Vor 25 Jahren: Max Streibls Ferienflüge ins Verhängnis - Bayerns Amigo-Affäre

München - "Diesen Schritt tue ich nicht, weil ich dem Freistaat Bayern in irgendeiner Weise geschadet hätte." Mit diesen Worten erklärte Ministerpräsident Max Streibl (CSU), der dem 1988 gestorbenen Franz Josef Strauß nachgefolgt war, am 27. Mai 1993 im Landtag seinen Rücktritt. Nichts sei dran an all den Vorwürfen, die ihm eine unzulässige Verquickung von privaten und politischen Interessen nachgesagt hatten, behauptete er. Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Albert Schmid, wünschte dem Abtretenden noch eine schöne Reise – auf eigene Kosten. Am Sonntag jährt sich Streibls Rücktritt zum 25. Mal.
Mit ihm endete eine Affäre, die Bayerns Demokratie erschütterte. Sie gehörte in ein "altes System", analysierte später der Passauer Politologe Alf Mintzel: Ohne Verfilzung der Eliten wäre der Umbau des Agrarlandes zum Industriestaat nicht möglich gewesen.
In den Jahren 1983, 1985 und 1987 hatte sich der damalige Finanzminister und stellvertretende Ministerpräsident von einem Schulfreund, dem Mindelheimer Flugzeugbauer Burkhart Grob, zu drei Reisen einladen lassen. Zweimal ging es mit Familienanhang zur Hazienda des Allgäuer Industriellen nach Brasilien, wobei alle Flüge und der Aufenthalt für ihn frei waren. Ein drittes Mal durfte Streibl auf Kosten des Amigos nach Kenia fliegen.
Warum hätte er denn die Einladungen eines Freundes, der immerhin 1.600 Arbeitsplätze gesichert habe, ausschlagen sollen, wo doch auch der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt sich von einem Hamburger Unternehmer zu Segeltörns habe einladen lassen? So der Gerügte. Er sei nicht bestechlich.
Schon vorher ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Burkhart Grob
Bald wurde bekannt, dass der von Max Streibl geführte CSU-Kreisverband Oberbayern eine Spende von gut 100.000 Mark von Burkhart Grob bekommen hat. Und dass der Mindelheimer bei der Bonner Staatsanwaltschaft schon einmal im Verdacht von Schmiergeldzahlungen stand, nachdem er vom Verteidigungsministerium – trotz Bedenken von Militärs – den Zuschlag für das drei Milliarden Mark teure Aufklärungsflugzeug "Lapsas" erhalten hatte. Die Opposition vermutete jedoch einen Zusammenhang zwischen den "Amigo-Reisen" und der für 1984 geplanten Neuordnung des "militärisch-industriellen Komplexes" im Freistaat.
Grob wollte damals 24,5 Prozent der Anteile der von Flick zum Verkauf angebotenen Panzerschmiede Krauss-Maffei und sogar einen Aufsichtsratssitz übernehmen. Und Bayerns Finanzminister hatte bei der Besetzung von Aufsichtsgremien in der Rüstungsindustrie durchaus mitzusprechen.
Der Mittelständler bekam denn auch ein staatliches Darlehen über die Bank für Aufbaufinanzierung, deren Aufsichtsratsvorsitzender hieß Max Streibl.
Edmund Stoiber gibt seinen Urlaubsflug auf Staatskosten zu
Im Gegensatz zu seinem baden-württembergischen Kollegen Lothar Späth, der auf ähnliche Vorwürfe recht schnell durch Rücktritt reagiert hatte, konnte sich der "Sunny Boy" der CSU trotzdem noch lange in der Gunst seiner Partei sonnen.
Immerhin fühlte er sich weiterhin so stark, dass er die Delegierten eines Parteitags mit einem fröhlichen "Saludos Amigos!" begrüßte, was freilich nicht alle lustig fanden.
Als Umfragen zur Herbstwahl eine Dämmerung der CSU auf unter 40 Prozent anzeigten, die Affäre nicht aus den Schlagzeilen kam und obendrein ein Untersuchungsausschuss drohte, geriet der Oberammergauer, der sich im Neubau der Staatskanzlei einen Herrgottswinkel hatte einrichten lassen, in eine ausweglose Lage.
Einen Tag nach seinem längst erwarteten Rücktritt wählte der Landtag den Innenminister Edmund Stoiber zum Nachfolger. Dieser war clever genug gewesen, sich beizeiten aus der Amigo-Affäre zu ziehen. Am 13. Februar berichtete Stoiber, dass er 1987/88 als Chef der Staatskanzlei nicht nur vier halbdienstliche Flüge mit den Jets des halbstaatlichen Konzerns MBB unternommen hatte, sondern auch einen ganz privaten Urlaubsflug. Das "Kraftwerk Strauß" habe ihn auch in den Ferien partout um sich haben wollen, wenn möglich samt Familie. Stoiber mit Blick auf Kritiker in seiner Partei: "Man zeige mir einen, der keine Fehler gemacht hat."
Max Streibl starb am 11. Dezember 1998 mit 66 Jahren nach einem Herzanfall in seiner Münchner Wohnung. Der Beitrag basiert auf dem "Weißblauen Schwarzbuch" (Volk Verlag) von AZ-Autor Karl Stankiewitz.
Lesen Sie auch: Wer bedient, ist arm dran: Mindestlohn-Alarm in der Gastro