Wettskandal im Sport weitet sich aus
Hamburg (dpa) - Unmoralische Angebote, neue Sportarten verdächtigt, das erste Geständnis in Deutschland und Bedrohungen von Unbekannten: Der internationale Wettskandal wird immer komplexer.
Die Manipulationsversuche betreffen offenbar nun auch Tennis und Basketball. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» ist auch eine Playoff-Partie aus der Basketball-Bundesliga (BBL) im Juni ins Visier der Bochumer Staatsanwaltschaft geraten. Ohne Akteneinsicht kann die BBL aber nicht tätig werden. Die Fahnder sollen zudem Hinweise haben, dass im April im marokkanischen Fes ein Frauen-Doppel im Tennis verschoben wurde. Im Fußball stieg die Zahl der betroffenen Ligen laut «Spiegel» von neun auf 17 Länder.
Sogar das WM-Qualifikationsspiel am 9. September zwischen Bosnien-Herzegowina und der Türkei sollte manipuliert werden. Der bosnische Trainer habe jedoch ein Angebot von 500 000 Euro abgelehnt. Die Partie, in der beide Mannschaften noch um einen Platz in den Playoffs kämpften, endete 1:1. Der Fußball-Weltverband FIFA will sich auf einer Sondersitzung seiner Exekutive in Kapstadt mit dem Thema Wettskandal befassen.
Mit ersten umfassenden Geständnissen beschuldigter Profis ist in dieser Woche zu rechnen. Patrick Neumann, suspendierter Kapitän des Regionalligisten SC Verl, hat nach Angaben der Zeitung «Westfalen-Blatt» bei der Polizei zugegeben, 500 Euro für zwei manipulierte Spiele angenommen zu haben. Neumanns Anwalt Lutz Klose bestätigte der Zeitung, die Strippenzieher hätten seinen Mandanten massiv unter Druck gesetzt. Vor dem Regionalliga-Spiel Verls bei Gladbach II sei Neumann von einem Mann angesprochen worden, der von ihm verlangt habe, die Partie zu verlieren. Neumann sollte versuchen, weitere Verler Akteure für dieses Vorhaben zu gewinnen. Dafür sei den Spielern zwischen 5000 und 10 000 Euro in Aussicht gestellt worden.
Nach Verls überraschendem 4:3-Sieg gegen Gladbach II soll es vor dem Spiel gegen den 1. FC Köln II an einem geheimen Ort zu einem weiteren Treffen gekommen sein. Dabei seien Neumann unter Androhungen («Wir haben viel Geld verloren und ihr seid dafür verantwortlich») 500 Euro übergeben worden, ohne weitere Optionen zu besprechen. «Man teilte Patrick mit, dass man ihm sonst gewisse Leute zum Training oder zu seinem Arbeitgeber schicken würde», wurde Klose im «Westfalen-Blatt» zitiert, «er war den Kriminellen in dieser Situation einfach gnadenlos ausgeliefert, hatte Furcht und geriet in Panik. Zur Polizei konnte er nicht mehr gehen.» Das 0:1 gegen Köln sei dann eher ein «Zufallsprodukt» gewesen.
Viereinhalb Stunden wurde Neumann von der Kripo vernommen. Sein Mandant sei zurzeit am Boden zerstört, so Klose, zeige aber auch Reue. «Er weiß, dass er vielleicht ein Leben lang gesperrt und wahrscheinlich sein Name im bezahlten Fußball nie wieder auftauchen wird», erklärte der Jurist, «für ihn ist diese Situation sehr schwierig. Er hat Angst vor Repressalien. Wir werden jetzt gemeinsam überlegen, ob er in Kürze noch weitere Angaben machen wird.» Nach «Spiegel»-Angaben will auch ein ehemaliger Zweitliga-Spieler bald vor der Bochumer Staatsanwaltschaft aussagen, wie Mitglieder der Wettmafia ihm ein Darlehen in sechsstelliger Höhe gewährten und ihn später zur Manipulation gedrängt haben sollen.
Für die Wettbetrüger um Ante Sapina haben sich die dunklen Machenschaften mehr als bezahlt gemacht. Allein auf fünf «Sapina-Konten» in Asien sollen Ermittler, so der «Spiegel», 3,5 Millionen Euro gefunden haben. Sapina war als mutmaßlicher Drahtzieher des Korruptionskandals um Schiedsrichter Robert Hoyzer 2005 vom Landgericht Berlin zu zwei Jahren und elf Monaten Haft verurteilt worden. Am 19. November 2009 wurde Sapina in Berlin erneut festgenommen.
Die Manipulationen beim Regionalligisten SSV Ulm 1846 sollen unterdessen auch Spiele der laufenden Saison umfassen. Beim 1:3 am 2. Oktober beim SV Darmstadt 98 und beim 1:3 am 18. Oktober beim SC Freiburg II zu wettbewerbswidrigem Verhalten gekommen sein. «Es wird auch in diese Richtung ermittelt, das ist richtig. Und das muss man wohl auch irgendwo befürchten», sagte Ulms Präsident René Mick der Deutschen Presse-Agentur dpa und bestätigte damit einen Bericht der «Südwest Presse». Ulm hat sich am 27. November von den Spielern Davor Kraljevic, Marijo Marinovic und Dinko Radojevic getrennt und damit auf ihre möglichen Verwicklungen in die Affäre reagiert.
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