Windsbacher Knaben: Prügel waren an der Tagesordnung

Brutale Schläge mit dem Stahllineal: Psychologin Ulrike Winkler legte jetzt ihren Abschlussbericht über Misshandlungen im evangelischen Chor-Internat vor
von  Abendzeitung
Ulrike Winkler von Mohrenfels mit Internatsleiter Thomas Miederer.
Ulrike Winkler von Mohrenfels mit Internatsleiter Thomas Miederer. © dpa

Brutale Schläge mit dem Stahllineal: Psychologin Ulrike Winkler legte jetzt ihren Abschlussbericht über Misshandlungen im evangelischen Chor-Internat vor

WINDSBACH Im Windsbacher Knabenchor waren in den Nachkriegsjahrzehnten körperliche Züchtigungen und Demütigungen gebräuchliche Mittel der Erziehung. Dies geht aus dem nun vorliegenden Abschlussbericht der vom Chor beauftragten Ombudsfrau, der Psychologin Ulrike Winkler von Mohrenfels, hervor. Aber: Die hätten die damaligen Sänger ihre Zeit im evangelischen Internat ganz unterschiedlich erlebt und ebenso unterschiedlich verarbeitet.

26 ehemalige Windsbacher haben gegenüber der Ombudsfrau ausgesprochen präzise über Gewalterfahrungen berichtet. Auf der anderen Seite konnten 20 Anrufer diese Vorwürfe überhaupt nicht verstehen. Den Untersuchungsergebnissen zufolge wurden Jungen vor allem im Alter zwischen 10 und 12 Jahren Opfer von Misshandlungen. „Ein Schüler wurde von einem Präfekten mit dem Stahllineal auf den nackten Po grün und blau geschlagen, so dass er tagelang nicht sitzen konnte", schreibt die Ombudsfrau. Was ein Kind durchmachte, sei anderen Kindern, die in anderen Gruppen und anderen Schlafsälen mit anderen Erziehern lebten, jedoch oft verborgen geblieben.

Ein Präfekt hat dem Bericht zufolge das Gute-Nacht-Sagen im 16-Betten-Schlafsaal mit Schlägen begleitet, ein anderer prügelte so lange auf einen Bub ein, bis die Mitschüler ihn anflehten, aufzuhören. Ältere Schüler kopierten die Methoden. Sie unterzogen die Jüngeren regelrechten Verhören, bei denen sie Kopfnüsse und Ohrfeigen verteilten.

„Taten mögen verjähren, Erinnerungen nicht"

Übereinstimmung zeigten alle ehemaligen Windsbacher beim Urteil über Chorgründer Hans Thamm. Er wird als Respekt gebietende Persönlichkeit geschildert. „Um seine hohen musikalischen Ziele zu erreichen, griff er streng und rigoros durch", schreibt die Ombudsfrau. Einen Bub soll er geohrfeigt haben, weil er zu spät zum Unterricht kam, einen anderen, weil er hohe Töne nicht traf. Auch von Demütigungen und Beschimpfungen vor versammelter Mannschaft wird berichtet. Andererseits wird Thamm als prägendes musikalisches Vorbild anerkannt.

Der Abschlussbericht wurde Landesbischof Johannes Friedrich, der staatlichen Heimaufsicht und den Verantwortlichen von Chor und Studienheim vorgelegt. Strafrechtlich sind die Misshandlungen verjährt. „Taten mögen verjähren, Erinnerungen nicht", sagt dazu der heutige Internatsdirektor Thomas Miederer. Angstträume hörten nicht einfach auf, wenn juristische Fristen abgelaufen seien.

Die Windsbacher Pädagogik habe sich seit den 50er Jahren entscheidend verändert, betont er. Sie müsse sich aber der Vergangenheit stellen, damit diese keine Schatten auf die Zukunft werfe. Ziel sei die „Aussöhnung mit einer Institution, hinter deren Mauern Kinder nicht immer den notwendigen Schutz fanden“. epd

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