Verdurstetes Mädchen: Ex-Mann von Jennifer W. vor Gericht

Den qualvollen Tod eines kleinen Mädchens, aber auch Menschenhandel und Völkermord wirft die Anklage einem mutmaßlichen IS-Mitglied vor. Seine frühere Frau, die aus dem Kreis Vechta stammende Jennifer W., steht bereits seit über einem Jahr in München vor Gericht.
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Eine Statue der Justitia hält eine Waage in ihrer Hand. Foto: picture alliance / Peter Steffen/dpa/Symbolbild
dpa Eine Statue der Justitia hält eine Waage in ihrer Hand. Foto: picture alliance / Peter Steffen/dpa/Symbolbild

Frankfurt/Main - "Die Würde des Menschen ist unantastbar" steht in großen steinernen Lettern an der Wand des Gerichtsgebäudes, direkt über dem Eingang, den Zuschauer und Prozessbeobachter passieren. Im Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt gegen ein mutmaßliches Mitglied der Terrormiliz IS geht es um Straftaten, bei denen die Würde von Menschen schwer verletzt worden sein soll: Um Menschenhandel, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit - und um den qualvollen Tod eines fünfjährigen Mädchens im Irak, das laut Anklage mit seiner Mutter versklavt und mehrfach verkauft wurde, bis die beiden Angehörigen der Minderheit der Jesiden im Haushalt des heute 27 Jahre alten Irakers und seiner damaligen Frau landeten.

Ehe der Angeklagte am Freitagvormittag den Gerichtssaal betritt, reicht ein Justizbeamter einen Aktenordner durch die Tür - Taha Al J. will nicht für Fotografen und Kameraleute erkennbar sein. Er war einmal der Mann von Jennifer W. aus Lohne im Kreis Vechta, gegen die wegen der Tat bereits seit über einem Jahr in München verhandelt wird - das Verfahren dort ist derzeit noch bis in den August terminiert. Die Prozesse gegen die beiden laufen getrennt, weil sie zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlicher Orten festgenommen wurden.

Am ersten Verhandlungstag in Frankfurt verlesen die Bundesanwälte die Anklage, gehen noch einmal auf die Militäraktionen des IS in Syrien und im Irak ein. Ausführlich sprechen sie über das Schicksal der Jesiden, die Opfer von Massenexekutionen, Zwangskonvertierung zum Islam, Versklavung und Vergewaltigungen wurden. Das Ziel der "vollständigen Vernichtung der Jesiden" sei auch von dem Angeklagten geteilt worden, der seit 2013 Mitglied der Terrormiliz gewesen sein soll.

Im konkreten Fall geht es um das Schicksal einer jesidischen Frau und ihrer fünfjährigen Tochter, die als Arbeitssklavinnen immer wieder Misshandlungen ausgesetzt gewesen sein sollen. Die Mutter leide noch heute unter erheblichen Schulterschmerzen als Folge von Stockschlägen, die sie für Nichtigkeiten wie etwa falsch gewaschene Wäsche erhalten habe, sagte die Bundesanwältin. Dann sei es zwischen Ende Juli und September 2015 zu einer weiteren gekommen, nachdem das Kind krankheitsbedingt im Haus auf eine Matratze uriniert habe.

Der Angeklagte soll in Rage geraten sein und zunächst die Mutter gezwungen haben, barfuß nach draußen in den Hof des Hauses in Falludscha im Irak zu treten. Laut Anklage herrschten draußen Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius im Schatten. Anschließend soll der Angeklagte das geschwächte Kind, das nach seiner Mutter gerufen habe, draußen ungeschützt vor der Sonne an ein Fenster gefesselt haben. Das Kind sei in Folge dieser Strafe gestorben.

Taha Al J., der seit seiner Festnahme in Griechenland in Untersuchungshaft ist, äußert sich nicht zu den Vorwürfen und machte auch keine Angaben zu seinen Personalien. "In so einem langen Verfahren ist es sicherlich erst einmal ratsam, zu schweigen", sagt einer seiner Verteidiger anschließend. "Mit einem Geständnis ist sicher nicht zu rechnen." Der Prozess wird am Montag mit der Zeugenaussage eines Polizisten fortgesetzt.

Mit Spannung verfolgen auch Vertreter der Exil-Jesiden den Prozess in Frankfurt. "Uns wäre es eine Freude, wenn noch mehr solcher Fälle vor deutsche Gerichte kommen", sagt Ciyan Ak. "Wir hoffen auf Gerechtigkeit", ergänzt Aziz Kalash vom Vorstand des Kongresses der Eziden (Jesiden). Es gehe um Gerechtigkeit nicht nur für das tote Kind und seine als Nebenklägerin vertretene Mutter, sondern auch für die Jesiden, die um eine Anerkennung als Volk kämpfen. Auf das Schicksal der Jesiden als Opfer von Völkermord verwies auch die Bundesanwaltschaft: Viele derjenigen, denen die Flucht aus IS-Gebieten gelang, seien "bis heute schwer traumatisiert".

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