Wie man böse in der Suppe löffelt
Nürnberg - Theresia Walsers Stück „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ lässt in der Kongresshalle zwei Hitlers und einen Goebbels zur Vorbereitung einer Talk-Show antreten – und da wird abgelacht!
Auch bei der zweiten Premiere im Hilfsquartier an der Kongresshalle verlässt sich das Nürnberger Schauspielhaus auf die Ton-Kunst am Bau, das legendäre Führer-Gebell auf dem Reichsparteitagsgelände. Die ersten Worte, die man bei Theresia Walsers gesammelten Innerbetriebs-Späßen für Theatermacher unter dem spät eingelösten Titel „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ hört, und dann noch ein paar zuviel, suchen aber nicht die O-Ton-Dämonie, die bei „Arturo Ui“ in Wagner-Sound getunkt wird, sondern den mattierten Glanz des Imitats. Von Charlie Chaplin bis Bruno Ganz reicht die hörspielerische Travestie-Collage, denn schließlich soll im anschließend abgehandelten TV-Talk geklärt werden, ob und wie „echt“ ein dramatischer Darsteller diesen Herrn Hitler spielen darf, und inwieweit er danach noch für Albert Schweizer taugt. Zur Sendung kommt es nicht, nur zum Vorgeplänkel einschlägig erfahrener Gäste: Drei Mimen mit berufsbedingter Plagiats-Manie werden beim Warten aufs Oho aufeinander losgelassen.
Noch ist keine Kamera, kein Veranstalter zu sehen, noch dürfen die eitlen Herren ungeschnitten plappern. Der Älteste, der die große Theater-Zeit von Dieter Fels (hihi, Peter Stein!) erlebte und nun auch in Tunesien mit Hitlers Tischreden tingelt, lässt reiche Erfahrungen mit dem "Hämlet" einfließen, geißelt aber die Unsitten des modernen Theaters bei gestützter Stimme. Sein intrigant hämender Kollege, ganz Gebrauchszyniker im Umgang mit Beruf und Berufung, findet Erfüllung im Pointen-Querschuss, wenn es schon zum eigenen Größenwahn nicht reicht. Der Jüngste im Bunde, als ehemaliger Goebbels-Darsteller ohnehin nur für hinkende Vergleiche zuständig, baut sich als naiver Jünger der Regisseure und ihres „Atmo-Terrors“ gegen die alten Hasen der Routine auf, von denen er und wir erfahren, wie früher in Ingolstadt und Göttingen alles besser war. Ach ja, grüßt mir heute Dinkelsbühl und morgen Augsburg.
Das Stück, das Theresia Walser als flotten Sketch entworfen und nach beifälliger Aufnahme zur Ein-Stunden-Tirade ausgebaut hat, ist schon halb vorbei, ehe es sich ruckartig von Thomas Bernhards Nachlass löst. Da schwappt die Frage über die Köpfe hinweg, ob man als Hitler die Suppe „bösartig löffeln“ oder bei allzu einfühlsamer Darstellung Angst vor sich selbst haben muss. Es wird hemmungslos schwadroniert, von Schauspielern über Schauspieler, die sich selber gegenüber reine „Ausdruckslegastheniker“ seien. „Grau–en–haft!“, sagt der Knatter-King, und das ist ja auch was zum Lachen.
Heimo Essl (Schimpf-Kanonier), Pius Maria Cüppers (Giftspritze) und Jan Ole Sroka („Theater heute“-Abonnent, also Avantgardemaß) spielen volldampfkomödiantisch und durchaus wirkungssicher mit dem schmalen Scherz, den Regisseur Alexander May bei seiner angekündigten Suche nach unkonventionellen Aufführungsorten direkt in die Theaterkantine versetzen sollte. Der Text könnte dort, wo sich Künstler im Leerlauf spreizen, womöglich authentisch erblühen. Dieter Stoll
Vorstellungen: Sonntag 12 Uhr, 7. und 15. jeweils 20 Uhr.
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