»Wenn der Kronleuchter runterfällt, wird es ernst!«

Ein scheidender Intendant vor der Händel-Premiere: Inszenieren, dirigieren – nur nicht singen! AZ-Interview mit Wulf Konold. Seit 1996 - und "nur" noch bis 2008 - ist der 61-Jährige Generalintendant in Nürnberg.
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Generalintendant und Operndirektor: Wulf Konold, der im Sommer nach zwölf Jahren seine Nürnberger Chef-Positionen abgibt.
Bayernpress Generalintendant und Operndirektor: Wulf Konold, der im Sommer nach zwölf Jahren seine Nürnberger Chef-Positionen abgibt.

NÜRNBERG - Ein scheidender Intendant vor der Händel-Premiere: Inszenieren, dirigieren – nur nicht singen! AZ-Interview mit Wulf Konold. Seit 1996 - und "nur" noch bis 2008 - ist der 61-Jährige Generalintendant in Nürnberg.

Ehe Nürnbergs Staatstheater-Intendant Wulf Konold Ende der Saison sein Amt an Peter Theiler weiterreicht, steigt er nochmal als Regisseur in den Ring. Mit Händels „Alceste oder Die Wahl des Herkules“, einer szenischen Uraufführung mit Sängern, Chor und Schauspielern (ab 16. Februar im Erlanger Markgrafentheater) stößt er den Vorlauf der Gluck-Festspiele 2008 an, die im März noch mehrere Vertonungen (Schweitzer, Gluck) des antiken Stoffes präsentieren.

Herr Konold, wie soll man sich bei so vielen „Alceste“-Varianten zurechtfinden?

WULF KONOLD: Zunächst mal haben wir die Verwirrung erreicht, die zu erwarten war. Wenn die Aufführungen laufen, wird sich das von selbst entzerren, denn es ist ja doch sehr unterschiedlich.

Sie machen den Anfang mit Händels Oper, die noch nie auf einer Bühne zu sehen war. Eine Fundsache?

Einfacher und komplizierter! Das Stück, das 1749 in Purcell-Tradition für Sänger und Schauspieler entstanden war, wurde nie aufgeführt, weil es in London zu dieser Zeit ein Erdbeben gab. Die Musik, die Händel dann teils für andere Werke verwendete, blieb komplett erhalten. Davon gibt es sogar eine Hogwood-CD mit Emma Kirkby. Doch der Text war verschwunden, es blieb nur eine Stunde Klang, mit dem man eine Konzert-Hälfte füllen kann, aber keinen Theaterabend.

Durften Sie den neuen Rahmen also frei erfinden?

Dramaturgin Tina Hartmann und ich haben nachgeforscht, worauf der Text ursprünglich gebaut war, und da fanden wir nicht Euripides, sondern die Vorlage einer Lully-Vertonung. Das passt wie eine Blaupause. Zum englischen Gesang gibt es für die Schauspieler jetzt gebundene Sprache in deutschen Übersetzungen des 18. Jahrhunderts und auf weiterer Text-Ebene den Party-Talk von heute.

Also dann doch sehr frei...

Ja, wir haben uns auch den Spaß erlaubt, das historische Erdbeben mit hineinzunehmen. Wenn der Kronleuchter runterfällt, wird es ernst.

Götter und Menschen, dazwischen der Sonderfall Herkules als beförderter Halbgott und eine Prise Werkgeschichte dazu bis zur Party. Rasen Sie szenisch durch Jahrtausende?

Im Prinzip sind es Figuren von heute, nur die Götter im Urzustand bleiben barocke Theatermasken, sofern sie sich nicht grade als Menschen verkleidet haben. Im übrigen gilt das Händel-Prinzip: Götter singen, Menschen sprechen.

Gibt es einen Händel-Stil, der genau aufs Werk passt?

Nein, die Arien bleiben in der italienischen Opern-Tradition, aber die Chöre haben schon mehr mit Händels späteren Oratorien zu tun. Es sind also zwei Richtungen.

Und Sie stehen auch als Chorleiter auf dem Besetzungszettel. Wie denn das?

Diese Passagen für zwei Quartette übernimmt das Gabrieli-Vokalensemble, das ich 2007 gegründet habe.

Was sind das für Sänger?

Profis aus Berlin, Bremen München, Kassel. Wir arbeiten projektgebunden, bereiten schon die zweite CD vor. Unser Opernchor ist ja so beschäftigt, dass er das nicht übernehmen konnte.

Als Regisseur sind Sie bisher – siehe „Lustige Nibelungen“ und „Giuditta“ – eher im Leichtgewicht angetreten. Ist „Alceste“ ein Fachwechsel?

Der Stoff war schon in der Antike umstritten, weil er nicht nur klassische Tragödie bietet, sondern auch Burleskes. Wir lassen es heiter angehen, aber am Ende bleibt Ausweglosigkeit. Niemand kommt aus der Unterwelt zurück und ist noch der Alte.

Für Sie folgt als nächster Punkt der Abschiedssaison ein Auftritt als Dirigent.

Genau, mit Werken von Strawinsky, Trojahn, Mendelssohn im April im Opernhaus.

Habe ich was verpasst oder gönnen Sie sich da Ihren ersten Nürnberger Pult-Auftritt?

Am Meistersingerball habe ich 1997 schon mal die Philharmoniker dirigiert: „Meistersinger“-Vorspiel und Dalila-Arie mit Gail Gilmore.

Folgt danach noch ein weiterer Konold-Auftritt?

Ein Abschlussfest am 19. Juli mit allen, die auch gehen.

Zu diesem Zeitpunkt haben Sie in Nürnberg gemanagt, repräsentiert, inszeniert, Chor einstudiert, Orchester dirigiert. Bleibt nur noch singen...

Nein, wirklich nicht, ich verspreche es! Da gilt der Befehl so radikal wie für Troubadix: „Nicht singen!“

Dieter Stoll

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