Wir heizen unserem Spargel ein

Schneller, früher, heißer: Wie der Luft- und Raumfahrtingenieur Andreas Eberhardt in Niederbayern das „Königsgemüse“ züchtet. Und zwar lange, bevor die Spargelsaison hierzulande eigentlich beginnt ...
Natürlich stand ein königliches Gemüse auf dem Speiseplan für Obama und Co. Was sonst. Der Sternekoch Martin Herrmann wollte dem US-Präsidenten und seinen Kollegen beim Festessen zum NATO-Jubiläumsgipfel in Baden-Baden unbedingt Spargel aus der Kurpfalz servieren. Doch bis zuletzt musste er zittern, ob genügend von den Stangerln auch pünktlich reif werden. Diese Sorgen hätte er wohl nicht gehabt, wenn der NATO-Gipfel beispielsweise in Straubing veranstaltet worden wäre – und der Koch 150 Kilo Gäubodenspargel geordert hätte. Denn in Niederbayern beginnt die Saison über einen Monat früher. Spargel-Heizung sei Dank.
Gerade sind die polnischen und rumänischen Spargelstecher an dem zehn Hektar großen Feld vor den Toren Straubings angekommen. Sie lüften die Folie, die über den einzelnen Spargeldämmen liegt. Überall spitzen die weißen Knospen aus dem warmen lehmigen Boden hervor. Die Luft an diesem Morgen ist viel kälter als das Erdreich zu Füßen der Arbeiter. Kein Wunder: In einem Schuppen neben dem Feld surrt die größte Spargel-Heizung Bayerns. Nur eine weitere Anlage gibt es noch im Freistaat – aber die ist deutlich kleiner.
Das Ganze funktioniert wie eine Fußbodenheizung
Andreas Eberhardt (37) ist stolz auf sein Werk. Vor ein paar Jahren hat der studierte Luft- und Raumfahrttechniker sich ganz irdischen Dingen zugewandt – und eine Bodenheizung für das Feld konstruiert. Drei Monate lang tüftelte der Ingenieur bei der „Spargel + Beeren Baumann GmbH“ an der Anlage herum. Die Motivation lag auf der Hand: „Wenn man früh auf dem Markt ist, kriegt man einigermaßen Geld.“ 2007 konnte der erste Heizspargel geerntet werden. „Bis jetzt hat alles zu hundert Prozent hingehauen.“
Das Prinzip ist simpel: Etwa zwölf Tonnen Hackschnitzel werden täglich in einem riesigen roten Ofen verbrannt. Damit wird warmes Wasser erzeugt, das mit Hilfe eines Dieselmotors umgewälzt wird. Der ganze Kreislauf funktioniert automatisch. Wie eine Fußbodenheizung – nur, dass dabei eben dem Spargel eingeheizt wird. 35 Grad warmes Wasser wird in die 90 Kilometer langen Heizungsschläuche gepumpt, die auf dem Feld verlegt sind. Im Abstand von je 15 Zentimetern führen die Schläuche an beiden Seiten der Pflanze vorbei. Wenn das Wasser zurückfließt, liegt seine Temperatur noch bei 25 Grad. Dafür ist dem Spargel in der Mitte schön warm und er sprießt. „Fünf Zentimeter am Tag kann er locker wachsen“, sagt Eberhardt.
