Verhungerte Sarah: Auch im Tod ist sie noch einsam

Nur fünf Angehörige standen am Grab des kleinen Mädchens. In Thalmässing trauerten 250 Menschen um das tote Kind.
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Pfarrer Johannes Arendt steht vor dem blumengeschmückten, weißen Kindersarg, nur fünf Angehörige kamen am Samstag, um Sarah das letzte Geleit zu geben.
10nach8 3 Pfarrer Johannes Arendt steht vor dem blumengeschmückten, weißen Kindersarg, nur fünf Angehörige kamen am Samstag, um Sarah das letzte Geleit zu geben.
In diesem Grab wurde Sarah beerdigt. Aufdem Holzkreuz steht ihr Name in Goldbuchstaben.
10nach8 3 In diesem Grab wurde Sarah beerdigt. Aufdem Holzkreuz steht ihr Name in Goldbuchstaben.
Sarah wurde nur drei Jahre alt. Als sie starb, wog sie nur noch acht Kilo. Ihr wohlgenährter Vater kümmerte sich nicht um sie.
AZ 3 Sarah wurde nur drei Jahre alt. Als sie starb, wog sie nur noch acht Kilo. Ihr wohlgenährter Vater kümmerte sich nicht um sie.

Nur fünf Angehörige standen am Grab des kleinen Mädchens. In Thalmässing trauerten 250 Menschen um das tote Kind.

THALMÄSSING Arme, einsame Sarah: Kein letzter Gruß vom Vater, keiner von der Mutter. Nur ein einziges Blumengebinde war das verhungerte dreijährige Kind aus Thalmässing seiner eigenen Familie wert. Gelbe Rosen und Sonnenblumen schmückten den winzigen weißen Kindersarg, in dem der ausgemergelte Körper neben zwei weiteren Kindergräbern zu seiner letzten Ruhe gebettet wurde. Auf der Schleife kein Wort von Liebe, Trauer, Entschuldigung – sondern nur vier Worte „Deine Opa und Oma“. Daneben zwei Seiten mit ausgedruckten Trauergedanken, die so gar nicht zu dem furchtbaren Fall passen mögen: „Manchmal verlässt uns ein Kind, das den Ruf von drüben lauter vernommen hat als die Stimme des Lebens...“ – „Das ist richtig herzlos“, schüttelt eine alte Dame den Kopf, die das Grab ihres Mannes besuchte.

Sarah wurde nur drei Jahre alt. Bei ihrem Tod wog sie nur noch acht Kilo. Gegen die Eltern wurde Haftbefehl wegen gemeinschaftlichen Totschlags erlassen. Das Mädchen schien von seiner Familie nicht nur im Leben vergessen worden zu sein, sondern auch im Tod. Nur fünf Angehörige kamen am Samstag zur Beerdigung auf den kleinen Friedhof in Mühlstetten. Unter ihnen die Großeltern, die regelmäßig ihren Bruder Dominik abgeholt hatten – obwohl der Vierjährige im Gegensatz zu Sarah nicht ihr leibliches Enkelkind war.

Keine Feier, keine Musik, kein Glockenläuten

Keine Feier, keine Musik, kein Glockenläuten. Nach 20 Minuten waren die Angehörigen schon wieder verschwunden. Zurück blieb ein Grab mit einem weißen schlichten Holzkreuz. In goldener Schrift hatte der Bestatter „Sarah“ aufdrucken lassen. Wie konnte Oma, Opa und die anderen Familienmitglieder das langsame Sterben übersehen? „Die Frage nach der Verantwortung und der Schuld darf bei einer Beerdigung keine Rolle spielen. Es ist nicht unsere Sache, zu richten“, sagt Pfarrer Johannes Arendt, selbst fünffacher Vater und Opa eines Enkelkindes. „Sarah hat einen grausamen Hungertod erlitten. Wenn wir dieses Mädchen beerdigen, wollen wir damit ausdrücken, dass auch sie ein Kind Gottes ist. Wir können sie nur der Liebe und Gnade Gottes anvertrauen. Das allerdings liegt nicht in unserer Macht.“

250 Menschen nahmen gestern in Thalmässing in einem Gottesdienst Abschied von Sarah. „Wir wollen mit dieser Andacht diesem schlimmen Ereignis einen Raum der Trauer, des Entsetzens und der Fassungslosigkeit geben“, sagte Pfarrer Frank Zimmer. Die Tragödie hatte den 5300-Seelen-Ort erschüttert. Viele stellten Kerzen und Teddys vor dem Haus des Mädchens. Familienministerin Christine Hader-thauer kritisierte derweil die Nachbarn: „Niemand stand zu seiner Verantwortung, dem Jugendamt rechtzeitig zu sagen: Könntet Ihr bitte nachsehen, was da los ist.“ Andrea Uhrig

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