Versinkt der Hauptbahnhof in Regensburg in der Kriminalität? Schulleiter warnt Eltern
"Wie die Angst nach Regensburg kam", lautete der Titel eines Artikels in der "Bild"-Zeitung kürzlich, in dem von einer "massiven" Zunahme der Kriminalität im Bahnhofsbereich die Rede war. Ein Schulleiter einer nahegelegenen Mädchenschule hatte Eltern in einem Brief gewarnt, ihre Kinder nur in Gruppen zur Schule gehen zu lassen. Ende Januar soll in der Parkanlage eine 29 Jahre alte Frau vergewaltigt worden sein. Im Zuge der Ermittlungen nahm die Polizei zwei Asylbewerber fest.
Und der Bereichsleiter eines EDEKA-Marktes im Hauptbahnhof klagt über Ladendiebstähle in Höhe von täglich 500 Euro. 80 Prozent der Diebstähle würden von Ausländer begangen, vor allem Tunesiern, berichtet der Leiter gegenüber "Bild". Die Männer seien respektlos und beleidigten Mitarbeiter, griffen diese teilweise sogar körperlich an. Zehntausende Euros gebe der Markt mittlerweile für einen Sicherheitsdienst aus. Wird die Polizei verständigt, würde diese die Diebe nach Feststellung der Personalien wieder auf freien Fuß setzen.
Anstieg bei der Straßenkriminalität am Hauptbahnhof in Regensburg
Der zuständige Bereichsleiter im EDEKA am Hauptbahnhof war für die AZ nicht erreichbar, allerdings bestätigt die Bundespolizei, traditionell für größere Bahnhöfe zuständig, die Schilderungen. Am häufigsten festgestellte Tatverdächtige bei Ladendiebstählen im Hauptbahnhof Regensburg seien 2023 deutsche Staatsangehörige gewesen, gefolgt von tunesischen Staatsangehörigen. Die überwiegende Mehrheit der Ladendiebstähle sei dabei im genannten Supermarkt begangen worden, teilt ein Sprecher auf Anfrage der AZ mit. Hierbei sei ferner seit Mai 2023 ein auffälliger Anstieg tunesischer Staatsangehöriger bei den Verdächtigenzahlen bei Ladendiebstählen zu beobachten.
In Betrachtung aller Straftaten im Jahr 2023 am Hauptbahnhof seien die häufigsten Tatverdächtigen deutsche Staatsangehörige, am zweithäufigsten tunesische Staatsangehörige. Deren Anzahl habe sich im Vergleich zum Jahr 2022 fast verachtfacht und sei auf eine Zahl im "niedrigen dreistelligen Bereich" angestiegen.
Hauptbahnhof in Regensburg: Auch im Umfeld steigt die Straßenkriminalität an
Tatsächlich dürften 2023 auch mehr Tunesier nach Regensburg gekommen sein. Überhaupt haben 2023 mehr tunesische Staatsangehörige Asylantrag in Deutschland gestellt: Waren es 2022 noch etwa 1.500 Menschen, stieg diese Zahl im Folgejahr auf 2.500, vermutlich aufgrund der Dürre und fehlender Arbeitsperspektiven in der Landwirtschaft. Gemäß dem Königssteiner Schlüssel wurden von diesen gut 240 bzw. 300 nach Bayern und dort weiter an die auf Tunesier spezialisierten Ankerzentren im mittelfränkischen Zirndorf und eben in Regensburg verteilt.
Nicht nur im Hauptbahnhof selbst, auch im Umfeld sei ein Anstieg der Fallzahlen in der Straßenkriminalität zu verzeichnen, schreibt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberpfalz der AZ, also etwa bei Diebstählen oder Körperverletzungen. Da die Kriminalstatistik aber erst im Frühjahr veröffentlicht werde, sei noch keine Aussage zu konkreten Fall- oder Verdächtigenzahlen möglich. Der Hauptbahnhof in Regensburg sei als "gefährlicher Ort" definiert, was in Großstädten üblich ist und der Polizei gestattet, verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen.
Da auch die naheliegende Parkanlage "vermehrt Anlaufstelle für Personen" war und dort höhere Deliktszahlen zu verzeichnen waren, sei der als "gefährlicher Ort" definierte Bereich um den Bahnhof ausgeweitet worden. Auch sei eine Arbeitsgruppe gegründet worden, die die Arbeit von Landes- und Bundespolizei, Staatsanwaltschaft und Amtsgericht koordiniert, um zum Beispiel Wiederholungstäter schneller verurteilen zu können, erklärt der Präsidiumssprecher in einem Telefonat.
Egal mit welchem Pass: Ladendiebe kommen selten in Haft
Zum in den Sozialen Medien heiß diskutierten Vorwurf, erwischte Ladendiebe würden von der Polizei einfach wieder laufen gelassen, verweisen Ermittler darauf, dass es sich hierbei um eine gängige Praxis handele – sowohl gegenüber Menschen mit ausländischem als auch mit deutschem Pass. Seien die Personalien festgestellt, gebe es kaum eine rechtliche Grundlage für Untersuchungshaft.
Diese ist in der Strafprozessordnung geregelt und nur durchsetzbar, wenn etwa Fluchtgefahr besteht oder die Möglichkeit, dass ein Verdächtiger Beweismittel vernichtet oder Zeugen beeinflusst. Wohnt also beispielsweise jemand am Ort und wird beim Stehlen von einer Überwachungskamera gefilmt, scheint beides nicht gegeben. Beläuft sich der Wert der entwendeten Waren dann auf 30 oder 40 Euro, stünde Untersuchungshaft auch nicht im Verhältnis zur erwarteten Strafe, was das Gesetz ebenfalls vorschreibt.
Der Regensburger Bundestagsabgeordnete Peter Aumer (CSU) verwies in einem Facebook-Post darauf, dass ihm Ermittlungsbehörden bestätigt hätten, dass der größte Teil der Taten hauptsächlich von Tunesiern begangen würden. "Diese werden vom Bund zugeteilt und zentral in Regensburg untergebracht", heißt es in dem Post. Aumer habe Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) aufgefordert, die "zentrale Sonderzuweisung von Asylsuchenden aus Tunesien nach Regensburg" aufzulösen.
Keine "Sonderzuweisung" von Tunesiern nach Regensburg
Jedoch: Eine derartige "Sonderzuweisung" gibt es nicht, wie das Nürnberger Amt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auf AZ-Anfrage mitteilt. "Das ist definitiv nicht unser Begriff", sagt Sprecher Jochen Hövekenmeier am Telefon. Dass in Regensburg mehr tunesische Asylbewerber ankommen sei zwar richtig, liege aber nicht an irgendeiner Form der Zuweisung, sondern an der inneren Logik des deutschen Asylverfahrens.
Denn Entschieden werden die Asylgesuche in Bayern in den sieben Ankerzentren, die alle unterschiedliche Spezialisierungen aufwiesen, so Hövekenmeier. Nur in Regensburg und Zirndorf werde über die Verfahren von tunesischen Asylbewerbern entschieden. Insofern kämen natürlich viele der tunesischen Bewerber nach Regensburg, Menschen anderer Nationalitäten aber nicht, zum Beispiel Jordanier und Jemeniten, deren Gesuche im Ankerzentrum in München entschieden würden.
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