Wie ist Bayern auf den Gas-Notstand vorbereitet?

Der Freistaat hängt vor allem am russischen Tropf. Die Füllstände sind niedrig. Kann nun der Nachbar Österreich helfen?
von  Christian Grimm
Die Gasspeicherstation Haidach bei Straßwalchen. Der Speicher gehört zu einem Drittel Gazprom.
Die Gasspeicherstation Haidach bei Straßwalchen. Der Speicher gehört zu einem Drittel Gazprom. © picture alliance/dpa/APA

München - Markus Söder ist beunruhigt und das sollte er auch sein. In der Gaskrise steht der Freistaat schlecht da, schlechter als die Nachbarn in Baden-Württemberg.

Der Ministerpräsident hat deshalb einen Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geschrieben. Darin fordert der CSU-Chef von dem Grünen-Politiker einen Belastungstest für das Gasnetz. Und das nicht ohne Grund: Während Bayern maßgeblich mit Gas aus Russland versorgt wird, hat Baden-Württemberg Verbindungen nach Norddeutschland und ist an französische und belgische Flüssiggasterminals gekoppelt.

Bayern braucht im Winter Reserven aus Österreich

Der Südwesten verfügt außerdem über zwei größere Speicher. Der eine in Sandhausen ist beinahe zu 100 Prozent gefüllt, der andere in Fronhofen nahe Ravensburg zu 47 Prozent.

Im gesamtdeutschen Schnitt waren es am Donnerstag  63 Prozent und damit fast so viel wie im Mittel der vergangenen Jahre.

In Bayern ist das anders: Drei der fünf bayerischen Speicher liegen unter dem Füllstand des aktuellen nationalen Niveaus. Hinzu kommt: Der Freistaat braucht im Winter Reserven aus Österreich. Maßgeblich dafür ist der südlich von Salzburg gelegene Speicher Haidach.

Das Problem: Er gehört zu einem Drittel Gazprom, und diese Reserve wird aktuell nicht befüllt. Insgesamt ist der größte Speicher Mittel- und Osteuropas nur zu einem Drittel gefüllt.

Der CSU-Wirtschaftspolitiker Hansjörg Durz sieht den Fehler bei Robert Habeck in Berlin: "Die Bundesregierung vernachlässigt die Versorgungssicherheit mit Gas in Bayern. Die für Süddeutschland wichtigen Gasspeicher sind deutlich weniger gefüllt als im übrigen Land", sagte Durz der AZ. Er forderte, dass sich die Bundesregierung dringend mit Österreich zusammensetzen müsse, um mehr Gas nach Haidach zu bringen.

"Die Bundesregierung hätte schon längst mit Österreich einen Staatsvertrag schließen müssen", meinte der Abgeordnete aus Schwaben.

Durz zufolge ist derzeit außerdem völlig unklar, ob und wie viel Flüssiggas Deutschland bekommt. Der frühere Unternehmer sitzt im Beirat der Bundesnetzagentur, die derzeit die Gasversorgung in Deutschland eng überwacht und bei Lieferausfall den Brennstoff verteilt.

Habeck bereitet die Deutschen unterdessen zunehmend mahnender auf einen möglichen Engpass im Winter vor. "Wir zahlen einen hohen Preis. Und das ist nicht gesund", sagte er bei Markus Lanz im ZDF.

Bis zu 5.000 Euro mehr für Heizen und Strom

Der Verband der Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW hat Zahlen vorgelegt, wie rapide die Energierechnung emporschnellen wird. Eine vierköpfige Familie wird im besten Szenario, das der GdW jedoch für unwahrscheinlich hält, 1.800 Euro mehr für Heizen und Strom zahlen als 2021. Im ungünstigen Fall sind es über 5.000 Euro zusätzlich. Bisherige Steigerungen summieren sich auf knapp 1.000 Euro.

"Die Situation ist mehr als dramatisch, und der soziale Frieden in Deutschland ist massiv in Gefahr", alarmierte der Vermieterverband.

Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia will derweil zur Verringerung des Gasverbrauchs die Heizungstemperatur der Gas-Zentralheizungen in der Nacht absenken. Die Leistung werde zwischen 23 und 6 Uhr auf 17 Grad Raumtemperatur reduziert, teilte das Unternehmen gestern mit.

Bundesregierung hat mehrere Instrumente zur Verfügung

Habeck versprach, die Gasversorgung mit allen Mittel gewährleisten zu wollen. "Das ist jetzt dieser Moment von ‚Whatever it takes', es wird nicht passieren", sagte er in Anlehnung an Äußerungen des früheren Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi. Dieser hatte ein Auseinanderbrechen der Eurozone verhindert.

Als Instrumente stehen der Bundesregierung die Verstaatlichung von Energieversorgern, milliardenschwere Finanzspritzen für den Gasimport, die Umlage der enormen Zusatzkosten auf alle Gaskunden sowie weitere Zuschüsse an die Verbraucher zur Verfügung. Letztes Mittel der Wahl ist ein Lieferstopp für Industriebetriebe.

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