"Walk & Talk" mit Ilse Aigner: "Ich habe immer viel geredet"

Ein windiger Nachmittag, eine gut gelaunte und strahlende Landtagspräsidentin, die mit der AZ durch die Maximiliansanlagen wandelt und ihr beeindruckendes Refugium und ihre Lieblingsplätze im denkmalgeschützten Maximilianeum, dem Sitz des Bayerischen Landtags, zeigt. Ilse Aigner (57) erhielt 2009 den Bayerischen Verdienstorden, 2012 die Bayerische Verfassungsmedaille in Silber, 2018 in Gold.
Seit fünf Jahren regiert sie unprätentiös über 290 Mitarbeiter - und hat für jeden, der ihr begegnet, spontan ein herzliches Wort auf den Lippen, vom Pförtner bis zum Passanten auf der Straße.
AZ: Frau Landtagspräsidentin, der junge Mann, den Sie gerade so nett angelächelt haben, wäre jetzt fast vom Fahrrad gefallen - Sie sind schon recht bürgernah, oder?
ILSE AIGNER: (lacht) Das ist mein normaler Umgangston und meine Art. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich vom Land komme, da ist es üblich, dass man sich mit den Leuten, denen man begegnet, unterhält. In der Stadt ist das ja eher nicht so üblich, das habe ich auch in Berlin gemerkt, da erschrecken die Leute eher, wenn man sie anspricht.
Ilse Aigner: "Da ist kein Tag wie der andere - aber lang sind sie alle"
Apropos: Wie sprechen Ihre Mitarbeiter Sie an?
Frau Präsidentin oder nur Präsidentin. Viele nennen mich aus Gewohnheit so, ich persönlich lege da nicht so viel Wert darauf, sehe es eher lockerer und bin mit vielen auch per "du".
Erzählen Sie doch mal, was genau Sie eigentlich machen.
Seit 2018 vertrete ich den Landtag nach außen, auch bei offiziellen Anlässen. Dazu kommt die interne Organisation, die Vorbereitung von Sitzungen und kraft meines Amtes einige Funktionen, zum Beispiel als Vorsitzende des Verwaltungsrats des Bayerischen Rundfunks. Da ist kein Tag wie der andere, aber lang sind sie alle! Mein Wecker klingelt zwischen halb sechs und sieben Uhr morgens - Schlaf ist jetzt nichts, was bei meinem Beruf an erster Stelle steht.

"Das Maximilianeum ist unser Gesicht nach außen"
Im Moment wird im Maximilianeum, Heimat des Bayerischen Landtags, ja gebaut. Was wird genau gemacht?
Das Gebäude ist spektakulär, beeindruckend, denkmalgeschützt. Viele meinen, der Bayerische Landtag sei der Eigentümer. Das ist aber die Stiftung Maximilianeum für begabte Studentinnen und Studenten aus der Pfalz und Bayern. Die Stipendiaten wohnen auch hier in einem Teil des Flügels, und wir sind zur Miete hier. Momentan stecken wir in sehr großen Baumaßnahmen, den umfangreichsten, die es je gab, vom Dach über den kompletten Keller bis zum neuen Besucherfoyer, es werden zusätzliche Sitzungsräume errichtet, Fertigstellung aller Baumaßnahmen voraussichtlich in den nächsten fünf Jahren, das ist eines meiner größten Projekte im Moment! Das Maximilianeum in prominenter Lage ist unser Gesicht nach außen, auch für die vielen Besucher, die hoffentlich bald wieder reinkommen dürfen. Normalerweise finden ja auch Führungen statt, das Highlight ist der Arkadengang auf der Westseite in 30 Metern Höhe mit Blick über die Stadt - mein absoluter Lieblingsplatz!
Und zum Durchschnaufen gehen Sie dann zwischendurch hier in den Maximiliansanlagen spazieren?
Meine Tage sind extrem durchgetaktet; auch Bummeln oder Flanieren in der Innenstadt ist sehr selten drin. Fit halte ich mich, indem ich abends zu Hause auf meinen Hometrainer steige, in meiner spärlichen Freizeit gehe ich auch in die Berge, zum Radlfahren oder zum Skifahren, auch wenn ich mich manchmal lieber dem süßen Nichtstun hingeben würde.
Die Politik ist ja nach wie vor eine Männerdomäne, wie behaupten Sie sich?
Unterschiedlich, bei uns in der CSU ist es noch sehr männerlastig, wir arbeiten aber an einem höheren Frauenanteil, der momentan bei nur 25 Prozent liegt. Übrigens bin ich die einzige Frau unter den zehn Bezirksvorsitzenden. Wahrscheinlich bin ich das aber schon immer gewohnt, ich bin ja als Elektrotechnikerin in einem Männerberuf aufgewachsen. Man darf sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Und sich auch nicht darauf reduzieren lassen, "nur" eine Frau zu sein - sondern muss seinen Mann stehen.
"Handwerklich bin ich noch ganz gut drauf, glaube ich"
Sie selbst leben in Feldkirchen-Westerham und pendeln. Was mögen Sie an München, was nicht so?
Ich würde mal so sagen: Weltstadt mit Herz trifft es nach wie vor gut! So eine liebenswürdige Stadt, man kann auch allein als Frau überall hingehen, die Sicherheit in München ist für eine Großstadt etwas Besonderes. Allerdings würde sich jeder freuen, weniger im Stau zu stehen! Und natürlich ist es inzwischen für Normalverdienende eine Herausforderung, in München eine Wohnung zu finden. Ich glaube, da hat der Vorgänger von Oberbürgermeister Dieter Reiter einiges verschlafen...
Wollten Sie schon immer in die Politik?
Ich hatte schon immer einen politischen Draht, das hat mich brennend interessiert, ich war immer Klassensprecherin, auch Schülersprecherin und bin dann in den Gemeinderat eingestiegen. Eigentlich wollte ich den elterlichen Elektrohandwerksbetrieb übernehmen, bin dann aber in die Hubschrauberentwicklung. Vor 30 Jahren hat es sich ergeben, dass ich hauptberuflich in die Politik einsteige, was mein Leben ist! Handwerklich bin ich aber noch ganz gut drauf, glaube ich.
Verraten Sie bitte mal eine Begebenheit, die bislang noch keiner weiß! Ein Geheimnis...
(überlegt) Na, gut, ich habe schon immer zu viel geredet! Nachdem ich die jüngste von vier Töchtern bin, habe ich mich auch in dieser Hinsicht schon früh durchsetzen müssen, bei mir durch reden und plappern. Das ging sogar so weit, dass der Nikolaus, da war ich etwa vier Jahre alt, mir ein Vorhängeschloss unter die Nase hielt und sagte: "Das kommt verschlossen an deinen Mund, wenn du weiterhin so viel redest." Das hat mich natürlich schwer beeindruckt - aber genützt hat es nichts, gar nichts! (lacht)

"Für alles gibt es eine Lösung - man muss sie nur suchen"
Verraten Sie uns auch Ihr Lebensmotto?
Ein festes Motto habe ich nicht, eher eine Lebenseinstellung. Für mich ist ein Glas nie halb leer, sondern halb voll. Ich bin grundsätzlich ein positiver Mensch, fröhlicher und humorvoller Mensch, kann auch ganz gut über mich selbst lachen. Für mich gibt es in jeder noch so schwierigen Situation immer auch einen Lichtblick. Für alles gibt es eine Lösung, man muss sie nur suchen, auch darin bin ich ganz gut.