Zahnreport Bayern: Ein Viertel der Patienten drückt sich vorm Arzt

München - Für die einen ist es nur ein lästiger Pflichttermin, für andere gar mit Angst verbunden: der Zahnarztbesuch. Bereits im Oktober hat die Krankenkassen Barmer den bundesweiten Zahnreport vorgestellt - mit positiven Ergebnissen. Die Zahngesundheit besonders im jungen und mittleren Lebensalter habe sich in Deutschland verbessert, heißt es.
Bayern: 20-Jährige brauchten 2020 im Schnitt 3,9 Jahre keine Zahnbehandlungen
Zwischen den Jahren 2012 und 2020 sei bei 20-Jährigen der mittlere Zeitraum ohne invasive Zahntherapie um mehr als sechs Monate auf 4,4 Jahre gestiegen. Bei den 40-Jährigen gab es einen Zuwachs um drei Monate auf 1,9 Jahre.
Und in Bayern? Hier brauchten 20-Jährige 2020 im Schnitt 3,9 Jahre keine Wurzelbehandlungen, Füllungen, neue Kronen oder Ähnliches, wie regionale Daten der Barmer zeigen, die der AZ exklusiv vorliegen. Im Vergleich zu 2012 ist das allerdings nur ein magerer Rückgang von einem Prozent. Bei den 40-Jährigen stieg die therapiefreie Zeit im selben Zeitraum dagegen sogar um 17 Prozent auf rund zwei Jahre.
Landesweiter Vergleich: Bayern nur im Mittelfeld
Ebenfalls verbesserten sich die Werte bei den Über-60-Jährigen: Hier lag die therapiefreie Zeit 2020 bei eineinhalb Jahren - ein Plus von immerhin sieben Prozent.
Also alles strahlend weiß im Freistaat? Nicht ganz. Im landesweiten Vergleich der therapiefreien Zeiten unter jungen Menschen liegt Bayern nur im Mittelfeld - Spitzenreiter ist hier Hamburg mit 4,5 Jahren, Schlusslicht ist Thüringen mit gerade mal 3,3 Jahren ohne Behandlungen.
Insgesamt nahmen in Bayern 2020 mehr als 9,2 Millionen Menschen vertragszahnärztliche Leistungen in Anspruch, so die Barmer - ein Anteil von 71 Prozent und der höchste Wert unter den westdeutschen Bundesländern.
Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Mehr als ein Viertel der Bayerinnen und Bayern drückte sich vor dem Arztbesuch. Da sei noch Luft nach oben, findet die Krankenkasse. Inwiefern hierbei etwa die Corona-Pandemie eine Rolle gespielt habe, sei nicht erfasst, sagt Alfred Kindshofer, Vize-Landesgeschäftsführer der Barmer Bayern, der AZ.
Therapiefreie Zeit beim Zahnarzt: So sieht es in München aus
Auch innerhalb des Freistaats gibt es zum Teil offenbar große Unterschiede in Sachen Inanspruchnahme von Leistungen: Bei den 20-Jährigen waren den Daten zufolge die Menschen in Neu-Ulm am längsten therapiefrei (4,5 Jahre), München folgt mit 4,2 Jahren immerhin auf Platz drei nach Augsburg (4,3 Jahre). Schlusslicht ist Weiden in der Oberpfalz mit 2,9 Jahren.
Bei den 40-Jährigen sind wiederum die Rosenheimer am längsten behandlungsfrei, nämlich im Schnitt drei Jahre. München liegt auf Platz zwei (2,8 Jahre), Altötting ist Schlusslicht mit nur etwas mehr als einem Jahr. In der Gruppe über 60 belegt Würzburg Platz eins mit 2,1 therapiefreien Jahren, Schlusslicht ist das Berchtesgadener Land mit knapp unter einem Jahr - München landet auf Rang vier (1,7 Jahre).
Barmer-Vize-Landesgeschäftsführer Kindshofer: "Prävention vor Intervention"
Kann man mit diesen Ergebnissen zufrieden sein? Kindshofer sieht vor allem in der Prävention einen wichtigen Ansatzpunkt, um die Zahngesundheit der Bayern noch zu verbessern.
"Prävention muss Vorrang vor Intervention haben", sagt er, sprich: Pflegen und vorsorgen, bevor überhaupt gebohrt oder Schlimmeres werden muss. Hier deute sich zwar schon ein Wandel in der zahnmedizinischen Versorgung an, dieser sei aber "noch lange nicht vollzogen."
Gesundheitsministerium will bei zahnerhaltenden Maßnahmen sparen
Weniger pessimistisch sieht das die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayern (KZVB), wie sie auf AZ-Anfrage mitteilt. Die Zahnmedizin brauche "definitiv keine Neuausrichtung" in Hinblick auf Prävention, vielmehr sei man bereits auf dem richtigen, präventionsorientierten Weg. Jeder Bayer gehe im Durchschnitt 1,6 Mal im Jahr zum Zahnarzt - ein sehr guter Wert, so die KZVB.
Sorgen macht der Vereinigung etwas ganz anderes: Das Bundesgesundheitsministerium - wie berichtet auf Extrem-Sparkurs - budgetiere die Mittel für zahnmedizinische Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung ab 1. Januar 2023. Die KZVB fürchtet, dass sich dies mittelfristig "nachteilig auf die Mundgesundheit der Bevölkerung auswirken" könne - vor allem, da bei zahnerhaltenden Maßnahmen der Rotstift angesetzt werden soll, heißt es.
Dies müsse so schnell wie möglich rückgängig gemacht werden, fordert die Vereinigung - eben, um die Erfolge der Prävention nicht zu gefährden.