„Viel ist gegen uns gelaufen“

... „und niemand, weder die Spieler noch der Trainer hatten eine Lösung parat.“ Es folgte Oennings letzte Ansprache
Von Mike Frantz
Gegen Ende der Hinrunde steckte bei uns mächtig der Wurm drin. Nur warum, wusste leider immer noch keiner so genau. Teilweise überragenden Spielen wie dem 2:2 gegen Bremen folgten wieder ganz schlechte Auftritte wie gegen Mainz. Hopp oder top, was anderes gab’s bei uns damals nicht.
"In den Mannschaftssitzungen wurde der Ton rauer"
Werder war in dieser Phase super drauf. Alle haben sich nur gefragt, wie hoch wir verlieren. Und dann liefern wir so eine klasse Leistung ab. Aber egal, denn danach ging’s nach Mainz. Ein Aufsteiger wie wir – und da zeigten wir mal wieder gar nichts. Das Auf und Ab begann von neuem. In Wolfsburg hatten wir schnell gemerkt, dass wir klar besser sind als die Wölfe. Wir waren spritziger, leidenschaftlicher. Am Ende war der 3:2-Sieg natürlich glücklich, aber trotzdem verdient. Wir hatten immerhin den Meister mit allen Stars wie Misimovic oder Edin Dzeko in seinem Wohnzimmer geschlagen. Wahnsinn, da war plötzlich Aufbruchstimmung da. Aber das geht ja immer schnell in Nürnberg.
Natürlich hatten wir auch verdammt viel Pech. Vieles ist gegen uns gelaufen. Gegen Bremen wurde uns ein reguläres Tor aberkannt, ebenso wie in Mainz. Ganz zu schweigen von dem Lattentreffer gegen Freiburg. Wenn der Ball reingeht, läuft das Spiel vielleicht auch anders. Aber trotz Pech, Schuld an unserer Situation waren wir schon selbst. Wir haben es in dieser Zeit einfach nicht geschafft, für uns einen Mittelweg zu finden. In dieser Phase hatte niemand beim Club eine Lösung parat, weder das Trainerteam noch die Spieler. Klar, dass in den Mannschaftssitzungen der Ton zunehmender rauer wurde. Von Oenning gab’s öfters einen Anpfiff. Nach dem Motto: Leute, was war denn das jetzt schon wieder? Bis zu dem Freiburg-Spiel hatten wir einfach viel zu wenig Punkte. Obwohl viel mehr drin gewesen wäre.
"Nach der zweiten Pleite in Folge kam Verunsicherung auf"
Allen war klar, dass es mit diesen Schwankungen nicht ewig so weitergehen würde. Ich wusste, irgendwann kommt eine Phase, da verlieren wir zwei, drei, vier Spiele in Folge. Und die kam. In Dortmund waren wir mal wieder völlig chancenlos. Die Niederlage hätte leicht höher ausfallen können. Es war die zweite Pleite in Folge, und langsam kam bei uns Verunsicherung auf, weil auch das Umfeld zunehmend unruhiger wurde.
Natürlich machst du dir als Spieler Gedanken über Presseberichte oder Trainerkritik. Sobald du aber auf dem Platz gehst, gibt’s das nicht mehr. Dann zählt nur noch, was du dir vorgenommen hast. Aber wir konnten einfach nichts davon umsetzen. Wie zu Hause gegen den HSV, als wir eine Halbzeit lang gut mitgehalten hatten, nach dem Gegentor aber völlig eingebrochen sind. Unerklärlich, weil eigentlich jeder wusste, dass wir so nicht mehr auftreten können. Aber wir konnten den Hebel nicht mehr umlegen. Besonders Leid getan hat mir in dieser Phase Alexander Stephan. Er hatte immer alles versucht, und trotzdem in jedem Spiel die Bude vollbekommen.
"Ich ahnte, dass der Club sich von Oenning trennen würde"
Dazu kam die aufgeheizte Stimmung der Fans. Es gab sogar noch diese Drohungen gegen Manager Martin Bader. Ich habe eigentlich viel Verständnis für unsere Fans. Sie zahlen viel Geld dafür, uns spielen zu sehen. Und sie dürfen natürlich auch ihrem Unmut freien Lauf lassen. Aber bei Drohungen hört der Spaß auf. Ich bin ja einer, der die Ultra-Szene sehr befürwortet, war früher in Saarbrücken selbst dabei. Aber es gibt Grenzen. Dafür ist der Fußball auch viel zu kostbar.
Allerdings haben Fans ein recht gutes Gespür, wenn etwas bei ihrem Verein schiefläuft. Und letztendlich hatten sie ja Recht. Das letzte Spiel der Hinrunde legte noch einmal offen, was bei uns nicht passt. Beim 0:3 in Köln hatten wir keine Torchance. Zwar hatten wir immer noch Platz 16 in Reichweite, aber ich wusste schon, dass jetzt etwas passieren würde. Dass sich der Verein von Oenning trennen würde. Und so kam es ja auch.
Ich habe Oenning als Mensch sehr geschätzt und auch fachlich hatte er gewisse Qualitäten. Aber dem Verein blieb bei diesem Negativ-Lauf nichts anderes übrig, als etwas Neues zu probieren. Oenning hat am Tag vor dem Köln-Spiel noch eine Ansprache gehalten. Darin sagte er, dass wir trotzdem 2009 mit dem Aufstieg Großes geleistet haben. Aber auch, dass wir das jetzt verspielt haben.
Ich habe noch mit ihm telefoniert, ihm alles Gute gewünscht. So ist eben das Geschäft.
aufgezeichnet von Krischan Kaufmann
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