Wird der Fall Genditzki neu aufgerollt?

Der Hausmeister ist verurteilt worden, weil er eine Rentnerin in Rottach in der Wanne getötet haben soll.
von  Klaus Wiendl
So ist die Rentnerin Lieselotte K. in ihrer Wohnung in Rottach-Egern aufgefunden worden.
So ist die Rentnerin Lieselotte K. in ihrer Wohnung in Rottach-Egern aufgefunden worden. © AZ-Archiv

München - Seit über elf Jahren sitzt Manfred Genditzki hinter Gittern. Er soll eine Rentnerin in der Badewanne ermordet haben. Doch es gibt viele Zweifel an dem Indizienurteil. Von einem "Justizskandal" sprechen Prozessbeobachter.

Anfang 2009 kam der Hausmeister in Haft. Genditzki wurde verdächtigt, im Oktober 2008 die 87-jährige und schwerkranke Rentnerin Lieselotte K. in ihrer Wohnung in Rottach-Egern im Streit bewusstlos geschlagen und in ihrer Badewanne ertränkt zu haben.

Das Landgericht München II verurteilte Manfred Genditzki im Mai 2010 zu lebenslanger Haft. Von Anfang an gab es Zweifel an dem Urteil. Auch in der Revision wurde es im März 2012 vom gleichen Gericht bestätigt. Obwohl es Experten für denkbar hielten, dass die betagte Dame, um die sich Genditzki jahrelang rührend gekümmert hatte, möglicherweise in die Badewanne gestürzt und ertrunken sei. War es also kein Mord, sondern ein tragischer Unfall?

Für Mord gibt es weder einen Beweis, noch Zeugen oder ein Motiv.

Genditzki (60) bestreitet die Tat bis heute. Für einen Mord gibt es weder einen Beweis, noch Zeugen oder ein Motiv. Mehr als tausend Menschen, viele von ihnen aus dem Landkreis Miesbach, unterschrieben eine Petition, die Bayerns Justizminister Georg Eisenreich auffordert, sich für die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Manfred Genditzki einzusetzen.

Im Juni 2019 stellte die Münchner Rechtsanwältin Regina Rick im Namen Genditzkis dann einen förmlichen Wiederaufnahmeantrag. Er stützt sich auf neue Sachverständigengutachten, die laut Rick "alle wesentlichen Feststellungen des Urteils grundlegend erschüttern".

Zudem könne sie die Aussagen einer bis vor Kurzem unbekannten Zeugin präsentieren. Unterstützung bekommt Rick von ihrer Münchner Anwalts-Kollegin Dagmar Schön. Sie hat sich für ein Buch über den Fall intensiv mit den Akten befasst.

Bei Obduktion deutete nichts auf Fremdeinwirken hin

Obwohl Manfred Genditzki des Mordes beschuldigt wurde, habe die Ärztin, die den Totenschein ausstellte, kein Fremdverschulden festgestellt, so die Rechtsanwältin. Und auch bei der Obduktion habe nichts auf ein Fremdeinwirken hingedeutet. Beim Studium der Akten fiel ihr auf, dass der Gerichtsmediziner seine Meinung änderte. Aber erst, nachdem die Polizei den Mord-Verdacht geäußert hatte.

Diese Erkenntnis und andere Ungereimtheiten würden laut Schön den Mord-Vorwurf widerlegen. Für die angebliche Tat, das Ertränken in der Badewanne, habe es nach Aktenlage nicht einmal Indizien gegeben. Dabei sei das wichtigste Beweismittel für die Unschuld des Angeklagten – die Leiche – verbrannt worden. Stattdessen hätte das Gericht über den Grund der Tat gemutmaßt und die Version der Staatsanwaltschaft übernommen. Zitat: "Der Angeklagte (…) befürchtete, dass die resolute Frau die von ihm begangene Körperverletzung zur Anzeige bringen werde, und er in der Folge seine berufliche Stellung als Hausmeister, an der das Familieneinkommen hing, gefährden oder verlieren könnte." Als sich der Vorwurf, der Angeklagte habe die Verstorbene bestohlen, durch die Beweisaufnahme in Wohlgefallen auflöste, habe der Staatsanwalt für sein Plädoyer einen anderen Tatablauf erfunden, erklärt die Rechtsanwältin. Genditzki sei auf einmal wegen eines anderen Motivs verurteilt worden. Die Anklage der Staatsanwaltschaft hatte auf ‚Habgier-Mord’ gelautet. Jetzt wurde daraus ein "Verdeckungsmord". Das Urteil: "lebenslang". Für die Münchner Anwältinnen Rick und Schön ist dieser Justizfehler nur einer von vielen.

Über Wiederaufnahmeantrage wurde noch nicht entschieden

Auf Anfrage der AZ teilt Justizsprecherin Barbara Stockinger nun mit, dass die zuständige Kammer über den geforderten Wiederaufnahmeantrag "noch nicht entschieden" habe. Zwar hätten im Januar alle Stellungnahmen dem Schwurgericht vorgelegen, "doch aufgrund großer Arbeitsbelastung war es der Kammer noch nicht möglich, sich gründlich in die umfangreiche Akte einzuarbeiten. Wann die abschließende Befassung der Kammer möglich ist, kann derzeit nicht abgesehen werden." Zuständig für den Antrag ist die 1. Strafkammer am Landgericht München I unter dem Vorsitz von Richterin Elisabeth Ehrl. Die Staatsanwaltschaft lehnt eine Wiederaufnahme ab.

Noch ist also fraglich, ob dem elementaren Rechtsgrundsatz "in dubio pro reo", im Zweifel für den Angeklagten, nach über elf Jahren Haft Genditzkis stattgegeben wird.

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