Von den eigenen Eltern entführt

Seit einem Jahr kämpft die Pflegemutter um die Rückkehr der zweijährigen Fatma
REGENSBURG Ihr Kinderzimmer ist unberührt, die Puppe liegt immer noch dort, wo Fatma (alle Namen geändert) sie hingelegt hat. Ein Jahr ist es am 30. Dezember her, dass die Zweijährige unter mysteriösen Umständen von ihrer leiblichen Mutter aus Regensburg entführt und in die Türkei zur Familie ihres leiblichen Vaters gebracht wurde. Seitdem kämpft Pflegemutter Lisa Katter um die Rückkehr des Mädchens in die Oberpfalz.
Dort wohnen vier Generationen unter einem Dach oder nur einen Steinwurf entfernt. „Wir sind eine echte Großfamilie“, sagt Lisa Katter. Und alle vermissen Fatma. Vor allem ihr sechs Jahre alter Bruder Paul. „Die beiden haben sich auch ohne Worte gut verstanden. Wir versuchen ehrlich mit ihm zu sein, haben ihm erklärt, wo sie ist und dass wir hoffen, dass sie bald zurückkommt. Aber auch, dass wir es nicht versprechen können.“ Im ersten Anlauf war die Familie im April beim Regensburger Familiengericht gescheitert. Die Richterin entschied auf Grund eines psychologischen Gutachtens, dass Fatma in Izmir bleibt. Eine Rückkehr würde sie zu sehr belasten.
Doch es gibt auch Gegenstimmen. Eine andere Psychologin glaubt, dass gerade die Trennung von ihrer Pflegemutter Fatma traumatisiert habe. Das Jugendamt hatte die Katholische Jugendfürsorge (KJF), die den Fall betreut, bereits aufgefordert, Fatma zurückzuholen. Ohne Erfolg.
Lisa Katter brach in Tränen aus, als das Urteil verkündet wurde. Doch ans Aufgeben hat sie nie gedacht. Ihre Anwältin erklärte noch am Tag der Verkündung: „Bei dem Urteil stand das Kindswohl nicht im Mittelpunkt.“ Deshalb müsse man in die Beschwerde gehen. „Anfang des Jahres ist in Nürnberg die Verhandlung der nächsten Instanz“, berichtet Lisa Katter.
Noch vor Weihnachten verschickte die Pflegemutter eine neue Mitteilung, in der sie schwere Vorwürfe gegen den zuständigen KJF-Pfleger erhebt. Er habe das Mädchen im Sommer in der Türkei besucht, den Bericht darüber aber verschleppt und sei auch nicht in der Lage gewesen, Details zum Gesundheitszustand des Mädchens anzugeben. Auch andere Pflegeeltern glauben, dass sich der Mann zu oft die Interessen der leiblichen Eltern zu eigen macht und dabei das Kindeswohl aus den Augen verliert. Reichen diese Argumente dem Oberlandesgericht, um Fatma ihrer Pflegefamilie zuzusprechen?
„Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt Lisa Katter. Es war ein trauriges Weihnachten ohne Fatma, erzählt sie. Es ist ein trauriges Leben ohne die Kleine. „Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht an sie denken.“ John Schneider