Was die Europawahl 2019 für Bayerns Parteien bedeutet

München - Nein, aktuell herrscht in Bayern keine echte Wahlkampfstimmung. Die Zahl der Plakate ist deutlich geringer als etwa bei vergangenen Bundestags- oder Landtagswahlen. Dabei geht es am 26. Mai um viel. Von Zukunftswahl ist da die Rede, von einer Abstimmung über Europas Schicksal. Was bedeutet die Wahl für Parteien im Freistaat?
CSU
Für die größte bayerische Partei und ihren Chef Markus Söder geht es um viel, immerhin stellt sie mit Parteivize Manfred Weber den europaweiten Spitzenkandidaten der konservativen Parteienfamilie EVP. Sollte sie stärkste Kraft im EU-Parlament werden, könnte Weber bald Kommissionspräsident werden. Dies würde die CSU europaweit aufwerten, Ansehen und Einfluss immens steigern. Auch ihre Macht in der Union mit der CDU und in der Bundesregierung würde zweifelsohne größer.
Bei einer Niederlage stünde umgekehrt viel auf dem Spiel, auch für Söder, der nun erstmals als Parteichef (mit Weber) hauptverantwortlich wäre. Innerparteilich wäre ein schlechtes Abschneiden unter der 40-Prozent-Marke die dritte Wahlpleite in drei Jahren und eine schlechte Ausgangslage für die bayerischen Kommunalwahlen im März 2020. 2014 landete die CSU bei 40,5 Prozent. Fünf Christsoziale sind seither im EU-Parlament vertreten.
Grüne
Für die Grünen im Freistaat geht es primär um die Frage, ob sie nach der Bundestagswahl und der Landtagswahl ihren Höhenflug auch auf europäischer Ebene fortsetzen und zweitstärkste Kraft im Land bleiben können. Die jüngsten Umfragen sehen dazu gute Chancen, dass das Ergebnis von 2014 (12,1 Prozent) deutlich gesteigert werden kann. Um die 18 Prozent sagen die Institute der Partei voraus, die sich damit für die Kommunalwahlen im kommenden Jahr einmal mehr als große Konkurrenz zu CSU, Freien Wählern und SPD positioniert. Welche Rolle die in Bayern kaum bekannte Spitzenkandidatin Henrike Hahn in Brüssel übernehmen wird, muss sich zeigen.
Freie Wähler
Für die Partei von Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger droht bei der Europawahl einmal mehr ein schwaches Abschneiden fernab der eigenen Ansprüche im Freistaat. 4,3 Prozent hatten die Freien Wähler 2014 erreicht, in den jüngsten Umfragen lag die Partei noch deutlich darunter. Wer Teil einer Landesregierung ist, kann damit nicht zufrieden sein, insbesondere wenn Aiwanger und Co. seit Jahren von Erfolgen außerhalb Bayerns träumen. So gesehen ist die Europawahl nicht nur eine interessante Standortbestimmung nach den ersten Monaten in Regierungsverantwortung, sondern auch ein weiterer überregionaler Lackmustest für die politische Bedeutung.
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SPD
Als bei den bayerischen Sozialdemokraten am Wahlsonntag vor fünf Jahren das rote Diagramm bei 20,1 Prozent stehenblieb, hofften viele Genossen auf das Ende der ewigen Talfahrten. Plus 7,3 Prozent im Vergleich zu 2009 taten dem angekratzten Selbstbewusstsein gut. Heute würde die innerparteilich nicht unumstrittene Landeschefin Natascha Kohnen ein solches Ergebnis mit Kusshand begrüßen, immerhin droht die SPD hierzulande noch weiter in der Versenkung zu verschwinden. Die Spitzenkandidatin Maria Noichl machte im Wahlkampf nur wenig von sich reden – aber eine misslungene Juso-Kampagne zum Dosenwerfen mit einem Bild von Adolf Hitler bescherte ihr Schlagzeilen.
AfD
Für die AfD ist die Europawahl ein zweischneidiges Schwert. Immerhin bewerben sich die Rechtspopulisten um Mandate in einem Parlament, welches sie am liebsten auflösen wollen. Überhaupt ist die EU für die Partei ein einziger Dorn im Auge. Beim Kampf um die Wählergunst muss die Partei in Bayern aber primär mit Gegenwind durch ihr eigenes Verhalten der vergangenen Monate rechnen. In der AfD gibt es einen heftigen Machtkampf zwischen dem rechten Flügel und den letzten verbliebenen gemäßigten Kräften. 8,1 Prozent bekam die AfD 2014, jüngste Umfragen sahen sie nur knapp darüber und damit fernab einstiger Umfragebestwerte. Kostet der interne Machtkampf die AfD Stimmen?
ödp
Auch wenn auf den Wahlplakaten die "Bienenretterin" Agnes Becker zu sehen ist, realistische Chancen auf einen Einzug ins EU-Parlament hat die Verantwortliche des erfolgreichsten Volksbegehrens in der Geschichte Bayerns keine. Listenplatz elf wird nicht reichen, aktuell ist die Partei nur mit einem Abgeordneten im Parlament vertreten: Klaus Buchner. Mit Blick auf die Kommunalwahl ist Beckers prominente Rolle im Wahlkampf aber durchaus klug: So steigen die Chancen, dass die Partei und ihr wohl größter politischer Erfolg noch länger in den Köpfen der Wähler sind.
FDP und Linke
Auch wenn die beiden Parteien FDP und Linke inhaltlich nun wahrlich gar nichts gemein haben, ist ihre Ausgangslage für die Europawahl doch sehr vergleichbar. Beide Parteien kämpfen im Freistaat immer mit der Fünf-Prozent-Klausel – doch da diese auf europäischer Ebene nicht droht, ist es für beide in erster Linie wichtig, künftig weiterhin mindestens einen Vertreter ins EU-Parlament zu entsenden.