„Wir stecken in der Zwickmühle“

Die Welt gerät durch die Lebensmittelknappheit in Unruhe. In der AZ erzählen ein bayerischer Bauer von seinen Schwierigkeiten. Er stieg von Vieh auf Raps um. Jetzt soll er mit schuld an der Krise sein.
von  Abendzeitung
Landwirt Ludwig Häuser auf seinem Rapsfeld: Zwei Drittel seiner Ernte werden für Biosprit verwendet. Ohne Subventionen kann der Betrieb dennoch nicht überleben.
Landwirt Ludwig Häuser auf seinem Rapsfeld: Zwei Drittel seiner Ernte werden für Biosprit verwendet. Ohne Subventionen kann der Betrieb dennoch nicht überleben. © Mike Schmalz

Die Welt gerät durch die Lebensmittelknappheit in Unruhe. In der AZ erzählen ein bayerischer Bauer von seinen Schwierigkeiten. Er stieg von Vieh auf Raps um. Jetzt soll er mit schuld an der Krise sein.

Wenige Zentimeter sind die Gräser auf dem Feld erst hoch. Grün noch, in ein paar Wochen wird daraus dottergelber Raps. „Schaut gut aus“, sagt Ludwig Häuser (27) und bohrt den Finger in die Erde. „Läuft zügig an. Das gibt mindestens eine durchschnittliche Ernte.“

Deutschland spricht von der weltweiten Hungerkrise. Europäische Bauern sollen für die Lebensmittelknappheit in Dritte- Welt-Ländern verantwortlich sein. Sie verderben die Preise auf den Märkten in Haiti, in Indonesien, in Burkina Faso. „Ich glaube, in Ländern wie Afrika sind Bürgerkriege, die Korruption und die fehlende Rechtssicherheit ein größeres Problem als die subventionierten EU-Exporte“, meint Jungbauer Häuser.

Kampf um die Existenz

Auch Familie Häuser hat zu kämpfen. Nicht ums Überleben, aber immer wieder um die Existenz ihres Hofs in Mintraching/ Grüneck nördlich von München. „Wir hatten Mastschweine. Da haben wir über Jahre rote Zahlen geschrieben“, sagt Häuser. „Heute ist der Ort fast viehlos.“ Nur auf einem Hof gebe es noch Kühe, Bullen und Schweine schon lang nicht mehr. „Viele lebten am Existenzminimum. Die Betriebe sind abgemolken worden.“

Mit dem Einkommen sank das Selbstwertgefühl. „Unsere Arbeit war doch nichts mehr wert.“ Heute vermietet die Familie Teile ihres Hofs. „Vom Ackerbau allein könnten wir immer noch nicht leben.“ Erst im vergangenen Jahr wurde die Hälfte der Ernte durch Hagel vernichtet. „Mei, als Bauer war man schon immer dem Wetter schutzlos ausgeliefert“, sagt Häuser. Eine durchschnittliche Ernte bringt 50 000 Euro im Jahr. „Das ist für drei Leute in München wenig.“

140 Hektar Land bewirtschaftet er mit seinen Eltern. Ein reiner Familienbetrieb. Neben Zuckerrüben und Körnermais bauen die Häusers Winterweizen, Winterroggen und Winterraps an – der wird zum Biosprit. „Die Alternative wäre laut EU-Vorschrift, Felder brachliegen zu lassen. Da haben wir lieber nachwachsende Rohstoffe angesät.“

Etwa zwei Drittel von Häusers Raps wird für Biosprit verwendet, Dass die Bauern jetzt für Umweltkatastrophen und den Hunger in Afrika verantwortlich gemacht werden, findet Häuser ungerecht. „Uns wurde vor ein paar Jahren gesagt, wir sollten uns Alternativen suchen, wir sollten die Agrarmärkte von der Überproduktion entlasten. Und jetzt schimpfen alle auf Biosprit. Da kommt man sich verschaukelt vor“, sagt Häuser.

Eine rasante Steigerung

Dank Biosprit schnellen die Getreidepreise in Deutschland in die Höhe. „Vor zwei Jahren haben wir für denWeizen noch zehn Euro bekommen. Jetzt kriegen wir 25.“ Eine rasante Steigerung, doch Häuser wiegelt ab. „Wir sind trotzdem auf die Fördermaßnahmen der EU angewiesen. Bei uns Landwirten bleibt am wenigsten hängen.“ In einer Semmel stecke etwa für einen halben Cent Mehl. „Den Rest schöpfen die Mühlen, der Bäcker und der Einzelhandel ab.“

Auch die Preispolitik der Discounter sei für den Strukturwandel verantwortlich. „Die können die Preise diktieren. Die Großbäckerei muss zu bestimmten Preisen liefern und verteilt den Kostendruck dann weiter. Am Ende stecken wir Landwirte in der Zwickmühle.“ 300 Euro pro Hektar bekommt die Familie Häuser. Macht 42 000 Euro Subventionen von der Europäischen Union. Eine Summe, bei der dem Jungbauern nicht ganz wohl ist. „Lieber täte ich ohne sie auskommen. Ich wünsche mit, als Bauer wieder von meinem Beruf leben zu können.“

Anne Kathrin Koophamel

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