Zehntausende Unterstützer: Lehrer in Bayern proben den Aufstand gegen Söders Genderverbot

München - Ein kleines Sternchen und so viel Unmut – auf beiden Seiten. Da ist das Lager derjenigen, die das Gendern verteufeln und von Sternchen, Doppelpunkt oder dem Binnen-I nichts wissen und schon gar nichts geschrieben sehen wollen. Auf der anderen Seite formiert sich zunehmend Protest pro Gendersternchen und gegen das Genderverbot an Bayerns Schulen und Behörden, das die Regierung unter Federführung der CSU erlassen hatte.
Drei bayerische Lehrerinnen haben die Petition "Stoppt das Genderverbot!" ins Leben gerufen. Sie soll an diesem Donnerstag um 17 Uhr vor der Staatskanzlei im Rahmen einer Kundgebung übergeben werden. Bis Mittwoch hatten knapp 33.000 Menschen unterzeichnet. Im Petitionstext heißt es: "Mit diesem Verbot greift die CSU populistisches Gedankengut der AfD auf und übersieht eine bunte und offene Gesellschaft, die ihre Pluralität und Diversität auch in einer geschlechtergerechten Sprache gespiegelt haben möchte. Denn: Sprache schafft Realität."
Protest gegen das Genderverbot in Bayern: Lehrkräfte befürchten Sanktionen
Weiter heißt es, dass die Regierung besser akute Missstände in der Bildungspolitik lösen sollte. Ein Stichwort: Personalmangel. "Es ist zu bezweifeln, dass ein solches Verbot im Jahr 2024 zur Attraktivität des Lehrberufes beiträgt."
Welche drei Lehrkräfte hinter der Petition stecken, ist ein Geheimnis. Sie bleiben anonym. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bayern (GEW) – sie ist die Bildungsgewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund und zählt im Freistaat rund 10.000 Mitglieder – teilt der AZ dazu mit: "Die Staatskanzlei hat bereits bei der Einführung des Genderverbots angedroht, Verstöße dagegen zu sanktionieren." Die Folge: "Viele Lehrkräfte fürchten sich nun vor dienstrechtlichen Konsequenzen wie einem negativen Eintrag in die Personalakte oder finanziellen Sanktionen. Das ist auch der Grund, weshalb sich die meisten Lehrkräfte, die das Genderverbot ablehnen, nur anonym äußern möchten."
Die Gewerkschaft stellt sich daher bei der Übergabe stellvertretend in die erste Reihe, zusammen mit dem Münchner Lehrer- und Lehrerinnenverband (MLLV). Für die persönliche Übergabe angefragt sind laut GEW: Ministerpräsident Markus Söder, Leiter der Staatskanzlei Florian Herrmann (beide CSU), Kultusministerin Anna Stolz (FW) und Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU). Eine schriftliche Anfrage der AZ an die Staatskanzlei, ob die Petition persönlich angenommen wird, blieb bis Mittwoch unbeantwortet.
Rat für Rechtschreibung nicht fürs Gendern
Rückblick: Am 19. März hatte das bayerische Kabinett entschieden, dass geschlechtersensible Gendersprache in Schulen, Hochschulen und Behörden ab 1. April nicht mehr erlaubt ist. Betroffen: der gesamte dienstliche Schriftverkehr – von Elternbrief bis zur Schulaufgabe. Rückenwind gab es vorab von einer Mehrheit der Menschen, glaubt man Umfragen. Eine Civey-Befragung ermittelte im Dezember, dass fast drei Viertel der Deutschen den Vorstoß in Bayern unterstützen. Jeder Fünfte hielt das Genderverbot für falsch. Der Rest war unentschlossen.
Bei einer Yougov-Umfrage im März 2023 befanden 50 Prozent der 3507 Befragten, das Thema Gendern sei "sehr unwichtig". 19 Prozent hielten es für "eher unwichtig". Der Rat für deutsche Rechtschreibung hatte die Verwendung von Sonderzeichen im Wortinneren im Dezember 2023 ebenfalls nicht empfohlen. Damit werde in die Wortbildung, Grammatik und Orthografie eingegriffen, Texte könnten weniger verständlich sein.
"Viele Lehrkräfte empfinden das Genderverbot als Bevormundung"
Die AZ hat der Gewerkschaft GEW Fragen zur Petition gestellt – Christiane Fuchs von der GEW Bayern hat diese in Absprache mit den anonym bleibenden Initiatorinnen beantwortet. Was erwarten sie sich von der Petition? "Unser Ziel ist es, dass die Staatsregierung das Genderverbot wieder zurücknimmt. Viele Lehrkräfte empfinden das Genderverbot als Bevormundung." Aus ihrer Sicht ist "ein solches Verbot in einer pluralen Gesellschaft wie unserer unzeitgemäß".
Was sie weiter stört: "Bayerns Schulen sollten ein Schutzraum, ein Ort der Wertschätzung und der Akzeptanz für alle Kinder und Jugendlichen sein, unabhängig von ihrer geschlechtlichen und sexuellen Identität. Das staatlich verordnete Genderverbot macht unsere Bemühungen in diese Richtung zunichte."
Neben der Übergabe der Petition gibt es weitere Aktionen vor der Staatskanzlei, wie die Gewerkschaft ankündigt. So würden unter dem Motto "Für mehr Sterne am bunten bayerischen Himmel" 100 Naturkautschuk-Luftballons mit Gendersternen gen Himmel gehalten. Außerdem sei geplant, dass aus dem Verordnungstext des Genderverbots Papierflieger gebastelt werden und er so zur Staatskanzlei zurückfliegt.
Die Petition: weact.campact.de