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Zugunglück in Garmisch: Retter finden fünftes Todesopfer

Das Zugunglück mit fünf Toten in der oberbayerischen Ferienregion Garmisch-Partenkirchen ist eines der schwersten der vergangenen Jahre. Die Ursache ist unklar, die Bergungsarbeiten gehen weiter.
von  AZ/dpa
Die Rettungskräfte haben nach einem schweren Zugunglück einen der Waggons angehoben.
Die Rettungskräfte haben nach einem schweren Zugunglück einen der Waggons angehoben. © Sven Hoppe/dpa

Garmisch-Partenkirchen - Waggons liegen umgestürzt neben dem Gleis, Fenster sind herausgebrochen, Trümmer liegen verstreut. Die ganze Nacht haben die Helfer bei Flutlicht gearbeitet, bei sommerlicher Hitze geht es am Samstag weiter. Gut 24 Stunden nach dem Zugunglück in der oberbayerischen Urlaubsregion Garmisch-Partenkirchen gelingt es mit zwei Kränen endlich, den ersten entgleisten Waggon zu heben.

Die Befürchtung ist nun traurige Gewissheit: Ein weiteres Todesopfer wird geborgen - damit sind fünf Menschen ums Leben gekommen, mehr als 40 wurden verletzt. Es ist eines der schwersten Bahnunglücke der vergangenen Jahre. Oben an der Brücke neben dem Unglücksort haben Menschen einen Blumenstrauß niedergelegt.

Eine Luftaufnahme zeigt den entgleisten Regionalzug.
Eine Luftaufnahme zeigt den entgleisten Regionalzug. © ADAC Luftrettung/dpa

Söder spricht von einem Schock und einem "Stich ins Herz"

Am Samstagnachmittag geht die Polizei nicht mehr davon aus, weitere Opfer unter den Trümmern zu finden. Völlig ausgeschlossen ist das aber nicht. Denn etwa sieben Menschen werden noch immer vermisst. Die Hoffnung: Dass diese Menschen anderweitig unterwegs waren und sich noch melden. Auch möglich, dass sie schwer verletzt im Krankenhaus liegen.

Auch in der Nacht liefen die Bergungsarbeiten an der Unglücksstelle weiter.
Auch in der Nacht liefen die Bergungsarbeiten an der Unglücksstelle weiter. © Angelika Warmuth/dpa

"Es ist ein unfassbares Ereignis", sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der sich am Samstag sichtlich erschüttert selbst ein Bild von der Lage macht. Der Zug war auch mit Schulkindern besetzt - am letzten Unterrichtstag vor den Pfingsttagen. "Es ist kurz vor den Ferien, im Zug ausgelassene Stimmung, in einer der schönsten Regionen, die Bayern ja hat - und dann passiert sowas und verändert möglicherweise ein Leben komplett", schildert Söder. Er spricht von einem Schock und einem "Stich ins Herz".

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), mit Bahnchef Richard Lutz ebenfalls am Samstag am Unglücksort, spricht von dramatischen Ausmaßen und sicherte eine umfangreiche Aufklärung zu. "Die Sache wird jetzt weiter aufgeklärt und umfangreich aufgearbeitet." Während des Besuchs wird aus den Trümmern das fünfte Todesopfer geborgen. Lutz äußert sich erschüttert, "weil hier Menschen gestorben sind, junge Menschen, die noch ein ganzes Leben vor sich hatten, Familien zerrissen wurden und auch viele Menschen verletzt, teils schwer verletzt wurden."

Unfallursache weiterhin unklar

Nach bisherigem Stand handelt es sich bei den Toten um vier Frauen und eine männliche Person. Medienberichte, nach denen der fünfte Toten ein Schüler ist, bestätigt die Polizei nicht.

Warum der Regionalzug entgleiste, ist am Samstag noch unklar. Auszuschließen ist laut Polizei bisher nur eine Kollision mit einem anderen Fahrzeug. "Die genaue Unfallursache steht noch nicht fest. Vor Ort waren alle Experten der Meinung, dass die wahrscheinlichste Ursache ein technischer Defekt am Gleis oder am Zug sein müsste", sagt Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU).

