„Wir haben ein Baby adoptiert – und möchten ein zweites“

München - In Deutschland leben etwa 6000 Regenbogenfamilien – gleichgeschlechtliche Paare, die ein Kind oder mehrere gemeinsam großziehen. Tobias Rebisch (37) und sein Lebenspartner Marc (38) haben ein Kind adoptiert. Wie der sehnliche Wunsch der beiden Männer, die in Bayern leben, Wirklichkeit wurde und wie die ersten Jahre mit dem kleinen Luis verliefen, davon erzählt Tobias Rebisch in seinem Buch „Zwei Papas und ein Baby“, das gestern erschienen ist.
Die AZ traf ihn in München zum Interview.
AZ: Herr Rebisch, Sie haben vor ein paar Wochen Luis’ dritten Geburtstag gefeiert. Feiern Sie immer zwei Mal? Den Tag seiner Geburt und den Tag, als Sie Ihr Baby das erste Mal in den Armen hielten?
TOBIAS REBISCH: Wir feiern eigentlich immer fünf Tage lang. In diesem Jahr haben wir zum ersten Mal Kinder eingeladen. Marc hat einen Piratenkuchen gebacken, und ich habe für die Kinder Kasperltheater gespielt. „Gretel sucht das Osterei“, habe ich das Stück genannt.
Sie hatten die Hoffnung, ein Kind adoptieren zu können, eigentlich schon aufgegeben.
Ja, wir haben alles in allem fünf Jahre lang gehofft und gewartet. Mein Leben war lange wie in einer Warteschleife. Das war sehr belastend.
Anfangs wollten Sie ein Kind aus dem Ausland adoptieren. Warum?
Marc hat ein Auslandssemester in Südafrika verbracht. Als wir vor neun Jahren gemeinsam dorthin gereist sind, haben wir auch ein Waisenhaus besucht. Die Begegnung mit all diesen verlassenen Kindern hat uns sehr berührt. Damals entstand unser Wunsch, einem dieser Kinder ein Zuhause zu geben.
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Hatten Sie auch schon vorher einen Kinderwunsch?
Ja. Wir hatten zu dem großen Glück, uns gefunden zu haben, irgendwann das Gefühl, dass wir zusammen noch nicht ganz vollkommen sind. Wir wollten Verantwortung tragen. Und wir wollten einem Kind die Liebe und Geborgenheit geben, die wir selbst von unseren Eltern erfahren haben. Wir sind beide in sehr harmonischen Familien aufgewachsen. Unsere Eltern haben uns geliebt und voll und ganz akzeptiert. Daran änderte sich auch nichts, als wir uns als schwul geoutet haben.
Welche Möglichkeiten gab es für Sie und Marc, eine Familie zu gründen?
Wir hätten ein Pflegekind aufnehmen können, und wir hätten ein Kind aus Deutschland oder dem Ausland adoptieren können. Im deutschen Adoptionsrecht ist es derzeit noch so, dass man als homosexuelles Paar, auch wenn man in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, nicht gemeinsam adoptieren kann. Wir galten also als Single-Männer.
Sie hatten sich zunächst für eine Auslands-Adoption entschieden. Wo war das als Single-Mann möglich?
Als wir 2008 damit begonnen haben, uns zu informieren, gab es zwei Länder: Bulgarien und Südafrika. Wir haben uns für Südafrika entschieden.
Sie hätten auch ein Kind aus einer Herkunftsfamilie zu sich genommen, in der es Straftaten, Alkoholismus, Prostitution oder schwere Krankheiten gab. War ein Kind, dessen leiblicher Vater Sie oder Marc sind, nie ein Thema?
Nein, wir wollten kein zusätzliches Kind in die Welt setzen.
Sie mussten das deutsche Jugendamt davon überzeugen, dass Sie sich als Adoptiveltern eignen. Wie lange hat das gedauert?
Es war ein langer Weg durch die Instanzen. Im Herbst 2008 haben wir zunächst einen formlosen Antrag gestellt. Dazu mussten wir viele Dokumente vorlegen: Ärztliche Atteste, Führungszeugnisse, Verdienstbescheinigungen und auch eine Fotodokumentation von uns, unseren Familien und der Wohnung, in der das Kind leben würde. In den darauffolgenden neun Monaten hat das Jugendamt einen Sozialbericht über uns erstellt. Erst als der positiv beschieden wurde, kam ich auf eine Warteliste.
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Warum ist aus der Auslandsadoption nichts geworden?
Unsere Unterlagen sind im Juni 2009 in Südafrika eingetroffen. Uns wurde gesagt, dass die Wartezeit drei Monate bis zu drei Jahre dauern kann. Generell ist es so, dass zuerst versucht wird, Kinder in ihrem Heimatland zu vermitteln. Wir haben über drei Jahre gewartet. Dann haben wir erfahren, dass die Familienministerin in Südafrika gewechselt hatte und die Möglichkeiten für Auslandsadoptionen begrenzt wurden.
Wie ging es dann weiter?
