Zugunglück von Bad Aibling: Fahrdienstleister zockte bis zuletzt

Der Psychologe ließ im Prozess um das Zugunglück von Bad Aibling keine Zweifel aufkommen: Computerspielen erschwert die Konzentration bei der Arbeit. Dies musste sich der angeklagte Fahrdienstleiter nun anhören. Er hatte bis kurz vor dem Zusammenstoß von zwei Zügen am Handy gespielt.
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Der angeklagte Fahrdienstleiter gemeinsam mit seiner Anwältin  Ulrike Thole.
dpa Der angeklagte Fahrdienstleiter gemeinsam mit seiner Anwältin Ulrike Thole.

Traunstein - Das verbotene Handyspielen hat die Arbeit des Fahrdienstleiters im Stellwerk von Bad Aibling nach Einschätzung eines Gutachters beeinträchtigt. Gedächtnisstörungen seien dadurch selbst in Spielpausen möglich gewesen, sagte der Neuropsychologe im Prozess um das Zugunglück in der oberbayerischen Stadt mit zwölf Toten. Das Spielen auf dem verkleinerten Display eines Smartphones "setzt zusätzliche Konzentration voraus", ergänzte der Gutachter am Donnerstag vor dem Landgericht Traunstein. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass der Angeklagte durch die Handynutzung von der Arbeit abgelenkt wurde.

Der Fahrdienstleiter hatte zu Prozessbeginn gestanden, bis kurz vor dem Zusammenstoß der beiden Züge am 9. Februar auf seinem Handy das Fantasy-Rollenspiel "Dungeon Hunter5" gespielt zu haben. Die Vorschriften der Deutschen Bahn (DB) verbieten die private Handynutzung im Dienst. Auch räumte er ein, mehrere Signale falsch gestellt zu haben. Bei dem Unglück starben zwölf Menschen, fast 90 Insassen wurden teils lebensgefährlich verletzt.

Das Urteil soll am Montag folgen

Weiter sagte der Sachverständige, dass das Belohnungssystem des Spiels das Suchtverhalten fördere. "Das wollen die Spielemacher ja." In den letzten Wochen vor dem Unglück habe der Angeklagte immer öfter und länger am Computer gespielt, berichtete der Experte. Von einer Spielsucht wollte der Psychologe nicht sprechen, wohl aber von einem "problematischen Spielverhalten". Er bescheinigte dem psychisch gesunden 40-Jährigen ein allgemein gutes Gedächtnis.

Ein IT-Experte bestätigte dem Gericht, dass der Bahnmitarbeiter bis wenige Minuten vor dem Zusammenstoß der beiden Züge auf seinem Smartphone spielte. Er stellte auf einer Leinwand die verschiedenen Versionen des Spiels vor. Zu sehen waren Krieger, die sich mit riesigen Schwertern gegenseitig bekämpften. Immer wieder gab es Feuerstöße. "Ist da ein Sound dabei?", fragte Oberstaatsanwalt Jürgen Branz bei der zunächst stummen Präsentation. Der Sachverständige schaltete daraufhin kurz den Ton ein, es war - kaum hörbar - das Geräusch von sich kreuzenden Klingen zu hören.

Zugunglück von Bad Aibling: "Das ist ein eindeutiger Verstoß"

Der Sachverständige versicherte, dass der Fahrdienstleiter regelmäßig mit den Fingern Menüpunkte auf dem Display seines Handys ansteuern musste, um spielen zu können. Erst eine Minute vor dem Zusammenstoß meldete er sich per Fingerdruck als Spieler ab. Der Experte konnte nicht eindeutig klären, ob der Fahrdienstleiter kurz nach dem Unglück versuchte, so viele Daten wie möglich auf seinem Handy zu löschen.

Nach fünf Verhandlungstagen wurde die Beweisaufnahme am Donnerstag abgeschlossen. An diesem Freitag halten Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenkläger ihre Plädoyers. Danach hat der Angeklagte das letzte Wort. Am Montag (5. Dezember) soll das Urteil verkündet werden. Die Höchststrafe bei fahrlässiger Tötung beträgt fünf Jahre.

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