Yuppies kontra Linke: Der Gostenhofer Kiez im Wandel
Edel-Design entdeckt die Revolution, die Szene scheint sich am „Käppserles-Platz“ zu wandeln: Miteinander mit Glasbruch-Versicherung.
NÜRNBERG Der Platz, an dem sich Knauerstraße, Petzoltstraße, Gostenhofer Hauptstraße und die Bauerngasse treffen, hat keinen Namen. In Gostenhof nennt man ihn „Käppserles Platz“. Als die Stadt den Asphalt mit Bäumen und Bänken aufhübschte, trafen sich hier die, die viel Zeit haben – der Platz glitzerte im Sonnenlicht, das die „Käppserle“ der Bierflaschen zurückwarfen. Ein Alltagsbild in „Goho“. Doch Gostenhof wandelt sich, was nicht nur daran liegt, dass die Bänke abmontiert wurde und die Käppserle verschwanden. Jetzt trifft Yuppie auf Revoluzzer.
Im Februar hat Udo M. Kloos (36) seinen Design-Laden „Neoos“ in der Gostenhofer Hauptstraße 71 eröffnet. Seine Nachbarn: Pizza, Kebab, Karaoke. Um die Galerie richtig schön zu gestalten, investierte der Vermieter 35000 Euro, die Arbeit machte Kloos umsonst. „Denn das Schaufenster ist quasi meine Visitenkarte als Innenarchitekt.“
Mit dem Hass auf Yuppies "muss ich leben", sagt Kloos
Dass an der Fassade noch ein „Expo verhindern“-Graffiti prangt, stört ihn nicht. Lokalkolorit ist das für ihn, wie auch ein paar Ecken weiter ein „Yuppie-Haters“. Und dass der Hass auf Yuppies einen wie ihn trifft? Damit werde er im bunten Glasscherbenviertel leben müssen. Wie die Adidas-Designer, die hier hübsch renoviert wohnen und sich durchs Auto-Kennzeichen verraten.
Wer Kloos wohlgesonnen ist, bewundert das Kleinod, das er geschaffen hat: In seinem Laden sind nur Design-Schätze – Stühle, Gläser oder ein Fahrrad – , die ihm selbst gefallen. Die meisten Designer kennt er persönlich: „Wer die Stücke sieht, weiß, wie ich arbeite.“ Die „Mischbar“ an den Fleischbänken hat er unter anderem ausgestattet.
Die, die ihn und die vermeintlich wohlhabenden Zuzügler in den sanierten Altbauten kritisch sehen, sind Linke, Klassenkämpfer, Künstler, „Revolutionäre“, die seit Jahrzehnten den Charme des Viertels lieben. Sie fürchten, dass ihr Revier „in“ und damit zu teuer wird. Sie zählen zu den 8514 Einwohnern, von denen 41 Prozent aus dem Ausland kommen und nur neun Prozent älter als 65 Jahre sind. Zum Vergleich: In Zerzabelshof sind 32 Prozent über 65, 7,7 Prozent sind Ausländer.
Es treffen Lebensentwürfe aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten
Am Käppserles-Platz wird das Zusammentreffen deutlich. Gegenüber des „Neoos“ klebt ein „Revolution“-Plakat am Fenster der Galerie „Armer Teufel“. Frauke Mück ist so alt wie Udo M. Kloos, sie hat den freien Kunstverein auch im Februar eröffnet.
Es treffen Lebensentwürfe aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten. „Bei uns“, sagt Mück, „geht’s auch um Kunst“ und zeigt ihre Bilder, die sie als „angewandten Eskapismus“ bezeichnet: „Aber die politische Arbeit hat großes Gewicht.“
Die Frau in Szene-Schwarz erzählt von spanischen Gewerkschaften, von Griechenland und dass „wir autonomen Gedanken nahestehen“. Klassenkampf wird’s dennoch nicht geben, denn Mück hat nichts gegen den Design-Nachbarn: „Es muss ja nicht immer separiert werden. Wer Design mag, kann trotzdem mit der Revolution liebäugeln. Und ein Revolutionär kann schöne Bilder mögen. Ich bin gegen monochromes Denken.“
Davon ist Udo Kloos ausgegangen. „Mir gefällt’s auch wegen dieser Spannungsfelder.“ Trotzdem hat er eine Glasversicherung für sein Schaufenster abgeschlossen. Der Vermieter wollte es so. sw