"Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum für Pflegekräfte"

München - Alle drei Parteien wollen die CSU und Ministerpräsident Markus Söder bei der Landtagswahl im Oktober herausfordern - das wird schwer genug. Doch Katharina Schulze, Ludwig Hartmann (Grüne), Markus Rinderspacher (SPD) und Hubert Aiwanger (Freie Wähler) haben klare Vorstellungen, was in Bayern besser werden muss.
In der AZ disktieren die Oppositionspolitiker zusammen.
Das ist Teil drei, hier geht's zu Teil eins und zwei.
AZ: Das Thema Pflege ist genauso brennend wie die Wohn-Misere. Wie sehen Ihre Lösungsansätze aus?
AIWANGER: Wir haben jahrelang darum gerungen, dass die Pflegeschulen kostenlos wurden. Jetzt muss man bei der Ausbildung weiter massiv nachbessern und den Beruf durch deutlich bessere Bezahlung attraktiver machen. Wir haben derzeit rund zehn Prozent der Bevölkerung als Zupflegende – und eine Pflegekasse. Wenn die Zupflegenden mehr werden, und wir die Leute ordentlich bezahlen wollen, die das tun, dann wird der Beitrag zur Pflegekasse steigen müssen.
"Das Pflegegeld der CSU ist auf jeden Fall der falsche Ansatz"
SCHULZE: Menschen in Pflegeberufen müssen besser bezahlt werden. Und wir brauchen eine Pflegekammer, damit sie besser vertreten werden. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum für die Pflegenden, mehr Kurzzeitpflegeplätze, Pflegestützpunkte – auch auf dem flachen Land. Und wenn ich im Fernsehen sehe, dass ein Geflüchteter hier die Möglichkeit hätte, eine Pflegeausbildung zu machen, aber keine Erlaubnis dafür bekommt, kann ich die CSU-Staatsregierung nur frontal angreifen: Sie muss endlich konsequent die 2+3-Regelung umsetzen, damit jeder, der einen Ausbildungsvertrag auf dem Tisch hat, auch die Erlaubnis bekommt.
RINDERSPACHER: Man darf an dieser Stelle, bei allen Unterschieden in der Opposition, auch mal die Gemeinsamkeiten hervorheben: Es ist ein gemeinsamer Erfolg von SPD, Freien Wählern und Bündnis-Grünen, dass die Pflegeausbildung kein Geld mehr kostet. Wir haben jahrelang an die CSU hingeredet, dass es der helle Wahnsinn ist, dass der Azubi in einem Mangelberuf auch noch Geld mitbringen muss. Was wir jetzt brauchen ist eine Personalbemessungsgrundlage in den Krankenhäusern, weil wir zu wenige Pflegekräfte haben, auch in den staatlichen Krankenhäusern. Das haben wir als SPD gerade auf den Weg gebracht und es wird in den Ausschüssen diskutiert.
HARTMANN: Das Pflegegeld der CSU ist für mich auf jeden Fall der falsche Ansatz. Das wird einmal im Jahr ausgeschüttet ab Pflegestufe zwei und kostet den Freistaat jedes Jahr 400 Millionen. Was wir brauchen, sind mehr Kurzzeitpflegeplätze und eine zentrale Datenbank, in der freie Plätze gelistet werden – um denen unter die Arme zu greifen, die selbst Angehörige pflegen. Das könnte man mit den 400 Millionen pro Jahr angehen. Um Chancengerechtigkeit zu schaffen, müssen wir Infrastruktur anbieten – auch im Pflegebereich.
Viele ältere Menschen, die noch nicht pflegebedürftig sind, stehen vor einem weiteren Problem: Sie können sich das Leben in einer Stadt wie München kaum noch leisten. Sollte es eine staatliche Unterstützung für Rentner in Bayern geben?
AIWANGER: Die gibt es ja quasi durch Wohngeld.
RINDERSPACHER: Die SPD hat in ihrem Wahlprogramm das kostenfreie Ticket für Schüler, Auszubildende, Studierende, Freiwilligendienstleistende und Senioren. Das kostet viel Geld, aber der Rentner wäre – gerade in München – deutlich entlastet. Außerdem wissen wir aus Tallinn und anderen Städten, die das vorgemacht haben, dass der Verkehr dann deutlich von der Straße auf den ÖPNV verlagert wird. So würde man etwas Gutes tun für die Senioren – und für die Mobilitätswende.
SCHULZE: Ein einzelnes Ticket hat mir da zu sehr Fleckerlteppich-Charakter. Wir Grünen fordern auf Bundesebene eine Garantierente, weil wir es unmöglich finden, dass es Leuten im Alter so dreckig geht, dass sie sich grundlegende Sachen nicht mehr leisten können.
AIWANGER: Die große Ideologie der Wirtschaftslobbyisten ist ja, dass die Lohnnebenkosten möglichst niedrig sind und dass die Menschen der Volkswirtschaft im Alter möglichst billig kommen. Wir sehen, dass in Österreich – das kann man zwar nicht direkt vergleichen – 50 bis noch mehr Prozent höhere Renten bei selber Erwerbsbiografie sind, und dann sieht man, dass unsere Rentner zu wenig bekommen. Wir können nicht das Rentenniveau auf 48 Prozent runterfahren, sondern müssen bei 55 Prozent bleiben. Und dann muss der Arbeitgeber eben ein bisschen mehr zahlen.
Eine versöhnliche Runde zum Schluss. Herr Rinderspacher, was schätzen Sie an Hubert Aiwanger?
RINDERSPACHER: Seinen Humor, seine klare Aussprache und seine Fähigkeit, komplexe Sachverhalte sehr einleuchtend darzustellen.
Herr Aiwanger, was schätzen Sie an Frau Schulze und Herrn Hartmann?
AIWANGER: Dass sie zukunftsweisende Konzepte haben, und dass mit den Grünen durchaus wertkonservativ nachhaltige Politik betrieben werden könnte.
Und was schätzen Sie beide an Herrn Rinderspacher?
AIWANGER: Er is’ a Pfundskerl!
SCHULZE: Hey, wir wurden gefragt! Was ich an Markus und der SPD schätze, ist ihre klare Haltung beim Kampf gegen Rechts und für Europa.
HARTMANN: Das Menschliche. Ein Beispiel: Kurz vor der Sommerpause, als die letzte Rede von Margarete Bause im Landtag anstand, habe ich ihn gebeten, ob die SPD zugunsten von Margarete auf ihren Redeauftritt verzichten könnte. Markus hat keine Sekunde gezögert. Ich weiß, wie schwer es ist, sowas durch die Fraktion zu bringen. Aber sein Ja kam sofort – toll!