Wahl-Krimi auf Evangelisch: Wahl zum Landesbischof abgebrochen

So eine Situation hat es noch nie zuvor gegeben: Auch nach insgesamt sechs Wahlrunden wird kein neuer Landesbischof und keine Landesbischöfin gefunden. Die Abstimmung wird abgebrochen.
Leonie Fuchs |
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Zwischen ihnen sollten die Synodalen zum Schluss wählen: Kopp und Lubomierski - doch keiner der beiden wird neuer Landesbischof.
Zwischen ihnen sollten die Synodalen zum Schluss wählen: Kopp und Lubomierski - doch keiner der beiden wird neuer Landesbischof. © Sven Hoppe/dpa

München - Dieser Wahltag soll ganz im Zeichen des Aufbruchs stehen - das wird schnell deutlich, als die Orgel verstummt und die Morgenandacht gesprochen wird. "Jeder Tag, jeder Weg ist neu. Auch dieser Tag ist so ein Weg, der heute viel verändert wird in der Kirche", heißt es darin. Doch wird auch ein neuer Pfad eingeschlagen? Bekommt Bayern beispielsweise erstmals eine Landesbischöfin?

Prickelnde Spannung bei der Wahl des Landesbischofs

Die Spannung im Saal der St. Matthäuskirche in München ist am Montag spürbar. Die Synode der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) wählt aus vier Kandidaten den Nachfolger oder die Nachfolgerin des scheidenden Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm.

"Mit dieser Wahl stellen wir die Weichen für die Landeskirche in den kommenden zehn Jahren", sagt ELKB-Präsidentin Annekathrin Preidel bei der Begrüßung. Die Kandidaten: Gabriele Hoerschelmann (55), Co-Direktorin von Mission EineWelt, der Regionalbischof im Kirchenkreis München, Christian Kopp (58), die Dekanin in Landshut, Nina Lubomierski (47), und der Dekan in Windsbach, Klaus Schlicker (56), würden gerne an der Spitze der Landeskirche mit rund 2,2 Millionen Mitgliedern stehen.

Vier Kandidaten, vier Möglichkeiten

Die vier bilden unterschiedliche inhaltliche Konzepte und geistliche Prägungen ab, doch betonten vorab auch Gemeinsamkeiten: So müsse Kirche mit und bei den Menschen sein, wie es Lubomierski ausdrückte.

Doch bevor Bedford-Strohms Nachfolgerin oder Nachfolger feststeht, muss zunächst gewählt werden – in einem intensiven Auswahlprozess. "Gewählt ist, wer im ersten oder zweiten Wahlgang eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen aller Synodalen erhalten hat", erläutert Preidel. Steht dann kein Gewinner fest, folgen bis zu drei weitere Runden. Zwischendrin kann in den jeweiligen Arbeitskreisen der Kandidaten beraten werden.

Erster Wahldurchgang nach Schweigeminute

Votiert wird erstmals elektronisch. Nach einem Probewahlgang kann es losgehen. Doch zunächst wird noch ein Kanon angestimmt: "Schweige und höre, neige deines Herzens Ohr, suche den Frieden." Es folgt eine Schweigeminute, dann wird gewählt. "Jetzt geht es los", flüstert ein Besucher in den Reihen. Wildes Durcheinandergetuschel ertönt im Saal. Über dem Altarbereich, wo unter anderem die Präsidentin sitzt, hängt an der Decke ein blassblauer Jesus am Kreuz.

Im Saal ist es still, die Teilnehmer blicken gebannt auf die Leinwand, wo jeden Moment das Ergebnis eingeblendet wird. Der Wahlausschuss prüft dieses. 106 von 108 stimmberechtigten Synodalen sind anwesend. Doch beim ersten Wahlgang wird nicht die nötige Mehrheit von zwei Drittel – das wären 72 Stimmen – erreicht.

"Die Zeit ist reif für eine Bischöfin, das wäre ein Zeichen"

Auch nach einem zweiten und dritten Wahlgang – jetzt sind nur noch 55 Stimmen zum Sieg nötig – kann keine neue Spitze gekürt werden. Immer wieder beraten sich die Arbeitskreise, im großen Stuhlkreis oder in kleineren Gruppen. "Es ist wirklich spannend", sagt die Landshuterin Lubomierski zwischendurch zur AZ. Bei der Vorstellung vor einigen Tagen hatte die jüngste Kandidatin gesagt, dass sie für Vielfalt und Aufbruch stehe.

Hört auf: Heinrich Bedford-Strohm.
Hört auf: Heinrich Bedford-Strohm. © Armin Weigel/dpa

"Die Zeit ist reif für eine Bischöfin", so Präsidentin Preidel zur AZ. "Es wäre ein starkes Zeichen in die Gesellschaft hinein." Doch Kopp etwa stehe für Teamgeist und Zusammenhalt – auch das sei ein tolles Signal. Dann waren es plötzlich nur noch zwei: Vor dem vierten Wahlgang gibt Hoerschelmann bekannt, dass sie ihre Kandidatur zurückzieht. "Ich habe mir gesagt, es macht nach drei Runden als Schlusslicht keinen Sinn mehr." Nach einer vierten Abstimmung wirft auch Klaus Schlicker hin: "Ich möchte allen danken, die mich bisher unterstützt haben."

Ein richtiger Wahl-Krimi

Der Wahl-Krimi der Evangelen geht also in eine fünfte Runde – und dann in eine weitere. Wieder greifen die Synodalen zu ihren Handys, um sich für einen der übrigen Kandidaten zu entscheiden. Jetzt sind nur noch Lubomierski und Kopp im Rennen. Doch auch das fünfte Ergebnis ist ernüchternd: 51 zu 51 Stimmen, vier Enthaltungen. Ebenso das Sechste: Lubomierski erhält 50 Stimmen, Kopp 52. Wieder enthalten sich vier Personen.

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Damit steht nach über acht Stunden und einem sechsten Wahlgang fest: Keiner der vier von der Kommission vorgeschlagenen Kandidaten wird auf Bedford-Strohm folgen. Der sagt direkt im Anschluss: "Also sechs Wahlgänge habe ich ja schon erlebt vor zwölf Jahren." Aber so etwas habe es in der Geschichte der Landeskirche seines Wissens noch nicht gegeben. Doch Demokratie bedeute eben auch Situationen wie diese. "Wir werden mit ihr umzugehen wissen." Der am Anfang beschworene Aufbruch lässt damit wohl noch etwas auf sich warten.

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