Wohnwahnsinn in bayerischem Urlaubsparadies: "Kosten verdreifacht"

Bauen ist teuer geworden – auch im Urlaubsparadies Berchtesgaden. Dabei schuf man bis in die 1980er-Jahre noch großzügig geförderten Wohnungsbau. Seitdem muss immer mehr Geld in Sanierungen gesteckt werden – wenn überhaupt welches da ist.
Kilian Pfeiffer |
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Aus den 1950er Jahren, aber modernisiert: Die Wohnanlage an der Königsseer Straße in Berchtesgaden
Aus den 1950er Jahren, aber modernisiert: Die Wohnanlage an der Königsseer Straße in Berchtesgaden © Kilian Pfeiffer

Berchtesgaden – Als das Wohnbauwerk im Landkreis Berchtesgaden vor genau 75 Jahren gegründet wurde, war die Bauleistung enorm. Der größte Vermieter des südöstlichsten Landkreises der Republik baute damals 88 Wohnungen pro Jahr – ganze zehn Jahre in Folge. 863 Wohnungen entstanden in den 1950er-Jahren.

Heutzutage kann Geschäftsführer Florian Brunner von solchen Zahlen nur noch träumen. Ein Riesenprojekt steht zwar in den Startlöchern, der gesamte Bedarf an gefördertem Wohnraum kann aber bei Weitem nicht gedeckt werden.

Über 3500 Menschen fanden eine neue Bleibe

"Das war damals eine unglaubliche Aufbauleistung", sagt Brunner. "Da gab es keine großen Bagger, keine großen Kräne. Alles wurde mit Holzgerüsten bewerkstelligt."

Mehr als 3500 Bürger fanden in den hunderten neu errichteten Wohnungen Platz. 15 Millionen Mark wurden in die Häuser samt Wohnungen investiert. Die bestehende Arbeitslosigkeit war einem "ausgesprochenen Arbeitskräftemangel gewichen", schrieb der Landrat als Fazit.

Heute hat sich die Situation gewandelt: Zwar sind verfügbare Arbeitskräfte immer noch knapp – aber nun auch das Geld. Die Wohnungsnot wächst. Laut Sozialraumanalyse wird sich das Problem im nächsten Jahrzehnt noch deutlich verschärfen.

Für die Bürgermeister im Landkreis ist es eine Herausforderung, Wohnraum zu schaffen, vor allem für jene mit durchschnittlichem Einkommen. "Bauen ist unglaublich teuer geworden und fast nicht mehr möglich", sagt Brunner.

Mieter zahlten 8,50 Euro pro Quadratmeter

Vor sechs Jahren baute das Wohnbauwerk den geförderten Quadratmeter noch für unter 3000 Euro. Heutzutage liegt man bei rund 5000 Euro. Vermietet wurde damals der Quadratmeter für 8,50 Euro. "Heute brauchen wir bei einem Neubau 13 Euro", sagt Brunner.

Mit knapp 40 Prozent ist der Landkreis als Gesellschafter beteiligt, 30 Prozent entfallen auf die Marktgemeinde Berchtesgaden. Die restlichen 30 Prozent teilen sich verschiedene Gemeinden im Landkreis Berchtesgadener Land. Mit rund 1200 Wohneinheiten basiert der Großteil der Wohnbauwerk-Häuser auf einem mittlerweile modernisierten Altbestand. Der Ortsteil Winkl in Bischofswiesen ist in dieser Zeit entstanden.

Auch in Piding wurden damals Wohnhäuser errichtet, die es heute noch gibt. "Der Bestand aus der Gründungsphase ist weitestgehend erhalten", sagt Brunner.

Die Warteliste ist so lang wie noch nie

Das Wohnbauwerk Berchtesgadener Land hat große Bedeutung im Landkreis. Während auf dem freien Markt teils horrende Quadratmeterpreise von Mietern abverlangt werden, ist geförderter Wohnraum noch deutlich günstiger. Allerdings ist die Warteliste so lang wie noch nie.

Mehr als 550 Personen stehen bei Brunner auf der Liste. Diese abzuarbeiten: schier unmöglich. Dass der geförderte Wohnungsbau nicht besser dasteht, gilt mitunter als Versäumnis der Politik. "In den 1960er- und 1970er-Jahren war in Deutschland die Aufbauphase. Ein Jahrzehnt später wurde es ruhig", sagt Brunner.

In den 1990ern brach der Bauträgermarkt zusammen. "Es waren genug Wohnungen vorhanden", sagt Brunner. Damals musste das Wohnbauwerk hohe Millionensummen in Sanierungen und Modernisierungen stecken, die bis in die 2000er-Jahre liefen.

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Weniger Technik, weniger Auflagen

"Wir haben damals all unsere Wohnungsbestände, die teilweise noch mit Einzelöfen ausgestattet waren, generalsaniert." Als Brunner vor 15 Jahren Geschäftsführer wurde, rechnete man bei der Generalsanierung eines Quadratmeters Wohnung mit Kosten von 1200 Euro. Vor vier Jahren hat Brunner in Piding Wohnungseinheiten für eine deutlich höhere Summe von 2200 Euro generalsaniert. "Heute liegen wir kalkulatorisch bei 3500 Euro – im Bestand, und das pro Quadratmeter."

Wenn die Kosten einer Sanierung sich dem Neubau annähern, laufe etwas falsch. Dass nicht mehr viel möglich ist, weil die finanziellen Mittel sowieso an allen Ecken und Enden fehlen, leuchte jedem ein.

Noch vor 20 Jahren, so Brunner, lagen die klassischen Rohbaugewerke bei einem Kostenanteil von rund 65 Prozent. Die Ausstattung schlug mit 30 Prozent zu Buche: Technik, Heizung, Elektrik. "Das hat sich nun fast gedreht", beschreibt Brunner den Wandel. Er macht auch klar, dass Nachfolgekosten heutzutage deutlich höher ausfallen als früher. Als Beispiel nimmt er einen Aufzug. Wo früher keiner war, fordern heutzutage jährliche Prüfungen und Modernisierungen finanzielle Nachfolgekosten.

Der Trend, den viele seit Längerem fordern: "Back to the roots", zurück zu den Wurzeln. Weniger Technik, weniger Auflagen, lieber auf etwas verzichten. Das könnte die Kosten des Bauens deutlich senken, sagt der Leiter des Wohnbauwerks.

Das teuerste Projekt für über 25 Millionen Euro

Brunner weiß über die Komplexität eines Neubaus bestens Bescheid. In den vergangenen Jahren sind mehrere Projekte in Bischofswiesen und Piding verwirklicht worden. In Berchtesgaden plant sein Team ein Generationenwohnen mit rund 60 Einheiten im Ortsteil Nonntal. Mehr als 25 Millionen Euro wird es kosten. "Wir hatten noch nie ein so teures Projekt", sagt Brunner.

"Es wird uns die nächsten Jahre binden", sagt er. Zudem kommen mehrere Modernisierungen in den kommenden drei Jahren, weil die politisch geforderten Ziele hinsichtlich Klimaneutralität und Energieeinsparung umgesetzt werden müssen. In dieser Zeit werden keine weiteren Großprojekte zur Schaffung geförderten Wohnraums möglich sein, sagt er. Dazu fehle einfach das Geld.

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  • SagI am 10.08.2024 14:23 Uhr / Bewertung:

    Wohnwahnsinn.
    "Berchtesgadener Land bekommt neue Flüchtlinge zugeteilt."
    „Mit Stand heute werden im Landkreis Berchtesgadener Land insgesamt 2.569 Flüchtlinge untergebracht,..." (BGLand24, 19.06.24)

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