"Wenn ihr das macht, dann sind wir weg": Streit um Mega-Hotel-Bau in bayerischem See-Tourismus-Hotspot

Die Familie de Alwis will den Schlierseer Hof neu bauen. Zu groß und wuchtig finden manche. Bald müssen vielleicht die Bürger über den Streit entscheiden.
von  Natascha Probst
So könnte der neue Schlierseer Hof aussehen: Um 55 Millionen Euro geht es insgesamt – 2,57 Millionen Euro hat die Familie bisher schon ausgegeben. Finanziert wird das Ganze laut eigener Aussage über Banken – einen Investor im Hintergrund soll es nicht geben.
So könnte der neue Schlierseer Hof aussehen: Um 55 Millionen Euro geht es insgesamt – 2,57 Millionen Euro hat die Familie bisher schon ausgegeben. Finanziert wird das Ganze laut eigener Aussage über Banken – einen Investor im Hintergrund soll es nicht geben. © Kirchmayr Planung

Schliersee - Es geht ihm nicht um ein oder zwei Meter. "Es geht darum, ob das gut für Schliersee ist oder nicht", sagt Alexander von Schoeler von der Bürgerinitiative Schliersee. Er findet nicht. "Das ist völlig überdimensioniert." Er steht neben dem Hotel Schlierseer Hof auf einem Steg und schaut auf das Gebäude, das seine besten und auch seine guten Jahre schon hinter sich hat. 90 Meter soll das neue Hotel lang werden, sagt er. Fast 40 Prozent höher. Bebauung bis zum Wasser. "Der alte Biergarten wäre dann auch weg."

Dass die Betreiber umbauen müssen, dafür hat er Verständnis. "Das muss man neu machen oder grundlegend renovieren." Aber der Plan der Hoteliersfamilie de Alwis ist ihm zu überdimensioniert, zu wuchtig. "Wissen Sie, wir wollen ja kein Tegernsee sein."

Das Hotel am Schliersee hat so keine Perspektive mehr

Vier Zimmer sind an diesem Dienstag im Schlierseer Hof belegt – 42 stehen leer. Es ist Nebensaison, die dauert hier sechs bis sieben Monate. "Da treffen Sie jetzt vielleicht drei Menschen und einen Hund, wenn sie um den See gehen", sagt Marcel de Alwis. Das Hotel hat aktuell keinen Wellnessbereich, mit dem man die Menschen anziehen könnte. Auch für Schnee im Winter gibt es keine Garantie mehr. 2023 hatte der Familienbetrieb 10,5 Prozent weniger Übernachtungen als 2022.

2006 erwarb die Familie de Alwis das Hotel.
2006 erwarb die Familie de Alwis das Hotel. © privat

So soll es nicht weitergehen, findet Marcel de Alwis – er ist der Sohn der Hoteliersfamilie, der das Unternehmen unbedingt weiterführen möchte. Sein Vater Walter de Alwis wollte eigentlich Schluss machen. Seine Frau hatte die Weltreise schon gebucht, "die war fast schon am Kilimandscharo oben drauf". Trotzdem bleibt er. Was man nicht alles mache für die jungen Leute. 68 Jahre ist er alt, andere gehen mit diesem Alter in Rente. "Und wir könnten uns eine schöne Rente machen, glauben Sie mir das."

Schlierseer Hof: Was macht ein Hotel der Zukunft aus?

Das sieht auch sein Sohn Marcel de Alwis so. Ginge es ihnen nur um das Wirtschaftliche, hätten sie das Hotel einfach verkaufen können, sagt der 25-Jährige. Aber er ist Hotelier durch und durch. Die Hotelfachschule hat er in Österreich absolviert und möchte nun sein heimisches Hotel am Schliersee in die Zukunft führen. Aber was heißt das eigentlich?

Darüber hat Marcel de Alwis sich viele Gedanken gemacht, wie es scheint. Bei dem Treffen im Tagungsraum des Hotels mit Blick auf den von Nebel überzogenen, verlassenen Schliersee zeigt er Bilder von Luxushotels in Dubai. Unterwasserzimmer. Pool im See. Das seien die Sehgewohnheiten unserer Generation, sagt er. "Wir wollen so etwas nicht bauen, aber damit konkurrieren wir." Denn, so sagt auch sein Vater, "die Welt ist kleiner geworden". Durch die günstig verfügbaren Flüge komme man eben leicht überall hin und dagegen kämpfe auch ein Hotel am Schliersee.

