Vom Jahrmarkt-Ballett in ganz andere Welten

Im Fürther Theater gefeiert: Das gelungene Danical „Love hurts... Petrushka“ zwischen HipHop und Strawinsky
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Sie federn von der Basis des Bekannten in die Bewegungswelten von HipHop und Streetdance: „Love hurts... Petrushka“.
Sascha Eilert Sie federn von der Basis des Bekannten in die Bewegungswelten von HipHop und Streetdance: „Love hurts... Petrushka“.

FÜRTH - Im Fürther Theater gefeiert: Das gelungene Danical „Love hurts... Petrushka“ zwischen HipHop und Strawinsky

Es geht nicht nur um Ballett und HipHop, um moderne Klassik und zeitgeistigen Streetdance: Im Spektakel „Love hurts... Petrushka“, das an drei Abenden im Fürther Theater die nach wie vor am besten beleumundete Tanz-Reihe weit und breit wieder mal sachte auf ein Fleckchen Neuland geleitete, sieht man beim Schmerz der Liebe auch einen Artisten im stoischen Kampf mit Metapher und Schicksal. Wie Sisyphos, der seinen stets in die Ausgangsposition zurückkullernden Stein für alle Ewigkeit immer wieder nach oben rollt, rutscht der junge Angel (Ihor Yakimenko) hier kopfüber an einer Kletterstange immer abwärts, um sogleich den nächsten Aufstieg zu wagen. Für ein „Dancical“, wie sich Dirk Elwerts Projekt zwischen den Sparten augenzwinkernd nennt, ziemlich viel, fast zuviel Bedeutungs-Last.

Es ist ein Traum, der öfter mal zu bösem Erwachen führte: Der klassische Tanz, der hier freilich dank Strawinsky schon die ärgsten Schnörkel und die steifsten Gesten abgeschüttelt hat, öffnet sich den Performern, die jenseits gestreckter und geschleckter Revue-Ästhetik ihre Ausdrucksmöglichkeiten suchen. Am Nürnberger Opernhaus war so vor knapp 20 Jahren die ambitionierte Uraufführung „Blue Jeans“ entstanden, wo die Kids von Black Blanc Beur aus der Pariser Vorstadt mit dem Stadttheater-Ballett einen gemeinsamen Weg finden sollten. Am Ende hatten die vitalen Straßen-Aktivisten die kunstsinnigen Berufstänzer schon während der Proben von der Bühne gefegt. Dirk Elwert, dazumal Miterfinder des Tanzwerk Nürnberg, hat es erlebt und nun von seiner Berliner Kultur-Firma The.Lab Art & Media aus alles etwas anders noch einmal probiert. Mit je drei „Girls“ und „Boys“ von DanceWorks Chicago, mehreren „klassisch“ geschulten Solisten und einem alle Grenzen sprengenden Titelhelden (Donald Colson, eine echte Entdeckung) federt er von der Basis des wohlbekannten Jahrmarkts-Balletts in die ganz anderen Bewegungs-Welten. Crossover ist das trotzdem nicht, denn die Übergänge vom Konzert- ins DJ-Reich sind so gleitend, dass man das im Überblick für ein Original halten könnte.

Ein „alter Mann“ schwelgt in Erinnerung, lässt mit seiner Phantasie Wesen aus dem Zwischenbereich von Kunst und Leben auftauchen. Er tanzt nicht mehr, kann aber singen, steht wie ein Pate hinter der erwachten Puppe Petrushka. Was der vielleicht etwas zu zurückhaltend operierende Klassik-Choreograph Mario Schröder in Partnerschaft mit dem offensiveren Streetdance-Dompteur Julie Pecquet daraus machte, hat letztlich nicht zur überzeugend neuen Form gefunden (HipHop-Happen sind eben knalliger als gestückelter Strawinsky), fasziniert aber mit einer Serie spektakulärer Szenen. Darin finden die elf Akteure allmählich zum poetischen Tableau, das mutig Traum mit Wirklichkeit und Melancholie mit Temperament vermischt. Dies macht das internationale Experiment, das seit der Uraufführung im Oktober 2009 auf Deutschland-Tour ist und Chicago als Fernziel hat, zum kleinen Ereignis. Das Publikum, zunächst offenbar etwas erstaunt über die „Dancical“-Formatierung, feierte die Compagnie am Ende ausgiebig - und das zurecht. D.S.

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