Verloren, vergessen, versteigert
LANDSHUT - Von der Babypuppe bis zum Buggy, vom Laserdrucker bis zum Laptop: Kaum zu glauben, was Urlauber am Münchner Flughafen alles liegen lassen. In Landshut kamen jetzt 580 Fundstücke unter den Hammer.
Ihr ehemaliger Besitzer war vielleicht so ein Hippie-Typ. Lange Haare, zerfetzte Jeans, ein bisschen verplant. Peace, Mann! Im ungewohnten Stress am Flughafen („Was, mein Flug nach Hawaii ist schon aufgerufen?“) hat er sein bestes Stück einfach vergessen: die Gitarre, mit der er doch eigentlich im Urlaub chillen wollte. Ein halbes Jahr lag das Stück im Fundamt des Münchner Flughafens. Jetzt kam es mit rund 580 anderen Fundstücken unter den Hammer.
Samstag, 11.30 Uhr, Landshut. Auf der Grieserwiese ist Dult, draußen warten die Kinderkarussells auf kleine Kunden, im Krämmer-Festzelt herrscht bereits Gedränge. Die Gitarre steht irgendwo zwischen Diktiergeräten, Discmen, Uhren, Babypuppen, Märklin- Eisenbahn-Gleisen, I-Pods, Digitalkameras, Laptops, Brillen, Angelruten, Dampfbügeleisen, einem Surfbrett und einem etwa 70 mal 70 Zentimeter großen, kiloschweren Laserdrucker.
Einen Buggy für den Kleinen
„Sie nehmen doch sicher auch immer Kettensägen und Milchaufschäumer mit in den Urlaub?“, fragt Josef Rankl grinsend und deutet auf die skurrilen Fundstücke. Der 46-Jährige ist Leiter des Service-Centers am Münchner Flughafen und behält die Teile im Blick, bis sie aufgerufen werden. „Die Versteigerung findet in Landshut statt, weil wir auch mal in der Region präsent sein wollen“, sagt Rankl.
Anna Aschenbrenner schiebt sich derweil mit ihrem drei Monate alten Söhnchen Lukas auf dem Arm durchs Gedränge. Die Krankenschwester weiß schon, was sie will: einen Buggy für den Kleinen. „Obwohl er noch gar nicht sitzen kann.“ Auktionator Sepp Mittermeier ist angekommen. Wie seine beiden Söhne – Michael, der Comedian und Alfred, ein Kabarettist – ist er Publikum gewöhnt. Bevor er in Rente ging, arbeitete er als selbstständiger Auktionator auf Tierauktionen, jetzt steigt er nur noch für den guten Zweck auf die Bühne.
„Ich hab’ im Leben so viel Glück gehabt. Da will ich ein bisschen was zurückgeben“, sagt der Dorfener. Der Erlös aus der Versteigerung soll an die Landshuter Ecuador-Stiftung „Licht und Schatten“ gehen.
Wie bei der WM im Schnellreden
13 Uhr, im Zelt sind an die 800 Menschen, es kann losgehen. Geboten wird in fünf- Euro-Schritten, bezahlt wird sofort und zwar bar. Wer neu ins Zelt kommt, könnte auch denken, er sei bei der Weltmeisterschaft im Schnellreden gelandet, so rasant preist Mittermeier senior die Fundstücke an. „5EurofürdieBabypuppe, denFönunddas- Barbiepferd.5Euro,10,10,10,wosehich15? 15,15,15zumersten, zumzweiten,20,20,20,werbietet25? 20,20,20,zumersten,zumzweitenundzum– dritten!Die- DameimrotenMantelhatdenZu schlag.“
Die Dame im roten Mantel ist Roswitha Niedermeier-Müller, die Puppe und Barbiepferd für ihre erste Enkelin, Hannah-Sophia, ersteigert hat. „Sie ist zwar erst zweieinhalb Monate alt, aber irgendwann freut sich die Kleine sicher darüber“, sagt die stolze Oma. Dann zieht sie’s wieder in Richtung Bühne. „Ich will noch die Gitarre!“
Mann im Überraschungskoffer
Gelächter ein paar Meterweiter: Johann König hat gerade einen „Überraschungskoffer“ ersteigert. „Keine Ahnung, was da drin ist“, sagt er, öffnet den Reißverschluss – und lacht los. „Schaun Sie“, ruft Herr König und zieht ein Buch aus dem Koffer: „Königliche Hoheit“ von Thomas Mann. „Das passt!“ Seine Frau Brigitte fischt noch mehr aus dem Koffer, während sich die Neugierigen um sie drängen: ein kleines Radio, eine Ente aus Ton, einen Teddy, ein Tuch, eine Uhr, einen Gürtel, eine Mütze, eine Brille, eine Jacke. „Allein der Spaß ist die 100 Euro wert, die der Koffer gekostet hat“, meint Brigitte König.
16.00 Uhr: Zwischen 6000 und 7000 Euro sind bei der Auktion zusammengekommen, fast nichts ist übrig geblieben. Auch die Gitarre des vergesslichen Hippies hat einen neuen Besitzer: Peter Geschwindt, ein gestandener Bayer aus Freising, hat sie für 160 Euro gekauft. Sein Sohn Andreas soll sie bekommen. „Er hat zwar schon eine, aber es schadet nie, eine zweite zu besitzen“, sagt Geschwindt. Recht hat er. Man könnte ja eine verlieren. Vielleicht am Flughafen.
Daniela Transiskus
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