Von Tricksern und Transrapid-Lyrik

Prestigeobjekt oder Sachthema, von "Bonzenschleuder" war die Rede und vom Zehn-Minuten-Shuttle: Im AZ-Streitgespräch zum Transrapid saßen Engelbert Kupka (CSU) und Franz Maget (SPD) einander unversöhnlich gegenüber.
AZ: Die CSU-Landtagsfraktion hat Sie, Herr Kupka, zum Sonderbotschafter für den Transrapid ernannt. Und Sie, Herr Maget, blasen als Oppositionsführer zum Volksentscheid über die Schwebebahn. Bayern scheint das Mega-Thema für die anstehenden Wahlkämpfe gefunden zu haben.
FRANZ MAGET (SPD): Die SPD lehnt eine Transrapid-Strecke vom Hauptbahnhof zum Flughafen geschlossen ab. Das würde zwei Milliarden Euro Steuergelder kosten. Bei einer solch enormen Summe ist es richtig, sich genau zu überlegen, ob es nicht bessere Alternativen gibt. Und dass sich die Bürger an der Entscheidung beteiligen können, etwa über ein Volksbegehren.
ENGELBERT KUPKA (CSU): Es ist erstaunlich, dass es für die SPD als Wahlkampfthemen praktisch nur Transrapid und Mindestlohn gibt. Es ist die große Schwäche der SPD, dass sie immer wieder von Unterschriftenlisten und Protesten auf Wählerstimmen schließt. Für die CSU ist der Transrapid ein Sachthema von großer wirtschaftlicher und verkehrspolitischer Bedeutung für ganz Bayern.
MAGET: Ihre Polemik können Sie sich sparen. Sie machen eine miserable Bildungspolitik. Sie machen eine hinterwäldlerische Familienpolitik, Sie haben ein veraltetes Frauenbild. Auch in diesen Themen sind wir präsent. Aber der Transrapid ist ein großes Thema in der Öffentlichkeit, und es ist eine Selbstverständlichkeit, dass sich die Menschen an diesem Streit beteiligen wollen. Als wir zur Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren aufgerufen haben, haben die Menschen das Münchner Rathaus gestürmt. Sie wollen, dass die Menschen ihren Willen nicht zum Ausdruck bringen dürfen. Deswegen haben Sie auch die Hosen voll vor einem Volksbegehren.
Das Thema zu lange SPD und Grünen überlassen
KUPKA: Nein. Aber bei Ihnen kann es bald soweit sein. Richtig ist, dass Industrie, Bahn und Politik das Thema Transrapid zu lange SPD und Grünen überlassen haben.
MAGET: Aha, jetzt üben Sie Kritik an der Münchner CSU. Die hätte doch die Möglichkeit gehabt, Stellung zu nehmen.
KUPKA: Lassen Sie mich ausreden, bevor Sie mir Recht geben. Sie haben beim Transrapid Ihre Meinung gewechselt wie ein Hemd, haben die Leute getäuscht und getrickst wie ein Taschenspieler. Jetzt versuchen Sie, das ad acta zu legen, was Sie einmal im Landtag gesagt haben.
MAGET: Aber bitte zitieren Sie meine Rede vollständig. Meine Position war von Anfang an klar: Ich bin kein Gegner der Technologie Transrapid. Es kann durchaus eine Strecke geben, wo das sinnvoll ist. Aber die jetzt geplante Trasse ist das nicht.
KUPKA: Im Jahr 2000 sind Sie von Oberbürgermeister Ude sehr für Ihren Vorstoß gelobt worden, den Transrapid über die Neue Messe und den Ostbahnhof zu bauen.
MAGET: Das haben Sie nicht aufgegriffen.
KUPKA: Ziehen Sie den Kopf nicht schon wieder aus der Schlinge. Ude und Sie haben sich damals rückhaltlos für den Transrapid ausgesprochen, obwohl schon damals die von Ihnen favorisierte Trasse vom Tisch war.
Unsolide, wie Sie mich zitieren
MAGET: Sie sagen nicht die Wahrheit.
