Vier Morde, zwei Geständnisse – aber kein Motiv
ULM - Seit gestern wird am Landgericht Ulm der Vierfachmord zweier Jugendlicher verhandelt. Die Verteidigung geht von einem Geständnis der beiden Schüler aus - das Motiv ist noch unklar
Die beiden Angeklagten betreten in Kapuzenpullovern den Gerichtssaal. Es sind Andreas H. und sein Freund Frederik B. Der 19-jährige Andreas H. will nicht erkannt werden, beantragt, die Öffentlichkeit ausnahmslos auszuschließen. Nach einer kurzen Beratung wurde der Antrag jedoch abgewiesen.
Die beiden Schüler müssen sich vor dem Ulmer Landgericht für den Vierfachmord an der Familie des 19-jährigen Andreas H. verantworten. Die Verteidigung geht von einem Geständnis ihrer Mandanten aus. Hans Steffan, Verteidiger von Andreas H., sagte dem Magazin Stern: „Die Tatvorwürfe werden von meinem Mandanten im Prozess nicht bestritten.“ Über den Tathergang ist sich die Polizei großteils im Klaren.
Offene Fragen gibt es allerdings über das Motiv der beiden jungen Männer: Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklageschrift von Habgier aus. Andreas H. wollte demnach bei seinen Eltern ausziehen, hatte jedoch kein Geld dafür. Laut Anklageschrift soll er von seiner Mutter die Vollmacht für ein Konto bei einer Schweizer Bank mit einem sechsstelligen Guthaben erhalten haben. Um an das Geld zu kommen, hätte Andreas H. die Unterschriften seiner beiden Schwestern benötigt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er durch die Auslöschung seiner Familie zum Alleinerbe werden wollte. Angeblich hatte sein Freund Frederik schon eine „Wunschliste“ für seinen Anteil des Erbes. Hans Steffan führt jedoch die „fehlende Solidarität innerhalb der Familie“ als Motiv an. Andreas wäre der einzige in der Familie gewesen, der sich gegen den autoritären Vater auflehnte. Das zu beweisen dürfte allerdings schwierig sein, weil die wichtigsten Zeugen tot sind.
Die Eltern des Komplizen Frederik schlossen dem Stern gegenüber „materielle Probleme“ als Motiv für die Tat aus: „Frederik hat es nie an etwas gefehlt“, so der Vater des 19-jährigen. Beide Burschen lebten in geordneten Verhältnissen - galten in ihrem Umfeld als „nett“ und “hilfsbereit“. Von einer nachgesagten homosexuellen Beziehung zwischen den beiden wollen Frederiks Eltern nichts wissen.
Über die beiden Angeklagten wird zurzeit ein psychiatrisches Gutachten erstellt. Der Verteidigung geht es in dem Prozess vor allem darum, ein Urteil nach dem Jugendstrafrecht zu erwirken – um das Höchststrafmaß auf zehn Jahre Haft zu drücken.
roh