Zu stolz für Hartz IV: Dieser Mann lebt von Flaschenpfand!

Karlheinz Bauer (48) ist seit fünf Jahren arbeitslos und lebt von dem, was andere wegwerfen
BAYREUTH Wie viel Geld braucht man zum Überleben? „Drei bis fünf Euro am Tag", sagt Karlheinz Bauer. Der 48-Jährige muss es wissen, hat er doch gelernt, mit dem absoluten Minimum auszukommen. Seit fünf Jahren bestreitet Bauer sein Leben als Pfandgutsammler, tourt dabei mit seinem Rad quer durch die Bundesrepublik, um Flaschen und Dosen einzusammeln, die andere im Straßengraben entsorgt haben. Von Hartz IV zu leben, dazu ist Karlheinz Bauer zu stolz.
Er tue auch etwas für die Umwelt
Als Müllsammler, betont er, tue er dabei auch etwas für die Umwelt. Der 48-Jährige, der aus Plankenfels (Kreis Bayreuth) stammt, spricht von einem „Job“, der ihm großen Spaß mache, „auch wenn das viele nicht verstehen“.
Bauer, der chemisch-technischer Assistent gelernt hat, war 2004 aus finanziellen Gründen in eine große Krise geraten. „Ich konnte nicht mehr, wollte mir das Leben nehmen“, erzählt der Mann, den nur ein Zufall vor dem Suizid bewahrt hat. „Ich war damals in Mittelfranken und habe auf einem Fenstersims zwei Flaschen gesehen.“
Der Zufall rettet ihm das Leben
Eine konnte er an einer Rücknahmestelle eintauschen. „Ich habe 25 Cent erhalten und gemerkt, dass man mit so etwas Geld verdienen kann.“ Den Strick hat er weggeworfen, sich seitdem ans Sammeln gemacht. Am zweiten Tag hat er schon zwei Euro zusammenbekommen. „Davon konnte ich Wasser, eine Dose Sardinen und Brot kaufen.“ Am dritten Tag waren es 7,50 Euro. „Mal läuft's besser, mal schlechter“ – eine Erfahrung, die Bauer in seinem Vagabundenleben gemacht hat.
Heute sammelt er nicht nur im Straßengraben, sondern holt Flaschen und Dosen auch aus Glascontainern. „Da schmeißen viele Leute Pfandflaschen weg. Ich habe mir eine Angel gebaut, mit deren Ring ich jeden Flaschenkopf und jede Dose packen kann.“
Das Allergrößte: Wenn ihm jemand Kaffe oder Bier ausgibt
„Wenn mir am Morgen jemand eine Tasse Kaffee anbietet oder in einer Wirtschaft ein Bier ausgibt, dann ist das das Allergrößte für mich.“ Karlheinz Bauer ist das ganze Jahr unterwegs. Bei klirrender Kälte nutzt er allerdings das Mietrecht, das ihm seine Mutter gewährt. „Dort war ich seit Januar, habe nur Tagestouren unternommen, die mich auch in den Landkreis Kulmbach geführt haben.“
Jetzt will sich Karlheinz Bauer aus Oberfranken wieder verabschieden. „Ich muss raus. Ich liebe das Leben in der freien Natur“, sagt der 48-Jährige, der zu einer seiner mehrere hundert Kilometer langen Touren gestartet ist, die ihn nach München, Stuttgart, Göttingen und Kassel, aber auch nach Bielefeld, Berchtesgaden und sogar ins österreichische Salzburg führen. Dabei, so erzählt er, sei er „oft der einsamste Mensch der Welt“, in der Einsamkeit sei er eben aber auch sehr glücklich.
Leben in der Natur
Wo er übernachtet? „In offenen Waldhütten, in denen ich es mir in meinem Schlafsack auf der Bank bequem mache.“ Seine Wäsche („Ich habe nicht viel dabei. Wenn was kaputt ist, besorg' ich mir Kleidung auf einem Flohmarkt“) wäscht er im Bach, sich selbst auch in fließenden Gewässern, im Sommer gelegentlich in öffentlichen Bädern. „In einigen Freibädern darf ich sogar kostenlos duschen“, sagt der 48-Jährige.
Hilfe vom Staat will er nicht – Betteln kommt für ihn nicht in Frage. „Ich habe kein Hartz IV beantragt, weil ich mein Leben aus eigener Kraft bestreiten will“, sagt Karlheinz Bauer, der das Pfandgutsammeln, seine Leidenschaft, „gegen keinen noch so gut bezahlten Job tauschen würde“.
Alexander Hartmann