Welcome to the Oberpfalz!

Bis Ende 2010 werden 3500 Soldaten mit ihren Familien nach Grafenwöhr ziehen – der US-Präsident ist der elftgrößte Arbeitgeber im Freistaat. Es wird mehr als eine Milliarde Euro investiert - viele Millionen fließen in die Region zurück. Ein Besuch in der Oberpfalz.
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Bauarbeiten in Grafenwöhr: Nach und nach werden hier 830 Doppelhäuser errichtet - und vieles mehr, was man zum Leben braucht.
Michael Ascherl 4 Bauarbeiten in Grafenwöhr: Nach und nach werden hier 830 Doppelhäuser errichtet - und vieles mehr, was man zum Leben braucht.
Laufbahn für Soldaten: Fürs leibliche Wohl der GIs ist gesorgt.
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Studiert die "Bavarian News": innenminister Joachim Herrmann.
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Solide Bauweise: Die Häuser sind bayerischer Bauart.
Kurt Fuchs 4 Solide Bauweise: Die Häuser sind bayerischer Bauart.

Bis Ende 2010 werden 3500 Soldaten mit ihren Familien nach Grafenwöhr ziehen – der US-Präsident ist der elftgrößte Arbeitgeber im Freistaat. Es wird mehr als eine Milliarde Euro investiert - viele Millionen fließen in die Region zurück. Ein Besuch in der Oberpfalz.

Die bunten Doppelhäuschen mit ihrem wuchtigen Giebel strahlen Frieden aus. Der frisch angesäte Rasen rollt sich dahinter schon wie ein dünner grüner Teppich zur Terrasse. Auf jeder steht ein Grill. Die Jalousien sind noch runtergelassen. Kinder spielen im Garten. Sie können hinüber schauen, auf den Hügel gleich auf der anderen Straßenseite. Hinter den lichten Bäumen ist das Schlachtfeld. Dort herrscht Krieg. Auf 230 Quadratkilometern fahren die schnellen Stryker-Radpanzer auf, wird mit Maschinengewehren und Hellfire-Raketen geschossen. Verwundete und Tote aber gibt es nicht. Denn der Schauplatz ist nicht im Irak. Und auch nicht in Afghanistan.

Gekämpft wird mitten in der Oberpfalz. In Grafenwöhr. Dort, am „Netzaberg“, hat die US-Armee eine ganze Stadt gebaut. Mit allem was dazugehört und 830 Doppelhäusern. Die letzten werden in diesen Tagen bezogen. Die AZ durfte sie besichtigen.

Mehr als eine Milliarde Euro wurde investiert. 700 Millionen kamen von der US-Regierung. 400 Millionen von privaten Investoren. Für die strukturschwache Oberpfalz eine gigantische Investitionsspritze. Für Bayern ist es eines der größten Bauprojekte. Sechs Jahre wurde gebaut.

Hier hätten auch die Olympischen Spiele stattfinden können

„Wenn Peking Probleme mit den Olympischen Spielen gehabt hätte, wir hätten uns als Ausweichquartier anbieten können“, sagt Susanne Bartsch, die Sprecherin der Garnison stolz. Denn hier gibt es fast alles. Einen Leichtathletik-Platz von olympischem Ausmaß. Eine Sporthalle, um die sich im ersten Stock als Galerie auch noch eine Tartanbahn zieht. Für die drei Bahnen gibt es genaue Regeln: Montag, Mittwoch, Freitag und Sonntag muss rechtsrum gelaufen werden. Dienstag und Donnerstag geht's in die andere Richtung, linksrum. In einem riesigen Saal mit meterhohen Fenstern und traumhaftem Blick auf die bewaldeten Hügel befindet sich die moderne Folterkammer, das 15 Millionen teure Fitness Center. Hier trainieren die Soldaten ihre Muskeln.

Die Kantine kann 1800 Mahlzeiten ausgeben. Es gibt Schulen, Kindergärten, Spielplätze, eine Tankstelle mit 24 Zapfsäulen, ein Gemeindehaus, in dessen zweite Etage 2011 auch noch eine Volkshochschule gebaut werden soll. Und: Für 35 Millionen Euro das größte Einkaufszentrum der US-Army in Europa. Eine Shopping-Mall, von der Deutsche nur träumen können - vor allem von den Preisen. Bezahlt wird in Dollar. „Denn jeder US-Soldat bekommt auf der ganzen Welt das gleiche Gehalt“, erklärt Susanne Bartsch. „In dem Einkaufszentrum soll er seine Grundbedürfnisse stillen können.“ Alles von daheim findet er in den Ladenregalen. Nur mit den deutschen Schmankerln hapert’s noch. Extra Stände haben sie eingerichtet, wo lokale Erzeuger ihre Waren anbieten sollen. „Wechselweise immer ein paar Monate“, sagt Susanne Bartsch. Doch das Interesse dafür ist bei den Oberpfälzern offensichtlich gering. Nur das Highlight der neuen Stadt fehlt noch. Der „Chapel-Kongress“, ein Zentrum für alle Konfessionen, soll 2011 der krönende Abschluss werden.

