Weil es in Bayern so schön ist: Es entstehen immer mehr Luxushotels – Anwohner protestieren

Im Chiemgau, im Allgäu oder am Schliersee - immer öfter gibt es in Bayern Proteste gegen geplante Luxushotels. Aber genau zu noblen Ressorts geht der Trend, sagt ein Experte.
von  Tobias Lill
Blick auf das Hotel Schlierseer Hof - in einem Bürgerentscheid haben sich die Menschen gegen einen Neubau entschieden.
Blick auf das Hotel Schlierseer Hof - in einem Bürgerentscheid haben sich die Menschen gegen einen Neubau entschieden. © Sabine Dobel/dpa

München - Es soll pompös werden: Das geplante Luxushotel auf dem Schlossberg Oberstaufen könnte ein moderner Palast im Allgäu werden. Ursprünglich sollte es an der höchsten Stelle gut 50 Meter hoch werden. Nach Protesten speckten die Planer zuletzt ab: Der aktuelle Entwurf, der sich am früheren Schloss Staufen orientiert, hat nur mehr einen 37-Meter-Turm. Doch noch immer soll das Hotel 160 Zimmer zählen. Kostenpunkt: gut 70 Millionen Euro.

Mehrere Hundert Gäste sollen dort logieren können - das nötige Kleingeld vorausgesetzt. Das Hotel soll einen noblen Wellnessbereich und eine Tiefgarage sowie ein eigenes Gebäude für das Personal haben. Der Investor bestätigte auf AZ-Anfrage die Eckdaten des Projekts, wollte sich jedoch nicht weiter zu Details äußern.

Bewohner machen mobil

Offenbar ist die Angst bei den Bauherren groß, Öl ins Feuer zu gießen. Denn manche Bewohner der Gemeinde machen mittlerweile gegen das Projekt mobil - sie fürchten um das bislang eher beschauliche Ortsbild. Lokalpolitiker und Gastronomen erhoffen sich dagegen von dem Megaprojekt gute Einnahmen für die Region.

Nicht nur im Allgäu prallten in Bayern zuletzt touristisches Wachstum und die Angst mancher Einheimischer vor einer aus ihrer Sicht drohenden Verschandelung aufeinander. Am Chiemsee macht eine Bürgerinitiative gegen einen geplanten Neubau in Seebruck mobil. Das neue Hotel soll mehr als doppelt so viele Gäste beherbergen und deutlich luxuriöser werden, um das ganze Jahr über lukrativ zu sein.

Was passiert mit dem Luxus-Neubau am Schliersee?

Am Schliersee scheiterten Pläne für den Neubau eines Luxushotels gerade erst an einem Bürgerentscheid - zumindest vorläufig. Der Schlierseer Hof sollte den Bauplänen zufolge künftig mehr als 110 statt der bisherigen 46 Zimmer im vorhandenen Gebäude haben. Aus Sicht von Alexander von Schoeler, Sprecher einer Bürgerinitiative gegen das Projekt, wäre das rund 90 Meter lange und knapp 24 Meter hohe Gebäude "zu groß und zu wuchtig geworden".

Auch anderswo blockierten Einwohner Neubauten oder Vergrößerungen von touristischen Unterkünften. In Lechbruck am See im Ostallgäu stimmten die Einwohner 2021 gegen den Neubau eines Vier-Sterne-Hotels.

2019: Widerstand gegen Fünf-Sterne-Hotel nahe Neuschwanstein

Im wenige Kilometer vom Märchenschloss Neuschwanstein entfernten Füssen zog 2019 ein Investor seinen Plan für ein Fünf-Sterne-Hotel am Forggensee aufgrund des Widerstands zurück. Eines der größten deutschen Fremdenverkehrsprojekte wurde 2021 durch einen Bürgerentscheid in der mittelfränkischen 1600 Einwohner großen Gemeinde Pfofeld zu Fall gebracht: ein Center Parc am Brombachsee. Mehrere Hundert Millionen Euro wollte der gleichnamige Touristikkonzern im Fränkischen Seenland für ein riesiges Urlaubsdorf investieren.

"Der Trend geht zu mehr Luxus - auch in Bayern"

Für den Eichstätter Tourismusprofessor Harald Pechlaner ist klar: "Die Proteste gegen große Hotels nehmen zu." Die Bevölkerung sei "sensibler geworden für den Erhalt der eigenen Heimat".