Manchmal bekommt die Firma böse Briefe
Er kennt die Kritik, hat auch schon böse Briefe bekommen. Nach dem Motto: Felder beheizen für den Reibach – und das in Zeiten des Klimawandels. Doch Eberhardt ist von seiner Sache überzeugt. „Ich habe deswegen kein schlechtes Gewissen.“ Die Anlage wird nur mit Hackschnitzeln betrieben, die Landwirte aus der Region verkaufen. Das Brenn-Material sei ausschließlich Restholz, für das kein Baum extra gefällt werde. „Wenn das Holz im Wald verrottet, ist die CO2-Bilanz dieselbe wie bei der Verbrennung – nur die Geschwindigkeit ist eine andere“, argumentiert der Ingenieur. Allein der Dieselmotor setze zusätzliches CO2 frei. „Wenn man sich für die Beheizung entscheidet, ist das hier die umweltfreundlichste Variante.“ Eine Heizölanlage – wie es sie in Gewächshäusern gibt – wäre für Eberhardt nicht in Frage gekommen. „Das ist ethisch nicht vertretbar.“
300000 Euro kostete die Spargelheizung bei der Anschaffung, hinzu kommen rund 150000 Euro Betriebskosten pro Saison. Trotzdem lohnt sich das Geschäft. Für die beheizten Stangerl kann „Spargel + Beeren Baumann“ als Platzhirsch vier bis sechs Euro pro Kilo mehr verlangen als für das konventionell produzierte Gemüse zur Hauptsaison. Sprich: Etwa 16 Euro pro Kilo muss bezahlen, wer zu den ersten Essern des Jahres gehören will. Insgesamt 100 Tonnen Heizungsspargel werden pro Saison auf dem Feld in der Nähe von Straubing geerntet.
Schon Anfang März begann die Ernte des Heizspargels
Am 7. Februar wurde heuer erstmals die Heizung angeschmissen. Wegen des anhaltenden Bodenfrostes dauerte es diesmal aber ein wenig länger, bis die Erde warm war. Am 5. März konnte der erste Spargel geerntet werden – zu diesem Zeitpunkt war die Firma aus Geiselhöring quasi alleine am Markt mit ihrer Ware. Abgesehen von importiertem Spargel.
Erst seit ein paar Tagen wird die Konkurrenz größer. Denn peu à peu wird nun auch der Spargel gestochen, der in so genannten Mini-Tunnels reift – dabei wird mit Hilfe von Folie eine Art Gewächshauseffekt erzielt. Trotzdem schätzt Andreas Eberhardt: „Der deutsche Spargel, der derzeit in München verkauft wird, stammt noch zu etwa 50 Prozent von uns.“ Die meisten Käufer wissen wohl gar nicht, dass sie Heizspargel auf dem Teller haben.
Im Freiland ist derweil noch nicht viel los. Dort liegt die momentane Bodentemperatur bei etwa neun Grad. Spargel wächst aber erst ab zwölf Grad. Offiziell wird die Saison deswegen erst am nächsten Dienstag, dem 14. April, von Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) eröffnet. Doch mit jedem Sonnenstrahl wird das Angebot bis dahin größer.
Auch beim Erdbeer-Anbau wird der Natur nachgeholfen
Ob die Sonne scheint oder nicht – auf dem Feld bei Straubing wird noch zwei Wochen lang der gleichmäßig temperierte Spargel geerntet. Ganz vorsichtig graben die Arbeiter die Stangerl ein Stück weit aus, bevor sie die Sprossen abstechen. Bis zu 180 Kilo schafft ein guter Arbeiter pro Tag. Dafür bekommt er einen Stundenlohn von sechs Euro.
Der Firma „Spargel + Beeren Baumann“ gelingt es mit ihrem beheizten Feld zwar, die Natur auszutrixen. Was ihr aber nicht gelingt, ist den Endabnehmer zu steuern. „Die Leute essen nur Spargel, wenn die Sonne scheint“, weiß Andreas Eberhardt. Das haben Verbraucherstudien gezeigt. „Wenn es draußen grau ist, will niemand Spargel kaufen.“ Dann bringt auch die Heizungsanlage nichts. Trotzdem ist er sicher, dass es bald noch mehr Firmen geben wird, die ihrem Spargel einheizen. Noch ist es nicht so weit. Nur Gerüchte über mögliche Konkurrenten hat der Ingenieur bislang gehört.
Während für die anderen Landwirte die Spargelproduktion jetzt erst richtig losgeht, kann sich die Firma im niederbayerischen Geiselhöring schon langsam aufs Erdbeergeschäft konzentrieren. Und auch hier wird der Natur kräftig nachgeholfen: Noch in dieser Woche werden 18 Hummelvölker geliefert, die die frischen Pflänzchen im „Erdbeertunnel“ bestäuben sollen.
Julia Lenders