"Völlig überzogen": CSU-Fraktionschef Holetschek positioniert sich zu skurriler Tierschutz-Forderung

Tierschützer fordern, auf Holzpferde bei Karussellen zu verzichten. Jetzt beschäftigen sich Abgeordnete aus dem Landtag mit der umstrittenen Idee.
von  Alexander Spöri
CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek kann mit der Peta-Forderung, dass es künftig keine Holzpferde bei Karussellen mehr geben dürfe, nichts anfangen.
CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek kann mit der Peta-Forderung, dass es künftig keine Holzpferde bei Karussellen mehr geben dürfe, nichts anfangen. © IMAGO/Rolf Poss

München – Vergangene Woche haben Tierschützer mit einem skurrilen Vorschlag für Aufsehen gesorgt. In einem Schreiben pochte die Tierrechtsorganisation Peta darauf, auf Tierfiguren bei Fahrgeschäften zu verzichten. Kindern könne man so Respekt vor fühlenden Wesen beibringen. Wenn es nach den Tierschützern geht, sollen die Kleinen künftig  – statt auf Holzpferden  – zum Beispiel auf Flugzeugen und Autos sitzen.

Über diesen Vorschlag empörten sich Bayerns Schausteller in einem an die Politik gerichteten Wutbrief. Darin bittet der Bayerische Landesverband der Marktleute und Schausteller (BLV) alle Fraktionen im Münchner Stadtrat und im Bayerischen Landtag um eine Distanzierung von der "absurden" und "berufsstandsvernichtenden" Forderung.

CSU-Fraktionsvorsitzender Klaus Holetschek appelliert: "Weniger Ideologie, mehr Menschenverstand"

Mittlerweile hat die Politik reagiert. Alle Fraktionen erteilen dem Vorschlag der Tierschützer eine deutliche Absage. Rückendeckung für die Schausteller gibt es von Klaus Holetschek, Fraktionsvorsitzender der CSU im Landtag. "Völlig überzogen und an jeglicher Realität der Gesellschaft vorbei ist der Vorschlag der Peta", sagt der Abgeordnete zur AZ. Dem Politiker zufolge führen derartige Diskussionen immer mehr zu einer "moralischen Spaltung" in der Gesellschaft. Sein Appell ist deshalb: "Weniger Ideologie, mehr Menschenverstand."

Holetscheks Parteikollege Manuel Pretzl aus dem Münchner Stadtrat sieht das ähnlich: "Kinderkarusselle ohne Tiere sind undenkbar", sagt der CSU-Chef im Stadtrat der AZ. Es sei völlig abwegig, daraus "irgendein Problem" zu konstruieren. "Wer auf solche Ideen kommt, muss Kinder für dumm halten. Sie können sehr wohl zwischen echten und unechten Tieren unterscheiden", so Pretzl. "Müssen wir bald auch Teddybären verbieten, damit unsere Kinder später nicht mit echten Bären kuscheln wollen?"

Für viele Kinder sind Holzpferde im Karussell ein echtes Highlight. Tierschützer üben daran Kritik und stoßen mit einer Forderung auf wenig Begeisterung.
Für viele Kinder sind Holzpferde im Karussell ein echtes Highlight. Tierschützer üben daran Kritik und stoßen mit einer Forderung auf wenig Begeisterung. © PerseoMedusa/imago

"Wird die ganze Welt verrückt?" – Florian Streibl hält Vorschlag von Peta für absurd

Für Verärgerung sorgt die Forderung beim Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler im Landtag. "Kein Mensch, der halbwegs bei Verstand ist, kann allen Ernstes eine solch absurde Forderung in den Raum stellen, zumal Karusselle mit Tierfiguren seit Jahrhunderten als Inbegriff des friedlichen Volksfestes gelten", meint Florian Streibl zur AZ.

Die Empörung der Schausteller könne der Abgeordnete gut nachvollziehen. Die Branche leide noch unter den Folgen der Pandemie und den gestiegenen Energiekosten. Deshalb benötigen diese "hart arbeitenden Menschen" Unterstützung. Nicht nachvollziehbar sei wiederum, warum Fahrgeschäfte mit Tierfiguren "falsche Werte" vermitteln sollten. "Wird denn jetzt die ganze Welt verrückt?"

Grünen im Münchner Stadtrat lehnen Forderung ab: "Werden nichts unternehmen" 

Eine der AZ vorliegende Antwort auf den Wutbrief der Schausteller hat die Grünen-Stadträtin Anja Berger abgeschickt. Darin versichert sie den Betreibern von Fahrgeschäften: "Wir werden nichts unternehmen, um auf der Wiesn oder auf den Dulten (oder anderen städtischen Veranstaltungen) etwas mit dieser Zielsetzung zu verändern."

Kinderkarusselle mit Tierfiguren haben auf Volksfesten eine lange Tradition, meint Berger. Gleiches gelte auch für Schaukelpferde und Plüschtiere. "Ich werde mich weiter dafür einsetzen, dass Eure Karusselle und Betriebe den Platz auf unseren Volksfesten einnehmen, der ihnen gebührt", schreibt Berger an die Interessenvertretung der Schausteller.

Peta-Forderung stammt aus den USA und soll "gerechtere Welt" schaffen

Auch die kommunalpolitische Sprecherin der Bayern-SPD im Landtag meldet sich zu Wort: "Wenn jemand Tiere quält oder schlecht behandelt, hat das meist andere Gründe", sagt Christiane Feichtmeier zur AZ. Eine Vorprägung geht damit, wie sie sagt, nicht einher. "Wir haben solche oder ähnliche Trugschlüsse auch in der Debatte um Computerspiele immer zurückgewiesen." SPD-Stadtrat Klaus Peter Rupp weist darauf hin, dass Kinderkarusselle den Volksfesten Familiencharakter verleihen. "Das wollen wir auf keinen Fall ändern und stehen hier an der Seite der Schausteller."

Ursprünglich stammte die Peta-Forderung, auf Karusselltiere zu verzichten, vom Peta-Ableger aus den USA. Dort sandten die Tierschützer an den größten Hersteller von Fahrgeschäften in Nordamerika einen Brief, in dem sie auf einen Produktions- und Verkaufsstopp von Tierfiguren pochten. Laut Peta kann man damit einen wichtigen und langfristigen Beitrag leisten, um eine "gerechtere und barmherzigere Welt" zu schaffen.

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