Zu jung fürs Pflegeheim – zu krank fürs Leben allein

Ein einmaliges Projekt der Stadtmission: Im „Hephata“ können die Patienten ihr Leben möglichst frei gestalten.
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Trotz Schlaganfall fit im Kopf: Claus Duchene zockt gerne Online-Schach, alle Zimmer der Station sind mit DSL-Leitungen ausgerüstet.
bayernpress 2 Trotz Schlaganfall fit im Kopf: Claus Duchene zockt gerne Online-Schach, alle Zimmer der Station sind mit DSL-Leitungen ausgerüstet.
Neben pflegebedürftigen Senioren wohnen 15 junge Menschen im „Hephata“ auf einer eigenen Station. Darunter Gerhard Hellmann, hier mit Ergotherapeutin Kerstin Klempau.
bayernpress 2 Neben pflegebedürftigen Senioren wohnen 15 junge Menschen im „Hephata“ auf einer eigenen Station. Darunter Gerhard Hellmann, hier mit Ergotherapeutin Kerstin Klempau.

Ein einmaliges Projekt der Stadtmission: Im „Hephata“ können die Patienten ihr Leben möglichst frei gestalten.

NÜRNBERG Claus Duchêne fährt den Laptop herunter, schließt sein Appartement ab und nimmt den Aufzug ins Erdgeschoss. Raus ins Freie, frische Luft schnappen. Stundenlang hat er Schach gespielt, im Internet. Jetzt wartet Duchêne auf seine Frau, die nicht in Nürnberg wohnt und ihn gleich abholen wird.

Eine alltägliche Szene. Eine Szene aber, von der man nicht ohne weiteres annimmt, dass sie in einem Pflegeheim spielt. Claus Duchêne ist erst 57 Jahre alt und wohnt seit einigen Monaten im „Hephata“ in Schafhof. „Hephata“ – eine Einrichtung der Nürnberger Stadtmission – ist aramäisch und heißt „Öffne Dich“.

Das Hephata hat sich Menschen geöffnet, die nicht ins Raster der „normalen“ Pflegeheim-Bewohner passen. Sie sind in ihren Dreißigern, Vierzigern oder Fünfzigern. Einige von ihnen sind wie Duchêne Schlaganfall-Patienten, andere leiden an Erbkrankheiten. Deutlich zu jung, um ihr Dasein unter Greisen zu fristen, aber zu krank, um auf tägliche Pflege und Betreuung verzichten zu können. Noch.

Denn im Gegensatz zu konventionellen Pflegeheimen, die ihre Bewohner möglichst lange – so lange sie leben – an sich binden wollen, ist es für die 68 Pfleger, Hauswirtschafter und Therapeuten des Hephata ein großer Erfolg, wenn ihre Schützlinge den Weg zurück nach draußen finden.

Duchêne ist diesem Ziel noch fern. Der erfolgreiche Ingenieur und Betriebswirt hatte einen Schlaganfall in seiner Firma. Seitdem sitzt er im Rollstuhl, hat Mühe beim Sprechen – sein Gehirn aber funktioniert prächtig. Nicht nur beim Schachspielen. Da die alte Wohnung in Lauf nicht barrierefrei ist, bleibt Duchêne nach einer Odyssee durch Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen erst mal hier, wo es „besser ist als anderswo“. Nur eins fehlt zum Glück, sagt er: ein ebenbürtiger (nicht virtueller) Schachpartner.

Im Hephata haben die 15 „jungen“ von insgesamt 150 Bewohnern nicht nur DSL auf ihren Zimmern, sondern alle Freiheiten. Ihr Leben können sie weitgehend autonom gestalten. Auch Gerhard Hellmann, ebenfalls 57 und Schlaganfall-Patient, genießt das Leben im Hephata: Rundum-Betreuung auf der einen, „die Freiheit zu tun und zu lassen, was ich will“ auf der anderen Seite. Mit Mitbewohnern und Betreuern ins Stadion gehen zum Beispiel. Vielleicht findet der gelernte Werkzeugmacher hier sogar viel größeres Glück: Ein Pärchen hat’s vorgemacht – im Hephata kennen gelernt, gemeinsam wieder ausgezogen.

S. Windschall

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