Mit Kettensägen hatten die Helfer am Vorabend zahlreiche Bäume zwischen Gleis und der daneben laufenden Bundesstraße gefällt, um besser arbeiten zu können. Leitplanken wurden weggeschnitten. Am Samstag ist geklärt, dass alle Opfer geborgen sind. Damit kann der Abtransport der havarierten Wägen beginnen. Der erste 50 Tonnen schwere Waggon liegt auf Baumstämmen an der Bundesstraße.

Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (Mitte, SPD) kommt zur Unglücksstelle, um sich vor Ort zu informieren.
Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (Mitte, SPD) kommt zur Unglücksstelle, um sich vor Ort zu informieren. © Angelika Warmuth/dpa

Die Zugteile seien verkeilt wie zusammengequetschte Cola-Dosen, sagt THW-Einsatzleiter Bernhard Schrallhammer. Er ist am Samstag wie viele seiner Kollegen bereits 20 Stunden auf den Beinen. Bis zu 650 Helfer, darunter viele Ehrenamtliche, waren laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Einsatz, die schon Freitagabend nach Oberbayern kam.

Neben den Kränen wird weitere schweres Bergegerät erwartet. Ein 250-Tonnen-Schienenkran aus Wanne-Eickel im Ruhrgebiet soll am Sonntag zum Einsatz kommen, unter anderem um die Lok und den Steuerwagen wieder ins Gleis zu heben, wie ein Bahnsprecher erläutert.

Allein das Aufräumen wird noch dauern. Wohl noch bis Mitte der Woche werde einseitig auch die Bundesstraße neben den Gleisen gesperrt bleiben, sagt ein Polizeisprecher. Bernreiter hatte am Vortag bereits gemahnt, Garmisch-Partenkirchen weiträumig zu umfahren. Mit dem Zug werde eine Anreise schwierig - "und dass die Werdenfelsbahn die nächsten Tage über Pfingsten nicht befahrbar sein wird, das kann man schon definitiv sagen".

Straßenverkehr: Folgende Umleitungen gelten derzeit

Nach Absprache zwischen dem Landratsamt Garmisch-Partenkirchen, dem Staatlichen Bauamt Weilheim und der Polizeiinspektion Garmisch-Partenkirchen wurden folgende Umleitungen für das Wochenende aufgrund der andauernden Bergungsarbeiten festgelegt.

  •  Fernverkehr A 95 Ausleitung an der Autobahnanschlussstelle Sindelsdorf (Umleitung steht bereits)
  • ab 4. Juni Ableitung des Verkehrs aus Fahrtrichtung Augsburg von der B17 über Kurzenried/Steingaden nach Füssen in Fahrtrichtung Fernpass
  • der Verkehr aus FR Mittenwald/Innsbruck wird bei Krün in Richtung B 11 über Wallgau, Walchensee und Kochel abgeleitet
  • die Zufahrt zu den Passionsspielen in Oberammergau bleibt aus allen Fahrtrichtungen möglich

Unglück auf den Tag genau 24 Jahre nach der Katastrophe von Eschede

Es war eines der schwersten Bahnunglücke der vergangenen Jahre in Deutschland. Auf den Tag genau vor 24 Jahren hatte sich der schlimmste Zugunfall in der deutschen Geschichte ereignet, als am 3. Juni 1998 der ICE "Wilhelm Conrad Röntgen" bei Tempo 200 auf der Fahrt von München nach Hamburg verunglückte. Bei der Katastrophe von Eschede starben 101 Menschen.

Die Deutsche Bahn richtete eine Hotline für Angehörige (Telefon 0800 3 111 111) ein. Auch die Polizei stellte eine zentrale Anlaufstelle für Vermisstenanfragen von Angehörigen sowie Hinweise bereit (Telefon 0800/ 7766350).

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