Wo landete sein Gehalt?
Ein behinderter Mann (37) aus Allersberg muss unter skandalösen Bedingungen leben – dem zugewiesenen Anwalt soll die Betreuung jetzt entzogen werden. Auch die Justiz ist eingeschaltet.
ALLERSBERG Das Drama spielt sich unbemerkt in einer kleinen Ortschaft bei Allersberg (Landkreis Roth) ab. Dort lebt ein geistig zurückgebliebener Mann (37), der von den Behörden einen Anwalt als Betreuer zugewiesen bekam, unter menschenunwürdigen Bedingungen. Mit der undurchsichtigen Rolle, die der Anwalt dabei spielt, muss sich jetzt die Justiz beschäftigen.
Schimmel wuchert, Elektroleitungen hängen aus der Wand
Die AZ überzeugte sich selbst von den katastrophalen Wohnverhältnissen, die in dem alten Bauernhaus herrschen. Schimmel wuchert überall, Elektroleitungen hängen aus der Wand, das Treppengeländer ist zerbrochen, Putz fällt von der Wand, die Einrichtung spottet jeder Beschreibung. Mittendrin in dem Chaos lebt Bernhard S. (37).
Der gutmütige Mann ist nicht völlig von der Rolle. Täglich, bei Wind und Wetter, fährt er mit seinem Moped bis nach Postbauer-Heng, wo er in einer Gießerei arbeitet. Seine Vorgesetzten sind mit seiner Arbeit sehr zufrieden. Er verdient gar nicht so schlecht (1200 Euro netto) und könnte sich durchaus ein komfortableres Leben leisten. Doch das Geld wird von Anwalt M. verwaltet, dem die Betreuung von Bernhard S. zugesprochen wurde. Dessen Mutter lebt in einem Heim und wird ebenfalls betreut, weil sie nicht mehr in der Lage ist, ein eigenständiges Leben zu führen. Ihr gehört auch nach wie vor das Haus.
Der Betreuer gab Bernhard fünf Euro pro Tag
Bekannte von Bernhard S. haben dem Dahinvegetieren des Mannes nicht mehr länger zuschauen wollen und den Nürnberger Anwalt Detlef Tschirpig eingeschaltet. Er ist Experte für Betreuungsfälle und hat sich den Fall genau angesehen. Seine Einschätzung lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Was hier läuft, ist nicht akzeptabel.“ Er musste deshalb beim Vormundschaftsgericht Schwabach einen Antrag stellen, seinem Kollegen sofort die Betreuung zu entziehen. Zur AZ sagte Tschirpig: „Die Wohnverhältnisse in dem Haus sind eine Gesundheitsgefahr.“ Noch rätselhafter für ihn ist allerdings auch, was mit dem Geld, das Bernhard S. verdient, tatsächlich geschehen ist. Tschirpig: „Das ist den Unterlagen nicht zu entnehmen. Belege sind nicht vorhanden.“
Bernhard S. sagte zur AZ, dass er lange Zeit nur fünf Euro täglich von seinem Betreuer erhalten habe. Erst in letzter Zeit sei dieser Betrag auf zehn Euro erhöht worden. Das reicht gerade für das Benzin, um mit dem Moped zum Arbeitsplatz zu gelangen, nicht aber für Anschaffungen oder Materialien, um das Haus in Schuss zu bringen.
Sein Betreuer weist die Vorwürfe weit von sich. „Es geht alles mit rechten Dingen zu“, sagte er, als er von der AZ auf den Fall angesprochen wurde, hat es aber seitdem plötzlich ganz eilig. Er stellte Bernhard S. eine gebrauchte Waschmaschine ins Haus und lässt von einem Handwerker ein Zimmer streichen. Ob er mit diesem Schnellschuss seinen Kopf aus der Schlinge ziehen kann, muss das Gericht entscheiden.Helmut Reister