Interview

Wasmeier über Ukraine-Unterstützung: "Diese Hilfsbereitschaft rührt mich"

Zwei Mal ist Markus Wasmeier seit Kriegsbeginn mit Hilfsgütern in die Ukraine gefahren, 121 Flüchtende konnten in Schliersee untergebracht werden. Der nächste Hilfstransport ist schon in Vorbereitung.
von  AZ
Seit der Ukrainischen Woche in seinem Freilichtmuseum im Jahr 2009 hat Markus Wasmeier (Mitte hinten) viele Freunde in dem vom Krieg gebeutelten Land.
Seit der Ukrainischen Woche in seinem Freilichtmuseum im Jahr 2009 hat Markus Wasmeier (Mitte hinten) viele Freunde in dem vom Krieg gebeutelten Land. © Wasmeier

Schliersee - AZ-Interview mit Markus Wasmeier (58): Die deutsche Ski-Legende engagiert sich aktiv in der Hilfe für die Ukraine.

AZ: Herr Wasmeier, schön, dass Sie sich Zeit für uns nehmen!
MARKUS WASMEIER: In der letzten Zeit steht das Telefon nicht mehr still. Nach einem halben Tag ist der Akku leer...

Schnelle, unbürokratische Hilfe für die Freunde in der Ukraine: Kurz hinter der Grenze werden die Hilfsgüter in Sprinter verladen.
Schnelle, unbürokratische Hilfe für die Freunde in der Ukraine: Kurz hinter der Grenze werden die Hilfsgüter in Sprinter verladen. © Wasmeier

Zuletzt haben Sie mit einem Lastwagen Hilfsgüter in die Ukraine gefahren. Erzählen Sie doch mal!
1.200 Kilometer bis zur Grenze, mit drei Tonnen Material! Das Problem ist dann, die Sachen auch über die Grenze zu bekommen. Man verlässt ja den Schengen-Raum, braucht also perfekte Zollpapiere für die Slowakei, Ungarn, Polen oder Rumänien - und Top-Papiere, um in die Ukraine rein zu kommen. Zum Glück haben wir Beziehungen zum Ministerium, was uns die Türen öffnet. Je nach Grenzübergang kommt dann nach ein paar Kilometern ein großer Umschlagplatz, wo schon viele andere Helfer warten, die Ware rüberbringen: Lebensmittel, Kleidung, wir hatten jetzt vor allem medizinisches Gerät, Funkgeräte und Stromaggregate. Viele Dörfer stehen ja ohne Strom da.

Markus Wasmeier: "Jedes Dorf hat Barrikaden aufgestellt und alte Flinten ausgegraben"

Sie sind einmal von Ungarn und einmal von der Slowakei aus in die Ukraine gefahren - bis nach Lwiw, das jetzt auch bombardiert wird, ist es da nicht mehr weit. Hatten Sie keine Angst?
Direkt an die Grenze werden sie schon keine Rakete hin schießen - weil dann geht's richtig los. Jedes Dorf hat Barrikaden aufgestellt, Betonklötze gegossen und alte Flinten ausgegraben, wie David mit der Steinschleuder. Beeindruckend fand ich, wie schnell die Ukrainer unser Material in Betrieb nehmen konnten: Um ein Uhr mittags sind die an der Grenze losgefahren, waren um fünf Uhr in der Früh in Krasnopilka in der Ost-Ukraine, und schon am Mittag war im Krankenhaus alles parat. Das ist schon geil. Der Grenzübergang nach Ungarn, den wir bei der ersten Fahrt genutzt haben, ist mittlerweile geschlossen. Jetzt wäre der kürzeste Weg für die Ukrainer aus Krasnopilka über Rumänien - dazu müssen wir halt länger fahren, aber das wäre ja nicht so schlimm.

Auf dem Rückweg haben Sie auch aus der Ukraine Flüchtende mit nach Hause gebracht...
Mittlerweile haben wir 121 Ukrainer in Schliersee, allein 60 aus unserem Bekanntenkreis. 2009 haben wir ja mal eine Ukrainische Woche in meinem Freilichtmuseum veranstaltet, und da sind über die Jahre viele Freundschaften entstanden. Die haben wir alle privat untergebracht. Das Problem ist, dass ab 1. Mai viele Urlauber in diese Ferienwohnungen kommen und wir wieder neue Plätze finden müssen. Seit gestern läuft der Schulunterricht für die ukrainischen Kinder: jeden Tag zwei Stunden.

Auf deutsch?
Ja, die Zehnjährigen sprechen schon fließend englisch, sind extrem fleißig, die werden schnell Deutsch-Kenntnisse aufbauen. Das Verrückte ist ja: Die machen immer noch ukrainischen Unterricht! Sitzen in Schliersee vorm Computer und verfolgen online den Schulunterricht, den die in der Ukraine aus dem Bunker senden! Der Wahnsinn, oder? Was haben wir für ein Gschiss gehabt mit dem Homeschooling!

Wasmeier: "Wir waren wirklich schon viel in der Ukraine unterwegs"

Abgesehen von den Hilfstransporten: Wo waren Sie zuvor schon in der Ukraine?
Eigentlich überall, aber viel im Osten, weil einige aus Schliersee ukrainische Vorfahren haben, aus der Zarenzeit Mitte des 19. Jahrhunderts, in Charkow. Das haben wir ausfindig gemacht, sind da vor vier Jahren hingefahren, und die waren total baff, dass es da noch Überlebende von der Familie gibt. Seitdem haben wir da eine enge Verbindung, haben bestimmt schon 20 ausrangierte Krankenwagen und medizinische Anlagen rüber gebracht. Meine Frau ist Taufpatin eines kleinen ukrainischen Mädchens, in der Sophienkathedrale in Kiew habe ich mal eine Ausstellung zur bairisch-ukrainischen Weihnacht gemacht - wir waren wirklich schon viel in dem Land unterwegs.

Markus Wasmeier: "Wir haben eine Art Bürgerbüro eingerichtet"

Ihnen muss doch das Herz bluten, wenn Sie den Fernseher anschalten.
Mir geht's besser, wenn ich mich engagieren kann - was ja zum Glück viele im Land tun, sei es mit kleinen Spenden oder eben mit Transporten. Die Ukrainer kehren ja in der Sekunde wieder zurück, sobald es möglich ist. Die reden jetzt schon vom Aufbau, auch wenn es noch ein halbes oder ein ganzes Jahr dauern kann.

Wie erleben Sie die Hilfsbereitschaft für die Geflüchteten in Schliersee?
Wir haben eine Art Bürgerbüro eingerichtet, wo alle Bürger und alle Ukrainer mit allen Fragen kommen können: Wer kann wo helfen? Was brauchen die Ukrainer am dringendsten? Wo finde ich eine Lehrstelle für meinen ukrainischen Sohn? Diese Hilfsbereitschaft rührt mich direkt! Junge Burschen, die auf eigene Kosten irgendwo aus der Oberpfalz ein technisches Gerät her karren: großartig! Wir sind ja ein Tourismusort - und wir haben extrem viele Zweitwohnungen, die alle leer stehen. Ich denke mir immer: "Mei, es wäre so schön, wenn wir die jetzt füllen könnten..."


Spendenkonto: Wir helfen Menschen e. V., Sparkasse Cham, IBAN: DE32742510200120047154

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.