Noch schwerer wiegt die Club-Vorstellung, speziell im zweiten Durchgang. „Kämpft und siegt endlich für uns, sonst bleibt die Kurve stumm“, hatten die Fans plakativ vor dem Spiel gedroht. Das ist ernst zu nehmen. Wenn bei dieser Verfassung der Truppe auch noch die Anhänger meutern, dann kann der Club endgültig für die 2. Liga buchen.
ERG/MaC