Auch Thomas Geppert beobachtet seit einigen Jahren vermehrt Proteste gegen Neu- oder Ausbauten von Hotels in Bayern - gerade im Luxussegment. Der Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) ist überzeugt: "Keine Neuerungen bedeuten einen Innovationsstillstand. Die Alpen und die schöne Landschaft reichen als Standortfaktor nicht aus." Wenn man mithalten wolle mit anderen Destinationen, müsse man "auch etwas bieten". "Der Trend geht zu mehr Luxus - auch in Bayern", bestätigt Marco Gardini, Professor für Tourismusmanagement an der Hochschule Kempten. Die Häuser würden "größer, höher, extravaganter und nobler gebaut".

Der Markt verschiebt sich zu größeren Hotels

Wie sein Kollege Pechlaner und der Dehoga beobachtet auch er gerade auf dem Land eine Verschiebung des Marktes hin zu größeren Hotels. Eine wichtige Ursache hierfür ist Pechlaner zufolge, "dass viele kleinere familiengeführte Herbergsbetriebe dichtmachen". Diese würden häufig keinen Nachfolger finden, beklagt Geppert vom Dehoga.

Pechlaner beobachtet "im alpinen Raum den Trend zum Ganzjahrestourismus". Natürlich sei es "deshalb sinnvoll, wenn Hotels verstärkt auf Wellness setzen". Geppert sieht ebenfalls großen Investitionsbedarf, um auch für die Nebensaison attraktiver zu werden. Doch es könne "schwierig werden, die für diesen Wandel nötigen Investoren zu finden, wenn die Betreiberfamilien oder Investoren damit rechnen müssen, am Ende Millionen für Planungen in den Sand zu setzen".

Drei Millionen Euro in Baupläne investiert

Auch am Schliersee bangt nun eine Betreiberfamilie nach eigener Aussage nach dem verlorenen Bürgerentscheid um ihre Existenz. Für den Chef des Schlierseer Hofs, Marcel de Alwis (25), war das Ergebnis ein schwerer Schlag. Rund drei Millionen Euro hat seine Familie in die Baupläne investiert.

Die Visualisierung der Schlierseer-Hof-Pläne.
Die Visualisierung der Schlierseer-Hof-Pläne. © Kirchmayr Planung

"Wir haben immer klar kommuniziert, dass die Fragestellung des Bürgerbegehrens die Neubaupläne des Hotels komplett beenden würde", sagt er. "Viele meinten, dass wir nur pokern wollten und am Ende doch kleiner bauen - aber dies wird leider nicht passieren."

De Alwis beklagt, "dass von den Gegnern vor allem negative Stimmung gemacht wurde". "Ginge es uns nur um die Rendite, hätten wir das Hotel einfach verkaufen können", sagt der 25-Jährige. De Alwis' Familie hatte das Traditionshaus vor 18 Jahren gekauft.

Die Konkurrenz von Österreich bis Dubai ist groß

De Alwis zeigte Interessierten zuletzt gern Fotos von anderen Luxushotels - auch von einem Unterwasserzimmer in Dubai. "Die Menschen können überall hinfliegen", sagt er. "Doch auch ein, zwei Autostunden entfernt gibt es in Österreich zahlreiche extravagante Hotels."

Seine Präsentation enthält etwa ein Bild eines zur Sauna umgebauten Wohnwagens, der über dem Hoteldach thront - direkt neben einem beheizten Infinity-Pool. "Wir wollen kein Dubai oder Kitzbühel sein." Aber dies sei eben der Markt, "mit dem wir konkurrieren".

Mehrfach war De Alwis Kritikern entgegengekommen - etwa bei Höhe und Zimmerzahl. "Doch bei weniger als den jetzt geplanten 112 Zimmern spielen die Banken nicht mit." Eine anfangs geplante Sanierung komme nicht infrage, da diese sogar noch teurer sei. Noch kurz vor dem Bürgerentscheid drohte er: "Wenn wir den Bürgerentscheid verlieren, müssen wir aufgeben." Gut möglich, dass Schliersee bald einen jungen Unternehmer weniger hat.

"Immer auch der Feind des Tourismus"

Experte Pechlaner sagt: "Der Erfolg des Tourismus ist immer auch der Feind des Tourismus." 2019 hatte die Zahl der Übernachtungen in Bayern mit fast 101 Millionen einen neuen Rekord erreicht. 2004 lag der Wert noch bei 69,4 Millionen - ein Plus von gut 45 Prozent in nur 15 Jahren. Zwar brachen die Buchungszahlen aufgrund der Corona-Pandemie ein.

Im vergangenen Jahr kletterte die Summe der Übernachtungen aber erneut auf 100,3 Millionen. Pechlaner geht davon aus, dass die Zahl der Touristen, die nach Bayern strömen, "weiter wachsen wird". Für ihn ist deshalb klar: "Man muss die Urlaubswelt besser mit den Bedürfnissen der einheimischen Bevölkerung in Einklang bringen."

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.