KUPKA: Es kommt noch besser: Ude hat damals gewürdigt, dass die Mittel für den Transrapid zusätzlich von der Bundesregierung kämen, während alle Investitionen in einen besseren S-Bahn-Anschluss auf Kosten der Mittel für die gesamte Region gehen würden. Davon wollen Sie nichts mehr wissen? Das halte ich für unsolide. Sie sind umgefallen!
MAGET: Unsolide ist die Art, wie Sie zitieren. Sie zitieren aus einem Teil meiner Rede den anderen Teil unterschlagen Sie. Ich habe schon 2003 der Strecke, die sie jetzt durchziehen wollen, eine Absage erteilt. Ich war mit Ihrem damaligen Münchner CSU-Chef Johannes Singhammer bei Wirtschaftsminister Wiesheu. Beide haben wir gesagt, dass diese Trasse für uns nicht in Frage komme. Wir hatten gute Gründe, und es sind viele hinzugekommen.
KUPKA: Stimmt nicht. Das ist eine falsche Aussage.
MAGET: Das Projekt ist von verkehrlich geringem Nutzen. Es ist extrem aufwändig, was die bauliche Realisierung betrifft: Sie müssen kilometerlang untertunneln. Ihre eigene Partei fordert sogar die Komplettuntertunnelung auf Stadtgebiet.
KUPKA: Das ist doch Transrapid-Lyrik, was Sie hier machen. Mit den Fakten hat das nichts zu tun.
MAGET: Sie lösen Kosten aus, die ich für unüberschaubar halte. Ich glaube auch die Zahl 1,85 Milliarden Euro nicht. Ich halte das für ein Finanzabenteuer. Auch die Bürger sehen das so. Daher wollen sie sich darauf nicht einlassen, es sind ihre Steuergelder.
"Sie sind beide Wendehälse"
KUPKA: Ich lasse Sie nicht aus dem Schwitzkasten. Es geht Ihnen nicht um eine bestimmte Trasse, es geht um den Transrapid. Den wollen Sie einfach nicht!
MAGET: Darum geht es gerade nicht. Es geht mir um das Problem, dass Sie das jetzt konkret vorliegende Projekt mit aller Gewalt durchsetzen wollen gegen den Willen der Bürger.
KUPKA: Ude und Sie haben sich damals für den Transrapid zum Flughafen eingesetzt. Sie sind beide Wendehälse. Die SPD läuft dem OB blind und kritiklos nach. Dagegen war die CSU-Fraktion unter Stoiber geradezu ein Revolutionskomitee. Sie haben den Transrapid als Bonzenschleuder verunglimpft. Und mit Ihrer Lärmhysterie haben Sie auch die Express-S-Bahn nahezu tot gemacht. Was meinen Sie, was die Menschen Ihnen bei der lauten Rad-Schiene-Technik erzählen würden. Jetzt schwadronieren Sie über den angeblich ohrenbetäubenden Lärm des Transrapid und sagen, die CSU-Bürgermeister würden das auch so sehen. Meinen Sie, die könnten sich im Wahlkampf Ihrer Polemik entziehen? Ich ziehe meinen Hut vor Josef Schmid, der sich als OB-Kandidat diesem Druck nicht gebeugt hat.
MAGET: Da stellen Sie den CSU-Bürgermeister in der Region aber ein schlechtes Zeugnis aus. Sie dürfen denen schon zutrauen, dass die aus Überzeugung gegen den Transrapid sind. Die CSU-Staatsregierung in ihrer großen Weisheit hat beim Bau des Flughafens eine zukunftsfähige Verkehrsanbindung leider versäumt. Die naheliegende Alternative ist jetzt die Verbesserung auf dem bestehenden S-Bahn-System. Die Express-S-Bahn ist auf jeden Fall billiger zu haben.
KUPKA: Das ist leider wieder nicht die Wahrheit. Die Express-S-Bahn wäre weder verkehrlich noch finanziell eine Verbesserung. Die Straßen um München herum sind wie verstopfte Herzkranzgefäße. Wir stehen vor einem drohenden Verkehrsinfarkt. Da brauchen wir einen Bypass, der den Verkehr wieder fließen lässt.
MAGET: Eine Express-S-Bahn zum Flughafen hätte den zusätzlichen Vorteil, dass sie wenige, aber doch einige Haltepunkte hätte und so Umsteigemöglichkeiten schafft. Etwa am U-Bahnhof Feldmoching oder am Ostbahnhof.