Pläne für den Schlierseer Hof: 116 Räume, zwei Restaurants, ein Wellnessbereich 

Doch wie könnte das neue Hotel aussehen? Fünf Etagen sollen über dem Erdgeschoss entstehen. 116 Räume, ein Wellnessbereich und zwei Restaurants sind geplant – ein Theaterrestaurant mit 200 Plätzen und ein asiatisches mit 70 Plätzen. Beides gibt es noch nicht im Ort, man wolle den ortsansässigen Lokalen nichts wegnehmen, sagt Marcel de Alwis. Im Gegenteil: Er glaubt, dass die Gäste auch mal auswärts essen gehen und so die Gastronomie des Ortes antreiben. "Man sitzt nicht immer im Hotel."

Die Bürgerinitiative geht vom Gegenteil aus. Alexander von Schoeler befürchtet, dass weniger Touristen in den Ort kommen. Einige hätten sich schon gemeldet und gesagt: "Leute, wenn ihr das macht, dann sind wir weg." Weil Schliersee dann seinen Charakter verliere.

Bürgerinitiative am Schliersee: Angst vor dem "dunklen Klotz"

83,7 Meter lang soll das Hotel entlang der Straße werden. Wenn man die Überdachung mitrechne, werde man auf die 90 Meter von der die Bürgerinitiative spricht kommen, sagt Marcel de Alwis. Die Firsthöhe liege bei 23,995 Metern. Diese Höhe hatte schon für Ärger gesorgt: Eine Zeit lang wurde darum gestritten, ob nun das Hotel oder die Ortskirche Sankt Sixtus um ein, zwei Meter höher sei oder nicht. "Uns geht es ja nicht um ein, zwei Meter", sagt Walter de Alwis, der neben seinem Sohn im Konferenzraum sitzt und aufs Wasser hinausblickt.

Die Visualisierung der Bürgerinitiative. Hier ist das Holz dunkler als in der Visualisierung der Hoteliersfamilie.
Die Visualisierung der Bürgerinitiative. Hier ist das Holz dunkler als in der Visualisierung der Hoteliersfamilie. © Bürgerinitiative

"Es geht darum, ob das gut für Schliersee ist." Und er glaubt schon. Zwei Mal haben sie die Planungen bereits verkleinert. Kleiner gehe nun nicht mehr, sonst würde es sich nicht mehr lohnen. Doch nicht nur die Größe macht der Initiative Angst: auch die Optik. Der "dunkle Klotz" direkt am Ufer passe nicht ins Ortsbild. Das jetzt in der Visualisierung der Hoteliersfamilie verwendete Holz sei zwar hell, aber Holz werde mit der Zeit dunkler. Walter de Alwis widerspricht. Heutzutage gebe es Mittel, durch die das Holz hell bleibe. Man müsse eben alle fünf Jahre streichen.

Optik ist ihm und seinem Sohn wichtig: Sie wollen die Schlierseer Werte – Natur, Holz, Wasser – in die Architektur integrieren: Die Fassade wurde in Tropfenform gestaltet, die alten Bäume sollen erhalten bleiben. "Ich liebe Gärten", sagt er. Wichtig ist ihnen auch die Umwelt: Mit einem Schweizer Unternehmen planen sie die Nutzung des Seewassers zum Wärmen und Kühlen im Hotel.

Die Hoteliersfamilie will auch den Ort miteinbinden: Statt einer klassischen Rezeption soll es eine Markthalle geben, in der regionale Produkte verkauft werden – für Hotelgäste aber auch Einheimische. Auch das asiatische Restaurant soll für alle Bürger geöffnet sein, genauso wie der Biergarten.

Ob der Plan Hoteliersfamilie de Alwis aufgeht, ist fraglich

Ob der Plan allerdings aufgeht, ist fraglich: "Das ist dann kein Biergarten mehr, sondern eine Hotelterrasse, auf der der Cappuccino acht Euro kostet", sagt von Schoeler. Von den Einheimischen wird der Biergarten allerdings laut ihm schon jetzt nicht besucht: Die gastronomische Qualität sei nicht überzeugend. Derzeit steht das Projekt still. Die Familie will nicht weitermachen, solange nicht klar ist, ob es zu einem Bürgerentscheid kommt. Die Bürgerinitiative sammelt noch Unterschriften, an diesem Wochenende wird ausgezählt, Anfang der Woche steht das Ergebnis fest.

Danach kann die Initiative ihr Bürgerbegehren im Rathaus einreichen. Dann prüft der Gemeinderat, ob es zum Bürgerentscheid kommt. Und es sieht gut aus für die Initiatoren. Sie haben wohl mehr Unterschriften als nötig. Das bestätigt auch der Schlierseer Bürgermeister Franz Schnitzenbaumer (CSU). "Wir freuen uns, wenn investiert wird", sagt er zum Neubau des Hotels. Die Veränderung sei für den Ort verträglich. Er wolle nichts "Halbschariges, was dann wieder nicht funktioniert". Das neue Hotel sei gut für Schliersee.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.