Verhungerte Sarah: Jugendamt redet sich raus

Im Prozess gegen den Vater des Mädchens geriet die Behörde immer wieder unter Beschuss. Am Donnerstag kam der verantwortliche Sozialpädagoge zu Wort
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Auf der Anklagebank sitzt Sarahs Vater Patrick R. (30).
bayernpress 2 Auf der Anklagebank sitzt Sarahs Vater Patrick R. (30).
Sarahs Mutter Angela R. (27) kann wegen eines schweren Krebsleidens nicht an dem Prozess teilnehmen.
AZ 2 Sarahs Mutter Angela R. (27) kann wegen eines schweren Krebsleidens nicht an dem Prozess teilnehmen.

Im Prozess gegen den Vater des Mädchens geriet die Behörde immer wieder unter Beschuss. Am Donnerstag kam der verantwortliche Sozialpädagoge zu Wort

NÜRNBERG Das Drama um die kleine Sarah: Das Jugendamt hatte von dem Leid des kleinen Mädchens, das im Sommer letzten Jahres qualvoll verhungerte, dem Anschein nach nichts mitbekommen. Im Verlauf des Prozesses hatten etliche Zeugen dem Jugendamt schwere Versäumnisse vorgeworfen. Die Ermittlungen gegen das Amt sind bereits eingestellt (AZ berichtete). Eine gute Figur machte der Verantwortliche am Donnerstag vor dem Nürnberger Schwurgericht allerdings nicht.

Mehrere Male habe er die Familie persönlich besucht, erklärte der Sozialpädagoge (42). Die Kinder als auch die Wohnung seien dann immer in einem „annehmbaren Zustand“ gewesen. Schwer zu glauben: Andere Zeugen berichteten von vermüllten Zimmern und Uringestank.

Der Pädagoge geriet in Erklärungsnot

Dass Sarah mit über zwei Jahren noch nicht richtig laufen konnte, fiel ihm zwar negativ auf. Ein Warnsignal war es ihm aber offensichtlich nicht. Der Sozialpädagoge geriet in Erklärungsnot: „Das kommt bei Kindern aus problematischen Familien häufig vor. Ich forderte die Eltern nachdrücklich auf, die Kinder mehr zu fördern. Mehr kann ich in meiner Position nicht tun. Eine akute Gefährdung des Kindes haben wir nie festgestellt.“

Auch der Hinweis eines ehemaligen Familienhelfers im Jahr 2007, dass die Situation im Hause von Angela (27) und Patrick R. (30) zwar gerade noch hinnehmbar sei, sich aber verschlechtere, ließ den Verantwortlichen vom Jugendamt nicht aufhorchen. Im Gegenteil: „Ich teile diese Ansicht nach wie vor nicht“, gab er vor Gericht an.

Wie der Beamte zugeben musste, war er aber nie völlig im Bilde, was die Familienverhältnisse angeht. Dass der vierfachen Mutter Angela R. bereits die ersten beiden Kinder vom Jugendamt in Schwabach entzogen worden waren – wegen grober Vernachlässigung – erfuhr er am Donnerstag im Prozess zum ersten Mal. In die entsprechende Akte auf seinem Schreibtisch hatte er nie einen Blick geworfen.

"unglaubliches Versäumnis"

Für Richter Richard Caspar ein unglaubliches Versäumnis: „Als Betreuer einer Familie will man doch deren Vorgeschichte kennen. Mit diesen Infos hätten sie doch ganz anders auf die Finger schauen können.“ Nach längerem Schweigen, kam diese Antwort: „Für die anderen beiden Kinder war nicht ich, sondern Schwabach zuständig. Deshalb habe ich mir die Akte nicht angesehen.“

Wie Richter Caspar am Donnerstag betonte, sollte die Befragung des Betreuers nicht der Bloßstellung dienen, sondern ihm Gelegenheit bieten, Angriffe gegen das Amt zu entkräften. Diese Chance konnte der Sozialpädagoge allerdings nicht ergreifen.

Marlina Pfefferer

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