KUPKA: Der Transrapid ist nicht primär dafür gedacht, städtische Verkehrsprobleme zu lösen. Die Umsteigequoten vom Fernverkehr sind hundsmiserabel, weil der S1- und S8-Betrieb für diese Passagiere uninteressant ist. 44 Prozent der Menschen fahren heute mit dem Auto zum Flughafen. Und die wollen wir zur Bahn. Das schaffen Sie mit Ihrer Bummelbahn nicht.
MAGET: Jemand, der aus Niederbayern zum Flughafen will, wird auch dann nicht mit dem Zug fahren, wenn es einen Transrapid gibt.
Express-S-Bahn nur eine Idee
KUPKA: Beim Transrapid haben wir einen Shuttlebetrieb. Da brauchen Sie nicht auf den Fahrplan zu schauen, der ist in zehn Minuten am Flughafen. Ihre Express-S-Bahn ist derzeit nur eine Idee. Es dauert zwei bis drei Jahre, um Planfeststellungsunterlagen zu erstellen, vier Jahre, bis das Baurecht da ist. Die Bauzeit beträgt noch mal fünf Jahre. Zudem ist dafür die zweite Stammstrecke notwendig, die nicht vor 2020 fertig sein dürfte.
MAGET: Es gibt einen Planungsvorschlag der Landeshauptstadt München, allerdings noch kein Planfeststellungsverfahren. Das liegt am Widerstand der Staatsregierung, die sich stur und blind an den Transrapid klammert und keine der möglichen Alternativen verfolgen will.
KUPKA: Der Transrapid ist unabhängig von Unfällen auf der Stammstrecke, hat eine eigene Trasse. Nur über den Transrapid bringen wir eine bedeutende Anzahl von Autofahrern auf die Schiene. Und Sie sprechen vom Milliardengrab . Wenn der Transrapid nicht kommt, fließen die 925 Millionen Euro aus Berlin wieder in den Bundeshaushalt zurück. Zudem würden wir Arbeitsplätze exportieren und China vom Technologiekopierer zum Technologieführer machen.
MAGET: Sie sagen den Münchnern doch: Wenn ihr den Transrapid nicht wollt, dann verhungert halt. Entweder ihr nehmt die zwei Milliarden Euro für das teure Prestigeprojekt an oder ihr kriegt gar nichts.
KUPKA: Das ist eine unglaubliche, unlautere Unterstellung.
MAGET: Wir sind doch zusammen in der großen Koalition. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam zu Finanzminister Steinbrück gehen und ihn bitten, einen Teil der 925 Millionen Euro Bundesmittel für eine andere Flughafenanbindung verwenden zu können.
KUPKA: Diese Mittel sind zweckgebunden für den Transrapid. Eine Express-S-Bahn ist kein Leuchtturmprojekt. Der Freistaat müsste 410 Millionen aus den ÖPNV-Mitteln aller Kommunen nehmen, um sie nach München zu pumpen. Weil das nicht geht, kommen Sie mit einem verfassungswidrigen Volksentscheid.
"Die Arroganz der Macht"
MAGET: Dass wir in kürzester Zeit so viele Unterschriften zusammenbekommen haben, ist Ausdruck des Bürgerwillens. Jetzt kommt es darauf an, ob der Bürger seinen Willen zum Ausdruck bringen darf. Oder ob die Arroganz der Macht sagt: Nein, das geht nicht. Ich kenne kaum einen Volksentscheid, der nicht haushaltswirksam war.
KUPKA: Ein Volksentscheid ist nur für oder gegen ein Gesetz zulässig. Es gibt aber kein Transrapidgesetz. Wenn Sie also der Meinung sind, das im Haushalt für den Transrapid vorgesehene Geld muss da raus, müssen Sie im Parlament einen Antrag stellen. Wenn Sie dafür keine Mehrheit finden, können Sie die nicht durch einen Volksentscheid ersetzen. Aber vor einem Volksentscheid habe ich keine Angst: Wer in der Demokratie vor einer Stimmabgabe der Bürger Angst hat, der ist fehl am Platz.
Moderation:
W. Bock, M. Jox