Bisher war Grafenwöhr ein bedeutender Trainingsplatz für Nato-Truppen. Nun soll er zu einem dauerhaften Stützpunkt für die US-Army werden. Sie übt dort für ihre Einsätze im Irak und in Afghanistan. 3500 Soldaten und ihre Familien werden hier leben. Bis Ende 2010 soll die 172. Infanteriebrigade von Schweinfurt nach Grafenwöhr verlegt werden. Die Männer und Frauen sind wie ihre Kameraden vom 2. Stryker Cavalry Regiment im ständigen Einsatz im Irak.

160 Millionen Euro an Gehältern

Rund 2000 Deutsche arbeiten für die US-Streitkräfte. Ihr Chef George W. Bush ist damit in Bayern der elftgrößte Arbeitgeber. Für die Region lohnt sich der Kanonendonner, der Wände und Fenster erzittern lässt. Er bringt die Kassen zum Klingeln: 160 Millionen Euro pro Jahr werden als Gehalt ausgezahlt. Alleine die privaten Ausgaben betragen jährlich 35 Millionen Euro. Dazu kommen täglich 1300 Besucher, die auf dem Truppenübungsplatz beruflich zu tun haben, in den Hotels rund um Grafenwöhr wohnen und in den Oberpfälzer Wirtshäusern essen.

Im nächsten Jahr feiert das „Lager“ – so nennen es die Amerikaner – seinen 100. Geburtstag. 1909 hatte das bayerische Kriegsministerium das Gelände als Truppenübungsplatz ausgesucht. Der Wasserturm aus Fachwerk von damals ist noch heute das Wahrzeichen der Garnison. Während des Ersten Weltkriegs war hier das größte Gefangenenlager in Bayern mit über 20000 Inhaftierten. Auch die Nazis übten hier den Krieg. Am 19. April 1945 besetzten amerikanische Truppen Grafenwöhr. Und blieben. Auch wenn es zwischendurch mit der Zusammenlegung von Standorten Abzugsgedanken gab, die sind nun für die Zukunft passé.

Denn Grafenwöhr und seine neue Stadt am „Netzaberg“ ist eben so wie Amerika. Die Straßen heißen Elvis Presley und John F. Kennedy, George Marshall und Steinway. Sie führen in 25 Metern Entfernung an den Gebäuden vorbei. Ein Sicherheitsabstand. Falls Terroristen mit einer Autobombe doch in das wie eine Festung gesicherte Gelände eindringen könnten, an die Häuser kommen sie nicht so leicht ran.

Deutscher Polizist auf dem US-Stützpunkt

Der Freistaat hat seine zuständigen Polizeidirektionen in Weiden und Amberg personell verstärkt. Zum ersten Mal wurde ein deutscher Polizist auf einem US-Stützpunkt stationiert. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der die Fortschritte auf dem Gelände begutachtet, beschwört die deutsch-amerikanische Freundschaft: Jetzt, nach dem Georgien-Konflikt, wo der Kalte Krieg mit Russland ein Comeback erleben könnte. „Es spricht gerade jetzt nichts dafür, dass die Amerikaner abziehen“, sagt er. Die Architekten seiner obersten Baubehörde haben die Stadt für die Amerikaner gebaut. Elf Haustypen gibt es.

Präsentiert wird dem Minister in der Grünhundstraße 5 das Modell „Minnesota“. Es ist mit 175 Quadratmeter das größte. Im Schlafzimmer sind Einbauschränke. Die Küche ist natürlich mit einem amerikanischen Kühlschrank ausgestattet und einem Ungetüm von Herd. In den riesigen Backofen muss schließlich ein Truthahn passen. Doch von amerikanischer Freizügigkeit, die inzwischen ja auch beim Bau von Wohnungen und Häusern in Deutschland Einzug gehalten hat, ist hier nichts zu spüren.

Die Amerikaner stehen auf deutsche Häuser

Das Haus ist total verwinkelt, die Küche abgetrennt, das Wohnzimmer mit einem extra Gang von der Eingangsdiele und dem Treppenhaus abgetrennt. Denn alles soll dann doch nicht ganz wie daheim sein. So stellen sich die Amerikaner deutschen Wohnungsbau vor. „Wir bauen in jedem Land so wie die Menschen, die dort leben“, sagt James P. Federline, der für die politischen Verbindungen zuständig ist.

Vor Jahrzehnten kam er mit seiner Frau nach Deutschland und blieb. Seine vier Kinder wurden hier geboren. Zwei seiner Söhne blieben hier. Der jüngste kämpft im Irak. Seine Tochter in den USA klagt über Heimweh nach Deutschland und nach den Häuschen aus Stein. „Die haben mir so gefallen“, sagt Federline. Deshalb sei er in Deutschland geblieben. „Ich wollte einfach kein Haus mehr aus Holz.“

Angela Böhm

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