Wie Behörden, Kommunen und Verwaltung in Bayern sich gegen Kiffer wehren wollen

Das Cannabisgesetz kann im April in Kraft treten. Bis alles Realität wird, was es vorsieht, könnte es aber noch Jahre dauern. Vor allem bei den Anbauvereinen könnte es dauern. Und in Bayern pocht die CSU darauf, Kiffern das Leben so schwer wie möglich zu machen.
von  Bernhard Hiergeist
Das umstrittene Cannabisgesetz kann wie geplant in Kraft treten. Seine Umsetzung wird noch Jahre dauern.
Das umstrittene Cannabisgesetz kann wie geplant in Kraft treten. Seine Umsetzung wird noch Jahre dauern. © Matt Masin/Zuma Press/dpa

München - Mit der vollen Härte des Rechtsstaats wolle man vorgehen – so klingt das bei der CSU oft, wenn es zum Beispiel um ausländische Straftäter geht oder Geflüchtete, die sich um Asyl bewerben. Nun sind Gesetze aber eben Gesetze. Ob harter oder weicher Rechtsstaat: Im Grunde meint die CSU mit ihrem Diktum nichts anderes als: Geltende Gesetze sollen auch angewendet werden.

Nur bei einem Thema hat die Partei schon mehrfach betont, sich nicht mehr an diese Regel halten zu wollen. Nämlich beim neuen Cannabisgesetz, das am 1. April in Kraft trat. Es sieht vor, den privaten Konsum, Besitz und Anbau von Cannabis in Maßen zu erlauben, zudem den geregelten Anbau in Vereinen. Das Gesetz ist zwar im Bundesrat eigentlich nicht zustimmungsbedürftig, hätte aber dort noch gebremst werden können. Die Ländervertreter entschieden sich aber dafür, das nicht zu tun. So konnte das Cannabisgesetz wie von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant in Kraft reten. 

Cannabis-Legalisierung: "Wie lange es dauert, bis die erste Lizenz erteilt ist, steht in den Sternen"

Knallen also die Korken bei den Cannabisfreunden? Den Cannabis Social Club (CSC) München lässt das derzeit noch ziemlich kalt. Denn dort vermutet man: Selbst wenn das Gesetz in Kraft ist, könnte es noch Jahre dauern, bis das, was es juristisch beschreibt, Realität wird. 

Der CSC ist ein ganz normaler Verein nach deutschem Recht und widmet sich der Bildung und Aufklärung zum Thema Cannabis. In der Zukunft soll er dann einmal einen Anbauverein begleiten, für den ab Juni eine Lizenz beantragt werden kann. Theoretisch – denn wie reibungslos die Umsetzung des Gesetzes laufen wird, weiß indes noch niemand.

"Wenn das Gesetz in Kraft ist, soll es ein paar Monate später die Möglichkeit geben, einen Antrag auf Lizenz zu Gründung und Betrieb eines Anbauclubs zu erwirken", sagt Werner Degenhardt, Pressesprecher des CSC München im Gespräch mit der AZ. "Wie lange die Behörden brauchen, bis die erste Lizenz erteilt ist, steht völlig in den Sternen", sagt er.

Das Konzept des Cannabis Social Club gibt es in einigen Ländern

Es gibt einige Länder, die das Konzept der Anbauvereine eingeführt haben, Uruguay etwa oder Spanien. "Auf Malta sind zwei Jahre vergangen, bis der erste Club aufmachen konnte", sagt Degenhardt. "Es kennt sich niemand aus, und die Angst etwas falsch zu machen, ist natürlich riesengroß." Er könne sich nicht vorstellen, dass Lizenzen zügig vergeben werden. 

Und das, obwohl die Auflagen für die Anbauvereine ohnehin schon verschärft worden waren. Selbst innerhalb des SPD-geführten seien die Entwürfe immer strenger geworden, sagt Degenhardt. "Von der Idee des 'Social Club' ist ja nichts übrig geblieben", sagt Degenhardt. Die Anbauvereine dürften anbauen, sollten aber darüber hinaus keine Form des Vereinslebens erhalten. "Es ist schon eine protestantische Gärtnerei, die dem Lauterbach da vorschwebt." Anbauvereine müssen begleitende Auflagen für Prävention erfüllen, dürfen praktisch aber kein Vereinsleben unterhalten. Wie das umzusetzen ist, ist ebenfalls unklar. Möglicherweise im Zusammenspiel mit einem nicht anbauenden Verein wie dem eben schon jetzt existierenden CSC.