Es war eine schlimme Zeit für uns. Ich habe mich wie in einem dunklen Tunnel gefühlt. Wir haben versucht, unseren Herzenswunsch loszulassen. Dann habe ich mich aber doch noch beim Stadtjugendamt um eine Inlandsadoption beworben. Das war unser letzter Strohhalm, obwohl die Chancen für ein homosexuelles Paar bei einer Inlandsadoption verschwindend gering sind.
Der ersehnte Anruf kam am 13. Februar 2013.
Marc erfuhr es als Erster. Unsere Sachbearbeiterin im Jugendamt rief an und sagte, sie habe ein Baby für uns! Wir sollten am nächsten Morgen kommen. Es war eine Achterbahn der Gefühle. Als wir Luis zum ersten Mal in den Armen hielten, brachte das unser Glück zum Übersprudeln. Er war erst drei Tage alt. Wir hatten ein Baby!
Der leiblichen Mutter von Luis sind zwei Adoptivelternpaare vorgeschlagen worden: Sie beide und ein heterosexuelles Paar. Wissen Sie, warum sie sich für Sie entschieden hat?
Nein, das wissen wir nicht. Aber sie ist ganz offensichtlich ein toleranter Mensch.
Haben oder hatten Sie Kontakt zu ihr?
Nein, es war eine geschlossene Adoption. Sie wollte keinen Kontakt.
Luis ist jetzt drei Jahre alt. Hat er schon einmal nach seiner Mutter gefragt?
Nein, aber er weiß, dass er eine Mama hat. Wir haben mit ihm Familienbücher angeschaut und ihm gesagt, dass sie nicht bei ihm wohnen kann.
Luis nennt Sie beide Papi und Papa. Wer ist wer?
Marc ist Papa, und ich bin Papi. Luis unterscheidet das sehr genau.
Wird er im Kindergarten gehänselt, weil er zwei Väter, aber keine Mutter hat?
Nein, gar nicht. Ich bin der festen Überzeugung, dass so etwas nicht von den Kindern allein kommt. Wir sind auf die Erzieher und Eltern zugegangen. Ich habe mich in den Elternbeirat wählen lassen und von Anfang an mit offenen Karten gespielt.
Ihr Autorenname ist nicht Ihr richtiger Name, Sie wollen auch nicht, dass man erfährt, in welcher Stadt Sie leben – fürchten Sie Anfeindungen?
Darum geht es nicht. Wir wollen unseren Kleinen schützen. Später kann er selbst entscheiden, was er über sich und sein Leben öffentlich machen will.
Bevor Luis zu Ihnen kam, hat Sie sehr beschäftigt, ob Sie ihm ein „normales Rollenbild“ vermitteln können. Wie sehen Sie das heute?
Ich denke, diese festen, althergebrachten Rollenbilder gibt es heute sowieso nicht mehr. Jeder bringt seine Stärken ein. Ich bin zum Beispiel ein schlechter Koch, dafür bastle ich wahnsinnig gern mit Luis. Wir beiden Väter ergänzen uns gut. Es ist nicht so, dass ich jetzt den weiblichen Part übernehmen würde, nur weil ich in Elternzeit gegangen bin. Bei uns kocht zum Beispiel Marc, obwohl er der Hauptverdiener ist und ich Teilzeit arbeite.
Sie schreiben im Buch, dass Luis seinen Kindergartenfreund heiraten wollte. Will er das immer noch?
Nein, jetzt nicht mehr. Wir dachten schon, dass Luis auch schwul wird. Nicht, dass wir dafür kein Verständnis hätten, aber das war wohl nur eine kurze Phase. Kurz danach war ein Mädchen seine große Liebe.
Gibt es wichtige Frauen in Luis’ Leben?
Er hat einen sehr innigen Draht zu meiner Schwester, die auch seine Patentante ist. Sie hat uns in der ersten Zeit sehr unterstützt. Auch seine beiden Omas und Marcs Schwägerin sind sehr wichtige Bezugspersonen für ihn.
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Wann wollen Sie Ihrem Sohn sagen, dass er adoptiert ist?
Ich möchte auf keinen Fall, dass er sich belogen fühlt.
Wann ist der richtige Zeitpunkt gekommen, die Wahrheit zu sagen?
Ich weiß es noch nicht. Wir fühlen uns aber vom Jugendamt sehr gut begleitet, in einer Adoptivelterngruppe sind wir auch. Und wenn Luis eines Tages sagt: „Papi, lass uns meine Mama suchen“, gehe ich sie mit ihm suchen.
Luis wurde von Ihnen adoptiert. Welche Rechte hat Marc?
Er konnte durch die Stiefkindadoption auch eingetragen werden und gilt seitdem genauso als Luis’ Vater wie ich. Kürzlich haben Sie wieder einen Antrag beim Jugendamt eingereicht – für ein zweites Kind. Vielleicht denken manche: „Kriegen die denn nicht genug?“
Aber warum wünscht man sich ein zweites Kind?
Das ist bei uns wie bei anderen Paaren auch.
Wenn Sie die Wahl hätten, soll es wieder ein Bub werden?
Beim ersten Kind dachten wir beide, dass wir uns besser in einen Jungen hineinversetzen könnten. Heute würden wir uns genauso über ein Mädchen freuen.