Junge Chefin zum Weltfrauentag im AZ-Interview: "Seid mutig, tut es!"
Schweinfurt - Frauen in technischen oder handwerklichen Berufen sind immer noch eine Seltenheit. In vielen Köpfen herrscht nach wie vor die Meinung, sie könnten das nicht. Zum 30. September 2022 haben laut einer Auswertung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BBIB) über 20.000 Männer eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker begonnen, bei den Frauen waren es nicht mal 1.300.
Auch Anna Meusert, eine junge Frau aus dem unterfränkischen Schweinfurt, musste mit vielen Vorurteilen und Ablehnung kämpfen, als sie die Geschäftsführung des Familienbetriebs nach dem überraschenden Tod ihres Vaters übernahm. Obwohl sie BWL studiert, einen Finance-Master und Erfahrungen als Beraterin im Private Banking hat, sich mit Geld und Zahlen also bestens auskennt. Nun möchte sie andere Frauen ermutigen, es zu wagen.
AZ: Frau Meusert, seit 2020 leiten Sie in Vollzeit die Firma Planen Wehner, die Lkw-Planen, Sonnensegel oder auch Cabrioverdecke anfertigt. War das schon immer Ihr Traum oder ergab es sich durch die kurze schwere Krankheit und den schnellen Tod Ihres Vaters?
Anna Meusert: Vorher mitgearbeitet habe ich nie, ich kannte den Betrieb nur von den Weihnachtsfeiern. Ich habe es aber als Chance gesehen, ein Unternehmen weiterzuführen. Verkauft ist sowas immer schnell, doch ich habe ein Faible für Zahlen und Unternehmensführung und dann habe ich mich zunächst in Teilzeit in die Materie eingearbeitet und geschaut, ob das funktioniert. Auch mit den Mitarbeitern, die ich von klein auf kannte.
"Kunden fanden es ungewöhnlich, dass ich im Chefsessel sitze"
Welche Schwierigkeiten sind Ihnen anfangs als junge Frau begegnet?
Während die Mitarbeiter mir total wohlwollend begegnet sind und mich sehr unterstützt haben, weil sie auch sehr froh waren, dass ich es mache, war es für Kunden und auch Lieferanten sehr ungewöhnlich, dass eine junge Frau jetzt auf dem Chefsessel sitzt.
Welche Reaktionen haben Sie erlebt?
Da gab es einiges. Von "Dieses Mädle da"-Sprüchen ging es bis dahin, dass die Leute gar nicht mit einem reden wollten, weil sie davon ausgehen, dass eine junge Frau schon aus Prinzip keine Ahnung haben kann. Das war schon sehr hart und erschreckend, dass ich gar nicht ernst genommen wurde. Da hatte ich schon mit ganz vielen Vorurteilen zu kämpfen, was ich, ehrlich gesagt, aus meinem vorherigen Beruf bei der Bank gar nicht kannte. Aber sobald es um etwas Technisches geht, herrschen bei einigen noch ganz schön Vorurteile vor.
"Inzwischen kommt ein blöder Spruch zurück"
Wie haben Sie reagiert?
Am Anfang habe ich es schon auch persönlich genommen, es war ja ohnehin eine schwierige Phase. Aber inzwischen kommt von mir ein blöder Spruch zurück, weil man damit anders auch nicht fertig wird. Super ist, dass die Mitarbeiter hier voll hinter mir stehen und auch gleich dagegenhalten, sollte ihnen gegenüber etwas mich Abwertendes geäußert werden.
Haben Sie weibliche Vorbilder, von denen Sie Tipps bekommen haben?
In meinem Umfeld ist es leider eine Rarität, eine junge, weibliche Führungskraft zu sein. Zum Glück konnte ich an einem Cross-Mentoring-Programm vom Landratsamt teilnehmen, wo ich auf eine Frau gestoßen bin, mit der ich mich austauschen konnte. Das war sehr wertvoll in der Phase damals.
"Man müsste schon in der Schule ansetzen"
Es gibt immer noch bestimmte Berufe, die überwiegend Männer ergreifen. Was müsste sich ändern?
Ich glaube, dass es mehr Beispiele braucht. Wir haben jetzt auch erstmals ein Mädchen als Auszubildende. Wenn man sieht, dass Frauen genauso gut anpacken können, bauen sich diese Vorurteile natürlich ab. Deswegen ist es wichtig, transparent zu zeigen, wie es funktionieren kann. Da müsste man schon viel früher ansetzen, in der Schule zum Beispiel. Ich finde es erschreckend, dass in Wirtschaft- und Recht-Büchern Studien zufolge auf 1.000 Schulbuchseiten hundertmal vom "Unternehmer und seiner Ehefrau" die Rede ist, aber nur zwei- oder dreimal kommt "die Unternehmerin" vor. Das schafft eine Prägung, die heute eigentlich nicht mehr sein dürfte.
Welche Ratschläge haben Sie für andere junge Frauen, die überlegen, einen (Familien-)Betrieb zu übernehmen?
Tut es und habt den Mut! Auf jeden Fall sollten sie die Nachfolge positiv antreten. Es macht riesig Spaß und birgt ein unheimliches Potenzial. Also wäre mein Rat zunächst einmal, es zu tun, es zu machen und es sich auch zuzutrauen. Ich glaube schon, dass Frauen eher dazu neigen, an sich selbst zu zweifeln, als es Männer tun. Außerdem würde ich dazu raten, sich ein Netzwerk aufzubauen, um mit anderen Unternehmern und Unternehmerinnen in der Region in Austausch zu treten und Tipps und Tricks gegenseitig voneinander zu lernen. Ein Mentor oder eine Mentorin außerhalb der Familie kann dabei sehr unterstützend sein.
Machen Sie etwas anders als Ihr Vater?
Sicherlich habe ich als junger Mensch das Thema Digitalisierung mehr im Blick, wir haben unsere Marketingaktivitäten stark auf Social Media ausgebaut, wir bieten jetzt innovativere Produkte an. Allgemein glaube ich, dass gemischte Teams für die Unternehmenskultur, gerade auch im Handwerk, sehr vorteilhaft sind. Das wirkt sich positiv auf das Miteinander aus.
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