Bereitet aktuell eine Kontrolleinheit vor, die den Anbau von Cannabis in Vereinen überwachen soll: Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU).
Bereitet aktuell eine Kontrolleinheit vor, die den Anbau von Cannabis in Vereinen überwachen soll: Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU). © PeterKneffel/dpa

Die Cannabis-Legalisierung wird bei der CSU kritisch gesehen

Protestantische Gärtnerei, das könnte theoretisch dem Franken Markus Söder gefallen. Doch dem geht selbst die noch zu weit. Der bayerische Ministerpräsident von der CSU kündigte schon mehrmals an, das Cannabisgesetz äußerst restriktiv auslegen zu wollen. "Für Bayern kann ich garantieren: Wir werden den härtesten Vollzug aller Bundesländer haben", sagte er kürzlich im Interview mit der AZ. Und die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (ebenfalls CSU) kündigte die Gründung einer eigenen Cannabis-Kontrolleinheit an und beklagte sich über die dadurch entstehenden Kosten. "Das zeigt, welchen personellen und finanziellen Aufwand der Bund mit seinem Cannabis-Irrsinn den Ländern beschert", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. 

Tatsächlich sind einige Punkte in der Umsetzung des Gesetzes noch nicht geklärt, etwa wie viele alte Ermittlungsfälle wieder eröffnet werden müssten. Aber es klingt in Bayern so, als würde das neue Gesetz einen horrenden Mehraufwand mit sich bringen – wo es ja an sich dazu gedacht ist, Cannabis zu entkriminalisieren.

Mithin wird es der deutschen Justiz die Befassung mit Tausenden Cannabisdelikten, die dann eben keine mehr sind, ersparen. Denn die allermeisten Betäubungsmitteldelikte im Land werden mit Cannabis begangen. Zur Wahrheit gehört also auch: Als Reaktion auf ein Gesetz, das entkriminalisieren soll, kündigt die CSU an, allen Menschen besonders misstrauisch begegnen zu wollen, die eine neu geschaffene legale Möglichkeit nutzen wollen.

Angelika Pilz-Strasser, Grüne Stadträtin aus München.
Angelika Pilz-Strasser, Grüne Stadträtin aus München.

Aber auch so sieht das geplante Gesetz schon einige Einschränkungen vor. In Aschheim bei München kann man derzeit beobachten, wie sich eine Kommune mit kreativen Mitteln gegen einen möglicherweise sich ansiedelnden Anbauverein zur Wehr setzt. Da wurde dann flugs ein Spielplatz beschlossen, da im Gesetz um Spielplätze eine Sperrzone von 200 Metern für Anbauverein vorgesehen sei.

"Ich befürchte auch, dass da viele Stolperfallen im Bereich der Genehmigung aufgebaut werden", sagt Angelika Pilz-Strasser, Ärztin und Grünenstadträtin im Münchner Rathaus. Das könne die Suche nach geeigneten Anbauflächen für viele noch erschweren. "Die Leute suchen zusammenhängende Felder, das ist natürlich schwierig in München", sagt Pilz-Strasser. 

CSU "nicht gerade modern" bei der Drogenpolitik

Sie glaubt nicht, dass die Entkriminalisierung zu gesteigertem Konsum führe. "Aber wenn das passiert, muss man die Augen gut offen haben." Die Anbauclubs hätten ohnehin die Pflicht, für Jugendschutz, Aufklärung und Prävention zu sorgen. "Das ist eine Qualität, die wir für München bieten und auch noch ausbauen wollen."

In Sachen Drogenpolitik sei man bei der CSU "nicht gerade modern" aufgestellt. Gegen etwaige Repressalien möchte man, ist das Gesetz erst einmal in Kraft, Anbauvereine unterstützend zur Seite stehen, kündigt Pilz-Strasser an. Damit das geltende Recht auch zur Anwendung kommt. 

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